Biopic | Österreich 2024 | 268 (6 Folgen) Minuten

Regie: David Schalko

Eine biografische Serie über den Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924). Die sechs Episoden zeichnen den Lebensweg des Schriftstellers von der Begegnung mit Max Brod bis zum verfrühten Tod wegen Tuberkulose nach, gehen dabei aber nicht streng chronologisch vor: Jede Episode steht unter dem Zeichen einer für Kafka prägenden Person oder Institution, wobei neben Max Brod unter anderem das schwierige Verhältnis zu seinem Vater, seine Liebesbeziehungen und seine Arbeitswelt als Versicherungsjurist eine Rolle spielen. Dabei verschmilzt die Erzählung immer wieder die Biografie mit Kafkas Fiktionen etwa aus „Die Verwandlung“, „Der Prozess“ oder „Die Strafkolonie“. Eine stilistisch variantenreiche Inszenierung, ein hoher Informationsgehalt und eine gekonnte Verschränkung der Handlung mit der Zeitgeschichte sorgen für anregende Unterhaltung; etwas mehr Zurückhaltung und Mut zu Unsicherheit und Geheimnis in der Deutung des Faszinosums „Kafka“ wären dem Werk des Autors freilich etwas angemessener gewesen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KAFKA
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Superfilm/ARD/ORF
Regie
David Schalko
Buch
Daniel Kehlmann · David Schalko
Kamera
Martin Gschlacht
Musik
Kyrre Kvam
Schnitt
Karina Ressler · Peter Jaitz
Darsteller
Joel Basman (Franz Kafka) · David Kross (Max Brod) · Nicholas Ofczarek (Hermann Kafka) · Liv Lisa Fries (Milena Jesenská) · Lia von Blarer (Felice Bauer)
Länge
268 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f (Ep. 3-6) & ab 16; f (Ep. 1&2)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Drama | Serie
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Heimkino

Verleih DVD
Polyband
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Eine biografische Serie über den Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924). Die sechs Episoden kreisen u.a. um Kafkas Verhältnis zu seinem dominanten Vater, seine Liebesbeziehungen sowie seine Freundschaft zu Max Brod.

Diskussion

Vom 1883 in Prag geborenen Schriftsteller Franz Kafka, dessen Todestag sich 2024 zum 100. Mal jährt, sind nicht nur Erzählungen, Romane, Briefe und Tagebücher überliefert. Auch zahlreiche Porträts von diesem ältesten Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie haben sich erhalten. Die wunderschön geheimnisvollen Aufnahmen der schmalen Erscheinung haben ihren Teil zum Mythos Kafka beigetragen. Doch seine Stimme ist leider nirgendwo hinterlegt, und bewegte Bilder gibt es von ihm auch nicht. Jede filmische Darstellung dieses Giganten ist also von vornherein dazu angetan, die Vorstellungen, die man sich auf Basis seiner Werke von Kafka macht, durcheinanderzubringen. Kafka hat die Literatur der Moderne geprägt. Seine Protagonisten verbindet eine bei der Lektüre schier körperlich greifbare Einsamkeit, die sich aus der Erfahrung totaler Ohnmacht ergibt. Und von dieser Figurenzeichnung wird gerne auf Kafka als Persönlichkeit geschlossen. 

Der Schein der Allwissenheit

Die von David Schalko inszenierte und gemeinsam mit Daniel Kehlmann für ARD und ORF geschriebene Serie „Kafka“ basiert auf der dreiteiligen Künstlerbiografie von Rainer Stach. In einer Besprechung eines der Bände merkte ein Rezensent an, Stach habe Kafka besser verstanden als dieser sich selbst. Ein daraus sich ableitender Schein der Allwissenheit umgibt nun auch die dicht erzählte Serie. Dieser Effekt wird durch die Etablierung eines selbst nicht in Erscheinung tretenden Erzählers (Stimme: Michael Maertens) verstärkt, der die Zuschauer durch das Leben des Autors führt. Die einzelnen Folgen zeichnen den Lebensweg des Schriftstellers von der Begegnung mit Max Brod bis zum verfrühten Tod wegen Tuberkulose nach, gehen dabei aber nicht streng chronologisch vor: Jede Episode steht unter dem Zeichen einer für Kafka prägenden Person oder Institution.

Kafka, bereits ein erwachsener Mann, wird in Folge 1 („Max“) eher beiläufig, aber eindrücklich als Begleiter Max Brods in die Serie eingeführt. Das erscheint insofern konsequent, als die posthume Schaffung der literarischen Persona Kafka wesentlich den Bemühungen Brods zu verdanken ist. Er bewahrte die Schriften seines Freundes gegen dessen erklärten Willen auf. David Kross spielt Brod als tatendurstigen Lebemann, der sich leichttut mit all den Dingen, die Franz Mühe bereiten – während seiner Arbeit in der Post verfasst Brod Romane und Essays, korrespondiert mit den großen Geistern seiner Zeit. Und er bricht, wie später auch andere Figuren der Serie, die Erzählrealität durch eine direkte Ansprache des Publikums auf, was für Distanzierung vom Geschehen sorgt. Auch Kafkas übrige Gefährten des sogenannten Prager Kreises, Felix Weltsch (Robert Stadlober) und Oskar Baum (Tobias Bamborschke), treten hier in Erscheinung. Die Handlung greift dabei immer wieder voraus auf die Flucht von Max Brod aus Prag 1939, als er mit seiner Frau die Handschriften des fünfzehn Jahre zuvor verstorbenen Kafka mit ins Exil nimmt. 

