Über den Osten der USA fegt urplötzlich eine unerklärliche Selbstmordwelle hinweg. Die Überlebenden schließen sich zu Notgemeinschaften zusammen und fliehen aus den urbanen Zentren, wobei es einem jungen Paar in einer mittleren Ehekrise gelingt, die Bedrohung durch andere Menschen, vor allem aber durch die Felder und Wiesen Pennsylvaniens zu überstehen. Schnörkellos und dicht inszenierter, in einigen Passagen fast dokumentarisch anmutender Horrorthriller von verstörender Poesie, der den Schrecken klug dosiert und ihn damit umso nachhaltiger vermittelt. Ein subtiler Kommentar zum Modethema Ökologie, deren Gefährdung durch die Zivilisation im Hintergrund der Fabel aufscheint.
- Sehenswert ab 16.
The Happening
- | USA/Indien 2007 | 90 Minuten
Regie: M. Night Shyamalan
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE HAPPENING
- Produktionsland
- USA/Indien
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- 20th Centrury-Fox/Blinding Edge Pic./Spyglass Ent./UTV
- Regie
- M. Night Shyamalan
- Buch
- M. Night Shyamalan
- Kamera
- Tak Fujimoto
- Musik
- James Newton Howard
- Schnitt
- Conrad Buff IV
- Darsteller
- Mark Wahlberg (Elliot Moore) · Zooey Deschanel (Alma Moore) · John Leguizamo (Julian) · Ashlyn Sanchez (Jess) · Betty Buckley (Mrs. Jones)
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
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Blieben Hunderte von Menschen im Central Park plötzlich wie angewurzelt stehen, würden die New Yorker wohl nur mit den Achseln zucken. Wie etwa zur spektakulären Stillstehminute in der Grand Central Station, zu der sich Massen von Gelegenheitsperformern im Februar 2008 per Handy verabredeten. Vom „Flashmobbing“ hat sich M. Night Shyamalan offenbar inspirieren lassen. Statt von Aktionskunst kündet sein Intro allerdings vom blanken Horror: Normale Parkbesucher reden unvermittelt wirres Zeug, erstarren, gehen einige Schritte rückwärts – und bringen sich dann massenhaft um. Bauarbeiter lassen sich wie Lemminge von Gerüsten fallen, psychisch sonst unauffällige Bürger klettern in Löwenkäfige oder lassen sich von Mähdreschern zermalmen. Dabei dosiert Shyamalan den Schrecken einmal mehr klug, um ihn um so nachhaltiger in die Köpfe des Zuschauers zu pflanzen.
„The Happening“ ist schnörkellos und rasant inszeniert, in Momenten wirkt er fast dokumentarisch. Ingredienzien früherer Filme von Shyamalan wie Wundertaten, Geister oder Fantasy-Figuren sind wie weggeblasen. Inhaltlich und stilistisch hat der in Indien geborene Amerikaner offenbar Kurskorrekturen vorgenommen, nachdem „Das Mädchen aus dem Wasser“ (fd 37 768) an der Kinokasse Schiffbruch erlitt. Diesmal versucht er auch nicht, Genrekonventionen auf den Kopf zu stellen, wie es ihm mit „Signs – Zeichen“ (fd 35 588) – UFO-Invasion – und „The Village – Das Dorf“ (fd 36 651) – Kostümdrama – glückte und im Fall des schwer überzüchteten „Unbreakable – Unzerbrechlich“ (fd 34 624) – Superhelden-Comic – misslang. „The Happening“ orientiert sich „straight“ an Katastrophenthrillern, wobei er vor allem Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ (fd 11 963) verpflichtet ist, ohne den Klassiker indes billig nachzuahmen. Ließ Hitchcock einst Singvögel zu Mordmaschinen mutieren, bläst hier die Flora zum Angriff. Zwar bleiben abschließende Erklärungen für die Selbstmordwelle aus, die über den Osten der USA fegt, aber in Bildern von verstörender Poesie legt Shyamalan nahe, dass sich Bäume, Gräser und Sträucher der Menschheit entledigen wollen. Die filmische Umkehrung gelingt maliziös: Wenn der Wind sanft bis kräftig durchs Blattwerk streicht, wird das urromantische Bild zum Bedrohungssignal. Chlorophyll killt. Es ist, als sehnte sich die Natur nach Frieden – ohne Menschen, die bereits scharenweise an den Ästen hängen.
„The Happening“ ist der bislang furchterregendste und zugleich subtilste Beitrag zu Hollywoods derzeitigem Modethema Ökologie. Bei Shyamalan stirbt die Hoffnung freilich nie, und so wird die allgemeine Katastrophe mit einer Liebesgeschichte veredelt, die nicht zuletzt dank der warmherzigen Hauptdarsteller Mark Wahlberg und Zooey Deschanel bestens funktioniert. Die Jungverheirateten Elliot und Alma stecken in einer mittleren Ehekrise. Aus der Millionenstadt Philadelphia muss das Paar fliehen. Umständehalber „adoptiert“ es die Tochter eines Freundes, weitere Klein- und Großfamilienkonstellationen werden genreüblich durchgespielt. Keine Notgemeinschaft ist auf der Flucht durch Pennsylvanias Felder und Wiesen (und vor ihnen!) von Dauer, nur das Vater-Mutter-Kind-Trio hält bis zum Schluss durch. Da sich Menschenansammlungen im Lauf der Handlung als Todesfallen erweisen, sieht es lange Zeit so aus, als läge das Heil in totaler Vereinzelung; doch wird diese vermeintliche Botschaft gegen Ende revidiert, wenn die Protagonisten bei einer halb verrückten Eremitin Zuflucht finden, die sich von jeher ohne Außenweltkontakte, ohne Radio und Fernsehen in ihrem Haus verschanzt hat. Shyamalan charakterisiert diese Frau als Zerrbild einer liebevollen Großmutter, die in ihrer halsstarrigen Autarkie ebenso scheitern muss wie jene Städter, die – auf symbolischer Ebene – an Anonymität, Massenexistenz und Naturferne zugrunde gehen. Ob es einem passt oder nicht: In jedem Shyamalan-Film steckt ein konservativer (bisweilen reaktionärer) Kern. Hier wird die Familie besungen, die übrigens suizid-resistent bleibt und sich schließlich auch wieder Kakteen an den Badewannenrand stellt.
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