Bei den Kaiserpinguinen hat die Evolution irgendwann aufgehört. Zwar gehören sie gattungsmäßig zu den Vögeln, können aber nicht fliegen, sondern sind eigentlich nur im Wasser in ihrem Element. Zur Paarungs- und Brutzeit treten sie dennoch regelmäßig veritable Gewaltmärsche ins Innere der Antarktis an, obwohl auch ihr Gehen höchst eigenwillig ausfällt. Womöglich sind es gerade diese Unzulänglichkeiten, weshalb viele Menschen Pinguinen uneingeschränkte Sympathie entgegenbringen und sie inbrünstig lieben. Auch im Kino: 2004 avancierte „Die Reise der Pinguine“
(fd 37 238) von Luc Jacquet mit weltweit 25 Millionen Zuschauern zu einem der erfolgreichsten Dokumentarfilme aller Zeiten und wurde sogar mit einem „Oscar“ prämiert.
13 Jahre später steht im Sequel nur ein Pinguin-Paar im Zentrum des Geschehens, das sich gemeinsam um seinen Nachwuchs kümmert. Wobei sich die Eltern ständig abwechseln. Während ein Elternteil das Ei ausbrütet, ist der andere unterwegs, um Nahrung herbeizuschaffen. Auch nach dem Schlüpfen des Jung-Pinguins ändert sich an dieser paritätischen Arbeitsteilung nichts. Dramaturgisch läuft der Film auf jenen magischen Moment zu, in dem der Kleine alt genug ist, um sich ohne Eltern auf den (weiten) Weg zum Meer zu machen.
Nicht nur in dieser Hinsicht ist der Dokumentarfilm wie ein Spielfilm gebaut. Mit den Eltern gibt es hier quasi zwei Hauptdarsteller, deren bisheriges Leben in Form von Rückblenden erzählt wird. (Dass es sich dabei immer um dieselben Tiere handelt, muss man glauben. Überprüfen lässt sich das im Kino kaum.)
Auch wenn die Inszenierung diesmal darauf verzichtet, den Pinguinen eine Stimme zu leihen, bleiben die Anthropomorphismen das zentrale Problem des Films. Der Off-Kommentar, gesprochen von Udo Wachtveitl, weiß stets, wie sich die Tiere gerade fühlen und was ihnen alles durch den Kopf geht. Mit Hilfe dieses Konzepts erzeugt der Film immer wieder clever gesetzte Spannungsmomente, die den Zuschauer etwa mitfiebern lassen, ob die komplizierte Ei-Übergabe auch klappt oder ob der eine Elternteil rechtzeitig mit Nahrung zurückkommt, damit das Junge nicht verhungert. Das ist näher am „Herzkino“ als an der klassischen Naturdokumentation, zumal der Kommentar selbst vor Kitsch nicht zurückschreckt, wenn es etwa über die Mauser des Jungtieres heißt: „Mit jedem Büschel seines Flaums trägt der Wind ein Stück Kindheit davon.“
Neben solchen Unzulänglichkeiten bietet aber auch das Sequel absolut brillante Bilder vom Südpol und seinen Bewohnern. Vorwiegend in 4K-Ultra-HD-Auflösung gedreht, wähnt man sich unmittelbar dabei zu sein, wenn die Tiere Schneestürmen trotzen oder übers Eis watscheln. Der zusätzliche Einsatz von Kameradrohnen und Unterwasserkameras gewährt zudem grandiose Bilder, die über die des ersten Teils noch hinausgehen. Wer sich diese imposanten Schauwerte nicht durch den menschelnden Kommentar vermiesen lassen möchte, sollte Ohrenstöpsel mit ins Kino nehmen.