Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 98 (24 B./sec.)/94 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Tobias Lindner

Dokumentarfilm über die südafrikanische Siedlung "Orania" im Hinterland zwischen Kapstadt und Johannesburg. Die 1991 vom protestantischen Theologen Carel Boshoff gegründete Gemeinschaft steht als „intentional community“ mit heute 800 Bewohnern nur Weißen offen. Man lebt ein abseitiges Ideal, gespeist aus Kulturnationalismus und einem diffusen Sicherheitsbedürfnis. Der informative, mitunter beklemmende Film untersucht durch Interviews mit den Bewohnern sowie einer sorgfältigen Beobachtung ihrer Lebenswelt diese neue Enklave der Apartheid, wobei die Sympathie vor allem einem jungen Mann gilt, der sich den Idealen "Oranias" verweigert. Immer wieder kontrastiert er dabei die Weite des Landes mit der geistigen Enge der Oranier. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Tobias Lindner/Dreamtrader Films/Beuth Hochschule für Technik Berlin
Regie
Tobias Lindner
Buch
Tobias Lindner
Kamera
Tobias Lindner
Schnitt
Melanie Schütze
Länge
98 (24 B.
sec.)
94 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
13.06.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinostar (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Wie häufig in diesem Film von Träumen die Rede ist, von Idealen und Freiheit. Doch auch in Südafrika ist der Garten Eden eine exklusive Veranstaltung. „Orania“ heißt eine Siedlung im Hinterland zwischen Kapstadt und Johannesburg. 1991 kaufte Carel Boshoff ein riesiges Stück Land und errichtete dort eine „intentional community“ mit heute 800 Bewohnern. Alle Afrikaaner, Buren, alle weiß. Der Dokumentarfilmer Tobias Lindner hat Orania ohne Team besucht und das Vertrauen dieser verschrobenen Gemeinschaft gewonnen. Vor ihm und seiner Kamera bieten sie Einblicke in eine Gedankenwelt, die das Gruseln lehrt: Boshoff selbst, ein protestantischer Theologe, warnt vor der „rassistischen Konfliktgemeinschaft“ und propagiert stattdessen „paralleles Zusammenleben“. Man muss nicht einmal zwischen den Zeilen lesen, um das Apartheid-Konzept dahinter zu erkennen. Boshoffs Schwiegervater war Hendrik Verwoerd, der Ex-Premier und Architekt der südafrikanischen Variante der Rassentrennung. Lindner lässt seine Protagonisten ausreden, er drängt sich nicht ins Bild; seine Wertung fließt so sparsam wie unauffällig in den Film. Er findet kleine Figuren, als Plastik oder Zeichnung, die fröhlich die Arme in die Höhe recken oder sich die Hemdsärmel hochkrempeln und entfernt an die Ästhetik totalitärer Arbeitsregime erinnern. Er wirft auch einen genauen Blick auf eine Pistole, eine Spielzeugpistole wohl, die zwischen Amerika-Flagge und einer Unmenge Bikinifotos von der Wand baumelt, mit denen ein Junge namens Baksteen sich sein karges Zimmer in der Jugendunterkunft der Siedlung verziert. Dieser Baksteen ist ein Tunichtgut aus „Jo’burg“; nachdem er einmal mehr vor Gericht landete, hat seine Mutter ihm einen Aufenthalt in Orania nahegelegt. Dort freundet er sich mit Christo an, einem weiteren Neuankömmling, dessen Eltern einen Transportdienst zwischen dem Dorf und der „Rainbow Nation“ einrichten möchten. Angehörige von „Fremdvölkern“ sind an Bord willkommen, wenn sie ihr Ticket zahlen können und keinen Alkohol trinken. In diesem Projekt, das auf Selbstversorgung und irgendwann auf die Einrichtung eines „volkstaat“ zielt, wachsen einem entspannten Verweigerer wie Baksteen und Christo rasch ans Herz. Während der pummelige Christo sich meist hinter seinem Smartphone verschanzt und in eine digital vernetzte Welt entflieht, bleibt Baksteen eher der Mann fürs Grobe. Am Ende werden ihn die guten Menschen von Orania aus ihrer Siedlung werfen, während Christo ein neues, größeres Zimmer bezieht. Es ist die Weite des Landes, seine flachen, staubigen Ebenen, die Lindner immer wieder mit der geistigen Enge der Oranier kontrastiert. Eine seltsame Kommune haben Boshoff und seine Gleichgesinnten da geschaffen. Sie leben ein abseitiges Ideal, gespeist aus Kulturnationalismus und einem diffusen Sicherheitsbedürfnis. „Unsere Ideale schnüren uns zusammen“, heißt es auf einem Schild in Orania. Manch einen schnüren sie allerdings regelrecht ein.
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