Leben und Erzählungen verschmelzen

Mit seinen zahlreichen Marotten wirkt der von Joel Basman verkörperte, eher klein geratene Franz wie eine Schelmenfigur aus einem Roman von Daniel Kehlmann. Ein scharf beobachtender, peinlich genau der Wahrheit Verpflichteter, der sich seiner ungeheuren Vorstellungsgabe jederzeit bewusst ist. Basmans zugleich als etwas wunderlich angelegter Kafka, der durchaus lebenslustige Seiten hat, schwebt immer ein wenig über den Dingen – ein koboldhafter Beobachter des 20. Jahrhunderts. Der Schauspieler zieht diese Interpretation konsequent durch. Kafka erscheint dadurch, bei all seiner Bescheidenheit und der immer wieder betonten Geringschätzung des eigenen Schaffens, keineswegs als durchgängig ängstliche, sondern durchaus selbstbewusste und von ihren Mitmenschen (mit der wichtigen Ausnahme des Vaters) hochgeschätzte Figur. „Du schreibst auch schöne Sachen, aber sie reimen sich nicht“, sagt eine Prostituierte einmal zu ihm.

Mal Kostüm, mal Theater, mal grelle Farben – die Inszenierung gibt sich betont variantenreich. Im imitierten Prager Deutsch des frühen zwanzigsten Jahrhunderts werden „geharnischte Artikel“ verfasst, verhalten sich manche Menschen „schuftig“ und es wird „nicht hinter dem Berg“ gehalten. Die zahlreichen Gastauftritte vermitteln den Eindruck einer beiläufig augenzwinkernden Prominentenparade - Autor Daniel Kehlmann als Autor Arthur Schnitzler, Lars Eidinger als Rilke, Verena Altenberger als Robert Musil.

Darüber hinaus hat die Serie aber einen durchaus hohen Informationsgehalt, der ein großer Vorzug, zugleich aber auch ein Problem ist. Alles wird ausgesprochen, jeder Zweifel und jedes Geheimnis dieses doch so geheimnisvollen Menschen und Schriftsteller scheinbar enthüllt. Dabei verschmilzt die Erzählung das Leben des Dichters mit seinen Fiktionen. Etwa wenn es um Kafkas sehr unterschiedliche Frauen geht, die einen großen Raum in der Serie einnehmen: Die Trennung von Felice Bauer (Lia von Blarer) etwa ergibt hier eine Szene wie aus dem „Prozess“. Im dritten, von der Familie Kafka handelnden Teil wird Franz’ berühmte Erzählung „Die Verwandlung“, in der Gregor Samsa „eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte“ und sich „in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeheuer verwandelt fand“, mit dem langen, dem Adressaten aber nie zugestellten „Brief an den Vater“ verschränkt. Die abschließende Zermalmung des Insekts erfolgt wie die Schilderung der Tötungsmaschine aus der „Strafkolonie“ in geradezu pornographischer Obsession fürs Detail.

Der Mythos wird ziemlich profan zum Menschen

Nicholas Ofczarek verkörpert Kafkas Vater Hermann mit einschüchternder Präsenz als unausstehlichen Geschäftsmann, der seinem Sohn mit totaler Feindseligkeit begegnet. Als Kafka den durchgängig jiddisch sprechenden Schauspieler Löwy mit nach Hause bringt, befällt den Vater körperlich sichtbarer Ekel. Diese Abfertigung Hermann Kafkas, dem andere Quellen durchaus liebenswürdige Seiten zugestehen, wirkt sehr hart. Die weiblichen Familienmitglieder bleiben passive Vermittlerinnen zwischen dem Vater und Franz. Alle drei Schwestern des Dichters wurden im Holocaust ermordet.

Höchst gelungen ist die Darstellung von Franz Kafkas Arbeit als Versicherungsjurist, der in seiner Firma großes Ansehen genoss und die Arbeit auch durchaus gemocht zu haben schien, in der vierten Folge („Bureau“). Hier kann man sich auch in die Frage vertiefen, inwiefern die juristische Sprache (den „Brief an den Vater“ bezeichnete Kafka selbst etwa als „Advokatenbrief“) Kafkas Schreiben beeinflusst hat.

In dem auf Jubiläen zugeschnittenen Kulturkalender war es wohl unausweichlich, angesichts des hundertsten Todesjahres Franz Kafkas dessen so kurzes wie intensives Leben einmal möglichst detailliert ausgebreitet zu sehen. Man kann sich daran stören, dass der Mythos hier ziemlich profan zum Mensch wird. Aber natürlich darf man sich auch von Kafka ein bewegtes Bild machen. Ein bisschen weniger Selbstgewissheit hätte dieser Serie gutgetan. Doch die gekonnte Verschränkung der Handlung mit zeitgenössischen Ereignissen (wie dem Beginn des Ersten Weltkriegs oder der Hyperinflation 1923) beeindruckt – und besonders die abschließende Folge, in welcher der sieche Kafka von seiner letzten Liebe Dora Dymant (Tamara Romera Ginés) gepflegt wird, ist ergreifend.

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