Drama | Großbritannien 2024 | 318 Minuten (6 Folgen)

Regie: Dionne Edwards

Im London des späten 19. Jahrhunderts erlebt ein junger Mann aus Jamaika kolonialistische Vorurteile, erregt aber durch seine Erfolge als Boxer auch Aufsehen. Das weckt auch das Interesse einer Diebin, die die legendäre Bande „Forty Elephants“ anführt und ihn für ihre Zwecke einspannen möchte. Zugleich entwickelt sich eine intensive Rivalität zwischen dem jungen Mann und einem älteren britischen Boxer. Die Serie verwebt reale Elemente und frei Erfundenes zu einem spannenden, temporeichen Zeitbild des viktorianischen Londons, das auf die Perspektive von Underdogs setzt, seinen zahlreichen Nebenfiguren aber kaum Tiefe verleihen kann. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A THOUSAND BLOWS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
The Story Collective/Matriarch Prod./Water & Power Prod.
Regie
Dionne Edwards · Katrin Gebbe · Ashley Walters · Nick Murphy · Tinge
Buch
Steven Knight · Ameir Brown · Insook Chappell · Harlan Davies · Yasmin Joseph
Kamera
Milos Moore · Catherine Derry · Rasmus Arrildt
Schnitt
Al Morrow · Jo Smyth · Peter Christelis · Carly Brown · Mark Davis
Darsteller
Stephen Graham (Sugar Goodson) · Malachi Kirby (Hezekiah Moscow) · Erin Doherty (Mary Carr) · Jason Tobin (Mr. Lao) · James Nelson-Joyce (Treacle Goodson)
Länge
318 Minuten (6 Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie
Externe Links
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Serie um einen Jamaikaner, der in den 1880er-Jahren als Boxer die Aufmerksamkeit einer berüchtigten Londoner Diebesbande erregt.

Aktualisiert am
21.02.2025 - 15:14:12
Diskussion

Schreie durchdringen die Gassen in London. Eine Frau krümmt sich zusammen. Zwischen ihren Beinen ist Blut zu erkennen. Eine Geburt auf offener Straße – oder doch der clevere Trick einer Diebesbande? Während die Umstehenden abgelenkt sind, ziehen ihnen einige Frauen Geld und Schmuckstücke aus den Taschen. Ein eher ungewöhnliches Manöver einer ebenso ungewöhnlichen Diebesbande. Die Forty Elephants waren eine rein weibliche Gruppe, die in London vom späten 19. Jahrhundert bis in 1990er-Jahre hinein ihr Unwesen trieb.

Wie man Löwen bändigt

Im Mittelpunkt der Serie steht insbesondere deren als „Queen“ bezeichnete Anführerin Mary Carr (Erin Doherty). Die wird in den 1880er-Jahren auf Hezekiah Moscow (Malachi Kirby) aufmerksam, der ebenfalls auf einer realen Persönlichkeit basiert. Der Jamaikaner ist mit seinem besten Freund Alec Munroe (Francis Lovehall) nach London gekommen, um Löwenbändiger zu werden. Dieses Vorhaben erübrigt sich aber, als er den Londoner Zoo aufsucht und dort aufgefordert wird, in einen Käfig zu steigen. Nicht, um sich mit einem Raubtier zu messen, sondern um selbst ausgestellt zu werden!

Rassismus und die Verteidigung kolonialistischer Macht- und Ausbeutungsstrukturen sind im viktorianischen London an jeder Ecke anzutreffen. Völkerschauen waren zu dieser Zeit keine Seltenheit. Doch Hezekiah weiß die Vorurteile der Engländer für sich zu nutzen. Nachdem sein Traum vom Löwenbändigen geplatzt ist, mutiert er bald zu einem erfolgreichen Boxer, der von vielen bewundert wird. Doch auch hier wird er im Vergleich zu den ach so zivilisierten Weißen als „barbarisch“ etikettiert.

Auch wenn Showrunner Steven Knight eine divers besetzte historische Serie in Szene setzt, macht er sich die aktuell so beliebten Anachronismen à la „Bridgerton“ doch nicht zu eigen. Stattdessen präsentiert er einen realistischen Umgang mit People of Color zu jener Zeit. Gleichzeitig lernt man durch die Protagonisten andere, wenig beachtete Perspektiven auf das England des 19. Jahrhunderts kennen.

Ein Tiefschlag beim Tiefgang

Das Boxen dient wie so häufig im Boxfilm-Genre dazu, die Geschichte eines Underdogs zu erzählen, der in diesem Fall durch die Auseinandersetzungen im Ring auch gegen die Vorurteile und Feindseligkeiten der englischen Gesellschaft kämpft. Hezekiahs Triumph spiegelt den Kampf der Kolonisierten gegen ihre Unterdrücker wider. Damit einher gehen Höhen und Tiefen. Etwas übereilt wirkt jedoch, dass Hezekiah in der ersten Runde eines Kampfes kaum eine Chance hat und in der zweiten den Gegner innerhalb von Sekunden K.O. schlägt.

Der Erfolg des Jamaikaners sorgt dafür, dass andere auf ihn aufmerksam werden. Dazu gehören auch Mary Carr, die ihn für ihre Zwecke einspannen möchte, aber auch der berüchtigte Boxer Sugar Goodson (Stephen Graham). Nach einer Niederlage gegen Hezekiah erweist der sich aber als schlechter Verlierer. Allerdings ist eine solche Wendung nicht gerade neu, und auch ein kurzer Nebensatz zu Goodsons tragischer Vergangenheit kann der Figur kaum Tiefe verleihen.

Hier zeigt sich ein Dilemma der Serie. Das Ensemble an Charakteren und historischen Settings ist an der Oberfläche gut gewählt und macht Lust auf mehr. Jedoch werden so viele Figuren eingeführt, dass oft kein Raum bleibt, sie intensiver auszuloten. Neben den Hauptfiguren spielen unter anderem ein chinesischer Hotelbesitzer, ein rebellischer Schneider und eine junge Bedienstete eine Rolle, die ebenfalls Mitglied der Forty Elephants werden möchte.

Unterhaltung mit Abstrichen

Im letzten Moment fällt den Machern auch noch Hezekiahs Freund Alec ein, der dann aber als Mittel zum Zweck verkommt. Und natürlich müssen sich diverse Romanzen entspinnen, die dann aber nicht stimmig entfaltet werden, sondern eher erzwungen anmuten und meist schnell wieder vergessen werden. Offen bleibt, ob die bereits abgedrehte zweite Staffel für mehr Tiefgang sorgen kann.

Dennoch hält „A Thousand Blows“ in den sechs Folgen mit seiner temporeichen Inszenierung und dem treibenden Soundtrack bei der Stange. Die zündende Musik kommt insbesondere in den Szenen rund um die Diebesbande zum Einsatz. Erin Doherty glänzt als Anführerin Mary Carr und sorgt mit ihrer umwerfenden Spiellust für eine tolle Präsenz, genauso wie Malachi Kirby als Hezekiah. Stephen Graham starrt als Sugar dagegen meist nur trübe bis wütend vor sich hin, was aber mehr dem Drehbuch als dem Schauspiel geschuldet ist.

„A Thousand Blows“ präsentiert sich als Serie, die in zahlreichen Aspekten spannende Ansätze bietet, aber hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Das ist nicht zuletzt angesichts der real existierenden Vorbilder schade, deren vergessene Geschichten hier nur halbherzig erzählt werden.

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