Die Arbeit hinter der Kamera war immer schon das Ziel der 1969 als Tochter der Pariser Theaterschauspieler Albert Delpy und Marie Pillet geborenen Julie Delpy. Doch Jean-Luc Godard, dem sie sich 15-jährig als Assistentin andiente, interessierte sich eher für ihr schauspielerisches Talent und gab ihr eine Rolle in „Détective“
(fd 25 607). Sie spielte in Filmen von Léos Carax („Die Nacht ist jung“, fd 26 871) und Bertrand Tavernier ( „Die Passion der Beatrice“, fd 27 595), wurde zweimal als Beste Nachwuchsschauspielerin für den „César“ nominiert. Mit Volker Schlöndorffs „Homo Faber“
(fd 28 804), Krzysztof Kieslowskis „Drei Farben: Weiß“
(fd 30 685) und Richard Linklaters „Before Sunrise“
(fd 31 270) gelang Julie Delpy der internationale Durchbruch. Doch das Verlangen, selbst zu inszenieren, meldete sich zurück. Sie studierte Regie in New York; die Drehbuch-Mitarbeit an „Before Sunset“
(fd 36 533) war der erste Schritt in eine neue Karriere. 2007 wagt sie den Sprung die künstlerische Autonomie: „2 Tage Paris“
(fd 38 151) war nicht nur ihr Regiedebüt; Julie Delpy spielte auch die Hauptrolle und zeichnete für Produktion, Buch, Musik und Schnitt verantwortlich.
Bei der Fortsetzung „2 Tage in New York“ hat sie ihre Multifunktionen etwas zurück genommen; doch leider fehlt dem Film auch der Charme, der ihre erste Inszenierung auszeichnete. War in ihrer Pariser Culture-Clash-Komödie noch eine deutliche Nähe zu den Stadtneurotikern eines Woody Allen zu spüren, so biedert sie sich in ihrer New York-Version jetzt eher dem schlüpfrigen Verbalhumor des derzeitigen US-Mainstreams an. Ein weiteres Zugeständnis an den US-amerikanischen Kinomarkt ist die Besetzung der männlichen Hauptrolle mit Stand-up-Comedian Chris Rock, mit dem sie hier ein Filmpaar bildet: Marion und Mingus sind alleinerziehend und haben jeweils ein Kind aus einer früheren Verbindung mit in die gemeinsame Wohnung gebracht. Das Zusammenleben ist nicht unproblematisch, die Beziehung zwischen der hysterischen Fotografin und dem eher harmoniebedürftigen Radiomoderator steht stets auf der Kippe. Dann bricht das Chaos in Gestalt von Marions Pariser Verwandtschaft über die Patchwork-Familie herein: mit ihrem kürzlich verwitweten Vater Jeannot (gespielt von Julie Delpys wirklichem Vater), ihrer nymphomanischen Schwester Rose und deren infantilem Liebhaber Manu, der einst auch mit Marion liiert war.
Julie Delpy und ihr Autorenteam drehten die Ausgangssituation von „2 Tage Paris“ einfach um und schrieben sich die Geschichte auf den (Schauspieler-)Leib. Daraus resultiert eine fehlende Distanz, die den Film letztlich jener Leichtigkeit beraubt, die die anfängliche Kasperletheater-Sequenz noch verspricht, mit der die Brücke zur New Yorker Geschichte geschlagen wird. Die Ansätze einer Screwball-Comedy weichen schnell pubertären Witzchen, die man mit viel Wohlwollen als ironische Anspielung auf die prüde amerikanische Gesellschaft verstehen kann. Dass ausgerechnet Chris Rock den afroamerikanischen Spießer gibt, muss ebenfalls als Zugeständnis ans US-Publikum betrachtet werden, zumal Julie Delpy keinerlei Kapital aus dessen komödiantischen Fähigkeiten schlägt: Mingus’ Zwiegespräch mit einem Barak-Obama-Pappaufsteller ist genauso „unscharf“ wie Rocks gesamte Performance. Zum Franzosen-Klischee fällt ihr nicht viel mehr ein, als ihren Vater als wandelnden Lebensmittelladen einreisen zu lassen, „weil man ja in Amerika nichts Vernünftiges zu Essen bekommt“. Manu hält alle Schwarzen für Dealer, und Rose verkörpert die nymphomanisch-exhibitionistische Europäerin, die ständig nackt durch die Wohnung läuft. Es wird fast genauso viel geredet wie im französischen Film, besonders wenn die Familie unter sich ist: über Gott und die Welt, vor allem aber über Sex.
Dem New-York-Milieu ist auch die mehr behauptete als gelungene Verballhornung der Kunstszene geschuldet: Marion verkauft auf ihrer ersten Fotoausstellung ihre Seele an den Meistbietenden (dargestellt von Vincent Gallo, der selbstironisch mit seinem Image als Independent-Ikone spielt), und versucht dann verzweifelt, sie zurück zu bekommen. Auch dem Cameo-Auftritt von Daniel Brühl als Baum-Eremit fehlt die organische Einbindung in den Fluss der Handlung, der Julie Delpy inszenatorisch nur mit einigen originell montierten Foto-Collagen ästhetische Reize abgewinnt. Ansonsten sehnt man sich nach dem Esprit der Pariser Tage – und wartet vergeblich auf einen Gastauftritt ihres Ex-Partners Jack, der dem ersten Culture-Clash einen nachhaltigeren Stempel aufgedrückt hatte als es die gesamte Mischpoke auf Frankreich jetzt tut.