Dokumentation über Christoph Schlingensief (1960-2010), zusammengestellt aus mehr als 100 Stunden Kampagnen-Material unterschiedlicher Provenienz, im dem der Theaterregisseur und Aktionskünstler gemeinsam mit seiner Truppe aus Schauspielern, Dramaturgen, Arbeitslosen und behinderten Artisten Slogans verkündet, Unterschriften sammelt, Parteikämpfe ausficht, Konzerne gründet und Insolvenzen vortäuscht. Vorbildlich auf „amateurhaft“ getrimmt, entstand eine Hommage ganz im Geiste ihres zwischen Ernst, Ironie und notorischem Klamauk schwankenden Erfinders.
- Ab 16.
Chance 2000 - Abschied von Deutschland
Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 125 Minuten
Regie: Kathrin Krottenthaler
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2017
- Produktionsfirma
- Filmgalerie 451
- Regie
- Kathrin Krottenthaler · Frieder Schlaich
- Kamera
- Jost Listemann · Christoph Krauß · Sibylle Dahrendorf · Christoph Schlingensief · Erhard Ertel
- Schnitt
- Kathrin Krottenthaler
- Länge
- 125 Minuten
- Kinostart
- 07.09.2017
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Dokumentation über Christoph Schlingensiefs theatralische Wahlkampf-Aktionen in den 1990er-Jahren
Diskussion
Vor sieben Jahren starb Christoph Schlingensief, und man kommt beim Anblick seiner anarchischen Bundestagswahlkampfaktion nicht umhin zu fragen, was ihm zum Stand der Dinge in Zeiten von Trump & Co. eingefallen wäre. Den Ton hätte er wohl ändern müssen, denn den heutigen regierenden Polit-Clowns wäre er mit schrillem Protest inzwischen kaum beigekommen. 1998 gründete Schlingensief mit 312 Kombattanten in einem Zirkuszelt auf dem Hof des Volksbühnenpraters die Partei „Chance 2000“. Gerhard Schröder konnten die Theateraktivisten mit Empfehlungen wie „Wähle dich selbst“ oder „Rettet die Marktwirtschaft, schmeißt das Geld weg“ zwar nicht verhindern, die damals größere Reizfigur Helmut Kohl aber schon. Und sie erreichten immerhin auf Anhieb 0,007 Prozent der Erststimmen und 0,058 Prozent der Zweitstimmen.
Die Dokumentation von Kathrin Krottenthaler und Frieder Schlaich wählt aus mehr als 100 Stunden verwackeltem Kampagnen-Material unterschiedlicher Provenienz die signifikantesten Momente aus. Man sieht Schlingensief über eine Dauer von einem halben Jahr gemeinsam mit seiner Truppe aus Schauspielern, Dramaturgen, Arbeitslosen und behinderten Artisten vom Zirkus „Sperlich“ tanzend und hüpfend Slogans herausschreien, Unterschriften sammeln, Stimmen auszählen, bei Harald Schmidt, Sabine Christiansen und Alfred Biolek den Talker simulieren, Parteikämpfe ausfechten, Konzerne gründen und Insolvenzen vortäuschen. Eine anstrengend langwierige Prozedur aus Performance und Realpolitik, die Schlingensief immer wieder gerne durch absurde Einlagen wie etwa ein Massenbad von Arbeitslosen im Wolfgangsee auflockert, das die Villa von Helmut Kohl vergeblich unter Wasser zu setzen versuchte. In Zeiten fehlender Navigationsgeräte irrt man mitunter verloren durch die Landschaft, die Energie verpufft trotzdem nicht, denn Schlingensiefs grenzenloses Ego lässt sich durch nichts und niemanden bremsen. Daran erinnert diese auf „amateurhaft“ vorbildlich getrimmte Doku, eine Hommage ganz im Geiste ihres zwischen Ernst, Ironie und notorischem Klamauk schwankenden Erfinders, die freilich angesichts des unberechenbaren Neugründungskarussells aus Piraten und AfD eigentlich wie ein Echo aus einer fernen heilen Republik wirkt.
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