Im Leben von Franky (Josh Wiggins) läuft alles richtig. Er sieht gut aus, ist nett und überall beliebt, hat eine entspannte Mutter und eine hübsche Freundin. Wann immer es geht, hängt Franky mit Ballas (Darren Mann) ab, mit dem er schon immer und ewig befreundet ist. Nichts kann sie trennen, alles können sie sich erzählen, manchmal balgen sie herum wie junge Hunde. Zusammen sind sie im Schwimmteam der Schule und natürlich gehören sie zu den Besten. Bald wird Franky siebzehn und will es anlässlich dieses Ereignisses bei einer Party richtig krachen lassen – und abends dann Sex mit seiner Süßen, die es kaum erwarten kann. Für die Nacht der Nächte drückt ihm Ballas schon mal ein paar Kondome in die Hand.
Ein oberflächlich perfektes Teenager-Leben mit unterschwelligen Brüchen
Man muss schon sehr genau hinsehen, um die kleinen Kratzer auf der glänzenden Oberfläche zu sehen. Knutschen mit Priscilla ist offenbar ganz nett, aber so richtig ist Franky nie bei der Sache. „Stimmt etwas nicht mit mir?“, will sie wissen. Seinen Vater Ray, „den Psychopathen“ will er möglichst nicht sehen. Der hat sich in einen Mann verliebt und die Familie verlassen. Vielleicht greift Franky auch deshalb nicht ein, als der schwule Michael aus seinem Schwimmteam in der Umkleide dumm angemacht wird. Einigermaßen unklar ist auch sein Verhältnis zu Natasha, der hübschen Schwester von Ballas, die seine Einladung zur Geburtstagsparty kühl abweist. Auf ihrem Spind in der Schule hat jemand „Slut“ – „Schlampe“ geschrieben. Angeblich verteilt sie gerne Blowjobs. Aber ob das wirklich stimmt?
Ganz so einfach ist das Teenagerleben eben doch nicht. Und es wird richtig hart, als Franky nicht wie geplant mit Priscilla, sondern mit Ballas im Bett landet. „Das ist nur passiert, weil wir so voll waren.“ Ballas wendet sich ab, verschließt sich und erzählt in der Schule Geschichten, die die Wahrheit verdrehen. Plötzlich ist Franky „die Schwuchtel“. Er wird gemieden, gemobbt und geschlagen und sein bester Freund von einst ist plötzlich sein ärgster Feind. Halt findet er nur bei Natasha und schließlich auch bei seinem Vater.
Wer bin ich? Wie will ich sein?
„Giant Little Ones“ erfindet das Genre nicht neu. Wie immer in Coming-of-Age-Geschichten geht es um die ganz großen Fragen danach, wer man ist, wie man sein will und wen man lieben möchte. Und doch macht der kanadische Regisseur Keith Behrman einiges anders. Denn vieles bleibt in seinem Film unerzählt, einiges muss man sich zusammenreimen, und all das spiegelt auch die Suche und das Ausprobieren der Hauptfigur wider. Denn während sich offenbar alle Welt darüber einig ist, dass Franky schwul ist, scheint dies für ihn selbst weniger klar zu sein. Vielleicht will er sich auch gar nicht festlegen.
Was ihn schockiert, ist vielmehr die totale Abkehr seines ehemals besten Freundes, der mit aller Gewalt ein Bild von Männlichkeit aufrechterhalten muss, in das Zärtlichkeit zwischen Freunden nicht passt. Franky muss – wie „die Schlampe“ Natasha, der „Homo“ Michael – erleben, was es heißt, stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden, weil andere massive Vorurteile haben und einen in Schubladen stecken.
Über den Mut zu lieben, wen man will
Dass man sich ändern kann, zeigt sich schließlich auch in der etwas überkonstruierten Figur des Vaters, der sein früheres, heterosexuelles Leben als Ehemann und Familienvater durchaus nicht als Fehler sieht. Er hat Frankys Mutter geliebt – nun liebt er einen anderen. Er ist es auch, der als einziger eindeutig Stellung bezieht: Wer bei Diskriminierung hinschaut, aber nichts dagegen unternimmt, macht sich schuldig.
„Giant Little Ones“ lässt Raum für eigene Gedanken, und auch deshalb kann man es in Kauf nehmen, dass manch ein Dialog (in der deutschen Synchronfassung) gestelzt klingt und die Musik zuweilen arg jugendlich bemüht ist. Der Film ist ganz bei den jungen Leuten und erzählt davon, wie schwer es sein kann, seine eigene Identität zu finden und zu behaupten. Franky zerbricht nicht, er wächst. Er trägt Blessuren davon und manchmal, auch das erzählt der Film, lassen sich zerbrochene Freundschaften nicht mehr kitten, verliert man jemanden, der mal ganz wichtig war. Nicht jeder hat Frankys innere Stärke, aber der Film macht Mut, zu sich selbst zu stehen und zu lieben, wen man will: Jungs, Mädchen oder auch beide.