A Fábrica de Nada
Drama | Portugal 2018 | 177 Minuten
Regie: Pedro Pinho
Filmdaten
- Originaltitel
- A FÁBRICA DE NADA
- Produktionsland
- Portugal
- Produktionsjahr
- 2018
- Produktionsfirma
- Terratreme Filmes
- Regie
- Pedro Pinho
- Buch
- Tiago Hespanha · Luisa Homem · Leonor Noivo · Pedro Pinho
- Kamera
- Vasco Viana
- Schnitt
- José Edgar Feldman · Luisa Homem · Cláudia Rita Oliveira
- Darsteller
- José Smith Vargas (Zé) · Carla Galvão (Carla) · Njamy Sebastião (Mowgli) · Joaquim Bichana Martins · Danièle Incalcaterra (Aktivist Daniele)
- Länge
- 177 Minuten
- Kinostart
- 18.10.2018
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
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Mit Laiendarstellern inszenierter epischer Mix aus Drama, dokumentarischen Szenen und Systemkritik über die Besetzung einer insolvenzbedrohten portugiesischen Fabrik durch Arbeiter.
„Hört, der Lärm der Maschinen ruft uns!“ – „Maschine, Du bist noch nicht eingerostet!“ – „Löse dich aus deiner Starre, es geht wieder an die Arbeit!“, schmettern die Blaumann tragenden Arbeiter in vollen, wenn auch leicht schiefen Tönen in Richtung der stillstehenden Maschinen. Das Verhältnis von Maschine und menschlicher Arbeit, das in den über zwei Filmstunden zuvor ausschließlich als ein bedrohter Produktionszusammenhang besprochen wurde, weicht in dieser idiosynkratischen Musicaleinlage einer geradezu zärtlichen, vor allem jedoch existentiellen Beziehung.
Die Frage, was das eine ohne das andere wert ist, bestimmt „A Fábrica de nada“ von Anfang an. Ein linker Intellektueller formuliert es wie eine logische Gleichung ohne dazugehörige Lösung: „Wert wird nur von lebendiger, menschlicher Arbeit generiert. Maschinen generieren keinen Wert. Die technologische Entwicklung ersetzt die menschliche Arbeit durch Maschinen. Das ist der grundlegende Widerspruch, dem wir nicht entfliehen können.“
Schauplatz des Films ist eine Aufzugsfabrik in der Nähe von Lissabon in Zeiten der Krise. Nach einem nächtlichen Anruf kommt es vor dem Arbeitsplatz zu einer spontanen Versammlung von Beschäftigten; Grund ist der heimliche Abtransport von Maschinen. Der Verdacht einer Abwicklung bestätigt sich, als sich die Unternehmerin am nächsten Tag in Begleitung eines Produktionsmanagers und der Personalmanagerin sehen lässt. Plötzlich kursieren neoliberale Begriffe wie „Neuaufstellung“ und „individuelle Potentiale“ – das Wort Entlassung aber will niemand aussprechen.
Während Einzelgespräche über Abfindungen laufen, entstehen unter den Arbeitern Kontroversen über Möglichkeiten des politischen Aktionismus. Die Situation ist existenzbedrohend – zu Hause warten schließlich Kinder, die ernährt werden wollen. Dennoch entscheidet eine Gruppe, die Fabrik zu besetzen. Was aber ist ein Streik überhaupt wert, wenn niemand nach der Produktivkraft, die bestreikt wird, verlangt? Als sich überraschend die Möglichkeit der Selbstverwaltung auftut, öffnen sich ganz neue Perspektiven. Doch die kräftezehrenden Gespräche über Macht, Entscheidungshoheit und Prioritäten finden kein Ende.
Die Vergangenheit des Filmemachers Pedro Pinho als Dokumentarist ist seinem dreistündigen Spielfilmdebüt deutlich anzumerken. Mit der Wahl des 16mm-Filmmaterials scheint der Regisseur zugleich an historische Dokumente des Streiks und der Revolte anzuschließen, an Filme wie Jacques Willemonts ikonische Kurzdokumentation „La reprise du travail aux usines Wonder“ (1968), auch das ein „Sprachfilm“. Im Modus der teilnehmenden Beobachtung protokolliert „A Fábrica de nada“ die Diskussionen der Arbeiter; ein anderer Erzählstrang zeigt eine Debattenrunde linker Intellektueller. An einer Stelle verlässt Pinho den fiktionalen Rahmen sogar ganz, indem er ähnlich wie Miguel Gomes in „1001 Nacht: Volume 1-3“ die Handlung mit realen Interviews aufbricht. Akteure aus dem Ensemble erzählen: Vom Jobverlust in Zeiten der Krise, von ihrer Vergangenheit als Arbeiter, von fehlenden Zukunftsperspektiven.
Zé, ein junger Beschäftigter, der mit seiner brasilianischen Freundin und ihrem Kind zusammenlebt, konturiert sich hingegen als Spielfilmfigur. Man sieht ihn beim Sex, wie er sich auf der Bühne mit seiner Hardcore-Band verausgabt, mit seinem Vater, der für militantere Mittel plädiert. Das Handlungsmoment im Film ist aber eindeutig der Diskurs. Auch wenn das Projekt der Selbstverwaltung am Ende auf (systemimmanentem) wackeligem Grund steht – ein bärtiger Intellektueller führt einmal aus, dass eine selbstverwaltetete Fabrik immer noch ein Marktfaktor und damit Teil der kapitalistischen Logik sei – stellt das zum Handeln findende Reden und Debattieren einen ersten Akt der Selbstermächtigung dar. Die Diskursmaschinen laufen in Pinhos experimentellem Streik- und Diskussions-Epos auf Hochtouren.