Der Dokumentarfilm setzt sich mit der Abschiebepraxis in der Schweiz auseinander. Das Eintauchen in den Alltag einer Abschiebehaftanstalt ist dazu angetan, das Publikum zu polarisieren, da der Jetzt-Zustand kompromisslos beschrieben und das Thema nicht in seiner Komplexität erfasst wird. Die monoperspektivische Betrachtung reizt zu Widerspruch, bietet aber einen wichtigen Beitrag zur überfälligen Diskussion in der Schweiz. (O.m.d.U.; Preis der Ökumenischen Jury in Locarno 2011)
- Ab 16.
Vol spécial
Dokumentarfilm | Schweiz 2011 | 100 Minuten
Regie: Fernand Melgar
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Filmdaten
- Originaltitel
- VOL SPÉCIAL
- Produktionsland
- Schweiz
- Produktionsjahr
- 2011
- Produktionsfirma
- Climage/RTS/ARTE
- Regie
- Fernand Melgar
- Buch
- Fernand Melgar
- Kamera
- Denis Jutzeler
- Musik
- Wandifa Njie · Fernand Melgar
- Schnitt
- Karine Sudan
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- 29.09.2011
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Es gibt wenige Filme, über die zu reden derart heikel ist wie über die beiden jüngsten Werke von Fernand Melgar: „La forteresse“ (fd 39 190) und „Vol spécial“. Nicht zu bezweifeln ist deren Wichtigkeit, sofern man die Einmischung der Kunst in die Politik grundsätzlich billigt: „La Forteresse“ als Dokumentation über ein Schweizer Empfangszentrum für Asylsuchende, „Vol Spécial“ als Bericht über die helvetische Abschiebeanstalt Frambois, führen beide den in den 1960er-Jahren mit Filmen wie A. J. Seilers „Siamo Italiani“ (1964) begonnenen Diskurs um die Migrationsfrage in der Schweiz fort. Auch hinterlassen beide Werke, die einem puren Dokumentarismus frönen, einen tiefen Eindruck. „La Forteresse“ gilt als größter Festivalerfolg in der Geschichte des Schweizer Dokumentarfilms; um „Vol spécial“ ist nach der Premiere in Locarno ein heftiger Disput entbrannt. Der Film ist beileibe nicht „faschistisch“, wie ihm vorgeworfen wurde. Doch indem Melgar sein Thema nicht von verschiedenen Seiten auslotet, sondern im Hier und Jetzt verharrt und lediglich den über Wochen festgehaltenen Alltag in Frambois vorführt, ohne auf die politischen Hintergründe oder die Geschichten der einzelnen Protagonisten einzugehen, zwingt er dem Zuschauer (s)eine sehr einseitige Sicht der Situation auf und lässt ihm keine Chance, selbst Position zu beziehen. Er zeigt eigentlich bloß: So ist es. Und so, wie es ist, ist es unhaltbar. Die Häftlinge verzweifeln, die Aufseher sind extrem belastet. Folgt man dieser Argumentationsweise, muss man dem Schweizer (und europäischen) Rechtssystem grundsätzlich misstrauen. Dies aber ist eine Form der Entmündigung, die ziemlich verärgern kann. Was jedoch noch lange nicht heißt, dass Melgar in der Sache nicht Recht hat und sein Film nicht Not tut.
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