Jugendfilm | Deutschland 2006 | 99 Minuten

Regie: Detlev Buck

Ein 15-Jähriger sieht sich nach dem Umzug seiner Mutter nach Berlin-Neukölln im Visier einer türkischen Jugendgang und will seiner Misere als Kurier eines Drogenhändlers entkommen. Doch der daraus resultierende Zuwachs an Ansehen und Geld findet ein jähes Ende, als ihm eine Lieferung verloren geht und er die ganze Härte des Milieus zu spüren bekommt. Bezwingende Verfilmung eines wirklichkeitsnahen Jugendromans, die sich durch genaue Milieuzeichnung und authentische Darsteller auszeichnet. Vom Einzelfall abgesehen, porträtiert der raue Film das Bild einer "verlorenen Generation", die der allgemeinen Verrohung der Verhältnisse ihrerseits durch Gewalt begegnet. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Boje Buck Prod.
Regie
Detlev Buck
Buch
Zoran Drvenkar · Gregor Tressnow
Kamera
Kolja Brandt
Musik
Bert Wrede
Schnitt
Dirk Grau
Darsteller
David Kross (Michael Polischka) · Jenny Elvers-Elbertzhagen (Miriam Polischka) · Erhan Emre (Hamal) · Oktay Özdemir (Errol) · Kida Ramadan (Barut)
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Jugendfilm | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Ein neorealistischer Berlin-Film aus der Hand von Detlev Buck schürt zunächst einmal Misstrauen, wenn man bedenkt, dass sich der Mann jahrelang an den deutschen Komödienharmlosigkeiten der 1990er-Jahre als Regisseur und Darsteller beteiligt hat. Mit „Knallhart“, der Verfilmung des gleichnamigen Jugendromans von Gregor Tressnow, der neben Zoran Drvenkar auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, wagt Buck einen Wechsel ins dramatische Fach – was allerdings wohl nur ein kurzes Intermezzo und Zugeständnis an den neuerlich wie ein Bazillus um sich greifenden wirklichkeitsnahen Zeitgeist ist; nicht ohne Grund erweist Buck mit den Kurzauftritten von Jan Henrik Stahlberg („Muxmäuschenstill“, fd 36 573), Franziska Jünger („Kroko“, fd 36 379) und Eva Löbau („Der Wald vor lauter Bäumen“, fd 36 880) seine Reverenz an die vom Alltag gebeutelten tragischen Helden des jungen deutschen Films. Sein nächstes Regieprojekt, die Verfilmung des Abenteuerromans „Hände weg von Mississippi“ der Bestsellerautorin Cornelia Funke, bewegt sich dann freilich schon wieder in den bekannten seichten Gewässern. Eine Überraschung an wuchtiger und kompromissloser Konsequenz ist dem Regisseur von „Männerpension“ (fd 31 762) mit „Knallhart“ allemal gelungen und dazu eine von der Sorte, die man bereits nach der ersten halben Stunde nicht mehr missen möchte. Die Rahmenhandlung fällt im Vergleich zur rohen, durch einen sorgsam ausgewählten Soundtrack akzentuierten Machart eher konventionell aus: In einer Rückblende, die erklärt, wie es dazu kam, dass der halbwüchsige Protagonist auf einer Polizeiwache den Mord an einem Gleichaltrigen gestehen möchte, protokolliert der Film den ungewollten Abstieg des 15-jährigen Michael Polischka ins gewalttätige Milieu von Jugendgangs und Drogenmafia. Als seine 30-jährige, mit ihren körperlichen Reizen nicht geizende Mutter aus der Zehlendorfer Villa ihres wohlsituierten Liebhabers hinausfliegt und in eine winzige Hinterhofwohnung im sozialen Brennpunkt von Berlin-Neukölln zieht, beginnt für Michael ein Martyrium. Dass er sich mit der neuen Nachbarschaft aus schmuddeligen Secondhandläden, Dönerbuden und Pfandleihern abfinden und auf die materielle Zuwendung des kaltschnäuzigen Ersatzvaters, die vernetzten Computer und den Videoprojektor verzichten muss, erweist sich noch als das kleinste Übel. Als er in der neuen Schule ins Visier einer türkischen Gang gerät, muss er sich täglich ihrer Übergriffe erwehren, wird als Verlierer und Opfer gebrandmarkt, geschlagen, ausgeraubt und zur Zahlung von Schutzgeld gezwungen, das er nur mit Diebstählen aufbringen kann. Mit einer erschreckenden Zwangsläufigkeit taucht Michael von Tag zu Tag tiefer in den Strudel aus Alkohol und Schulschwänzen ein und gerät zwischen die Fronten sich reibender, ethnisch bunt gewürfelter Kulturen, die sich mangels Perspektiven längst ihre eigenen Gesetze geschaffen haben. Das alles hat man zwar in Filmen wie „Hexenkessel“ (fd 19 864), „Kids“ (fd 31 598), „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (fd 22 885) oder Loachs „Sweet Sixteen“ (fd 36 009) so oder anders gesehen, aber noch nie so stimmig inmitten einer brodelnden neudeutschen Gegenwart. Jenny Elvers verleiht Michaels Mutter glaubwürdig die Aura einer mit ihrer viel zu frühen Mutterrolle überforderten Proll-Venus und vermag dabei schauspielerisch zu überzeugen. Während die junge Frau vergeblich einen Job und ihr Heil in notorisch wechselnden Männerbekanntschaften sucht, findet ihr arg gebeutelter Filius Schutz in den Armen eines auf den ersten Blick väterlich charmanten, deutsch-arabischen Drogenhändlers, der das naive Gesicht und mutige Auftreten des Teenagers für seine Zwecke zu nutzen weiß. Nichts wünscht sich Michael mehr als familiären Frieden, ein stabiles Zuhause für sich und seine Mutter, eine unbeschwerte Jugend, in der auch Platz für die erste Liebe wäre. Als Drogenkurier des Kiezfürsten genießt er Ansehen, einen nicht versiegenden Geldsegen und den Anschein der Unantastbarkeit, die ein jähes Ende finden, als ihm eine Geldlieferung verloren geht. Die Spirale des Machterhalts nimmt ihren Lauf, die Verrohung der Verhältnisse lässt sich nicht mehr aufhalten. Michael muss seine Unachtsamkeit bitter bezahlen, und auch dem Zuschauer bleibt keine Grausamkeit erspart, ohne dass die gezeigte Gewalt je Selbstzweck wäre. Neukölln erweist sich als plausible Kulisse für dieses bis zur letzten Minute packende Porträt einer neu herangewachsenen Lost Generation, die schon durch ihren Wohnort stigmatisiert ist, bevor sie überhaupt ins Erwerbsleben treten konnte – unabhängig, ob sie in den Betonwohnstätten von Berlin oder Paris-Saint-Denis angesiedelt ist. Auf die Finsternis der Geschichte antwortet „Knallhart“ mit fahlen, ausgebleichten Bildern eines mitunter an das vom Krieg gezeichnete Beirut ähnelnde Berlin. Auch wenn diese Art von Symbolik aufgesetzt wirkt und der Ton hier und da arg apokalyptisch gerät, diagnostiziert der Film mit einer unerbittlichen und parteiischen Haltung eine gesellschaftliche Fehlentwicklung und wagt eine Anklage, ohne allzu leichtfertige Lösungen zu bieten. Ein großes Plus ist die Besetzung: Sowohl der gerade 15-jährige, erstaunlich professionelle David Kroß als auch seine Peiniger tragen die Handlung mit authentischem Spiel über manche Plattitüde hinweg.
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