Komödie | Deutschland 2012 | 103 (24 B./sec.)/99 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Dito Tsintsadze

Ein trauernder Witwer, der in einer alten Fabrikantenvilla haust, fällt in die Hände einer Betrügerin, die sich als Nichte seiner Frau ausgibt, bei ihm einzieht und bald ihren vielköpfigen Clan nachholt. Ein "satirisches" Familiendrama in der Tradition von Viscontis Drama „Gewalt und Leidenschaft“, das nicht ohne Komik über Gutmenschen und (Europa-)Utopisten lästert und hinter den freundlichen Fassaden maliziös die Abgründe sichtbar macht. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Palls Film/Twenty Twenty Vision/WILDart Film
Regie
Dito Tsintsadze
Buch
Dito Tsintsadze
Kamera
Ralf M. Mendle
Musik
Gio Tsintsadze
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Burghart Klaußner (Josef) · Heike Trinker (Nina) · Merab Ninidze (Konstantin) · David Imper (Simon) · Anna F. (Milena)
Länge
103 (24 B.
sec.)
99 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
28.02.2013
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Drama

Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Was soll er mit sich anfangen, der einsame Witwer, wenn er durch die Gänge der bröckelnden Fabrikantenvilla schleicht, die den Zeitgeist der Adenauer-Ära in jeder Sesselfalte konserviert zu haben scheint, in Gedanken bei seiner kürzlich verstorbenen Frau und dem kleinen Sohn, der bei einem Schulausflug verunglückte. Mit seiner geknickten Körperhaltung will er nicht so recht ins das monströse altdeutsche Anwesen passen; ein Erbe, das ihm trotz Trutzburghügel kein Glück gebracht hat. Was dem Einen eine Last, ist für Andere Grund genug zum Töten. Der Terror in diesem satirischen „Familienfilm“ schleicht sich auf leisen Sohlen an. Der Trauernde trifft auf dem Friedhof auf eine entfernte Cousine seiner Frau, die ihm voller Mitgefühl um den Hals fällt, obwohl er sich gar nicht an ihr Gesicht erinnern kann. Trotz Zweifel lässt er sich von dem überdrehten Charme der Gelegenheitsschauspielerin erobern. Sie zeigt sich mal von ihrer mütterlichen Seite, warmherzlich und fürsorglich, dann spielt sie mit ihren erotischen Reizen und trinkt abends über den Durst. Steckt der Fuß einmal in der Tür, rückt der Rest der Sippe an, der labile Sohn mit einem Hang zum asiatischen Kampfsport, dessen schöne rumänische Frau samt Kind aus einer anderen Beziehung und der zwielichtige georgische Geliebte mit Kontakten zur Ost-Mafia. Sie alle haben keine Bleibe, natürlich nur vorläufig, was sie nicht daran hindert, das verwaiste Schwimmbad im Keller wieder in Betrieb zu nehmen, Partys mit reichlich Whisky und Wodka zu feiern und selbst das Arbeitszimmer des Hausbesitzers zu ihrem Büro umzufunktionieren. Der Regisseur Dito Tsintsadze ist ein Meister darin, ambivalente Stimmungen langsam anschwellen zu lassen, entlang von minimalen gestischen Entgleisungen seiner erst auf den zweiten Blick gefährlichen Figuren, die hinter scheinbaren Freundlichkeiten die Lust am eigennützigen Malträtieren durchsickern lassen. Burghard Klaußner ist die perfekte Besetzung für diesen vom Verlustschmerz entfremdeten Eigenbrötler, der an das Gute in ihnen glauben möchte und für seine Naivität bitter bestraft wird, indem er mit seinen eigenen Abgründen konfrontiert wird. Am Anfang kommt ihm die Gesellschaft der ausgelassenen Verwandtschaft noch gelegen. Er schließt den kleinen Jungen in sein Herz und schützt ihn vor den sadistischen Übergriffen seines auf körperliche und psychische Disziplinierungstaktiken fixierten Ersatzvaters. Beide Frauen überschütten ihn mit Avancen, die er nicht unerwidert lässt. Spätestens als die finsteren Geschäftspartner des angeblichen Anwalts osteuropäischer Krimineller auftauchen und sich ebenfalls einquartieren, dämmert es dem Gastgeber endlich, dass er in eine Falle getappt ist. Die Neuauflage von Viscontis Drama „Gewalt und Leidenschaft“ (fd 19 176), in dem sich Burt Lancaster als emeritierter Kunstprofessor in seinem römischen Palast einer hedonistischen Jet-Set-Nachbarschaft erwehren muss, ist nicht ohne Komik erzählt und mit reichlich genüsslichen Seitenhieben auf das ahnungslose Gutmenschentum mancher Europa-Utopisten. Auch wenn der Betrogene dank seines wiedererwachten Überlebensinstinkts und brutalster Kampfbereitschaft die Belagerung abschütteln kann, ist seine Welt dem Untergang geweiht. Ein Verlust ist das nicht, zumal ihm ein zweites Leben mit einer jungen Frau und einem komplizenhaft ergebenen Wunschsohn geschenkt wird – dafür immerhin lohnt sich der multikulturelle Vorzeichenwechsel.
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