Dokumentarfilm | Großbritannien 2010 | 92 (24 B./sec.)/89 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Patrick McGrady

Der Dokumentarfilm begleitet den britischen Komiker, Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Schriftsteller Stephen Fry bei seiner Erkundung des "Kosmos Bayreuth". Dabei blickt er hinter die Kulissen des Festspielhauses, beleuchtet Wagners Biografie und Werk sowie seine kontroverse Beziehung zu seinen Zeitgenossen und seine Rezeption unter den Nazis - dies alles sehr persönlich aufgearbeitet durch Fry, dessen eigene Beziehung zu Wagner als Sohn einer österreichischen jüdischen Mutter sehr ambivalent ist. Daraus ergibt sich eine ebenso unterhaltsame wie kluge Auseinandersetzung. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WAGNER & ME
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Wavelength Films
Regie
Patrick McGrady
Buch
Patrick McGrady
Kamera
Jeremy Irving · Sergei Dubrovsky
Schnitt
Amanda Young
Länge
92 (24 B.
sec.)
89 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
21.06.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Ein Engländer in Bayreuth. Wenn es sich zudem um Stephen Fry handelt, einen Komiker, Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler, Schriftsteller und Cambridge-Abgänger, der die britische Mentalität in exzentrischster Vollendung verkörpert, dann kann die Stippvisite im Epizentrum der germanischen Tiefsinnigkeit nur ein Triumph des Augen öffnenden Kultur-Clashs werden. Seine Fernsehdokumentation im Auftrag der BBC (vier Jahre zuvor beschäftigte er sich für den Sender noch mit der Erkrankung der manischen Depression) lebt von der Präsenz des unermüdlich parlierenden Wagner-Liebhabers Fry. Anders hat man es auch nicht erwartet. Einen Regisseur hat er sich trotzdem zur Seite gestellt, auch wenn dessen Aufgabe wohl lediglich darin bestand, dem ausufernden Material eine dramaturgische Reduktion zu verpassen. Ohne einen Anspruch auf besondere filmische Raffinessen begleitet die Kamera den Erzähler Fry in jeden noch so versteckten Umkleideraum hinter der Bühne des berühmten Festspielhauses, filmt die Proben, Wirkungsstätten und geistreichen Interviews mit Musikern, Historikern und Dirigenten. Fry genießt es sichtlich, Einblicke in den Geschäftsalltag des Unternehmens Bayreuth zu bekommen, lächelt unentwegt wie ein Geburtstagskind und ergeht sich in amüsierenden Bekenntnissen, die zunehmend auf eine leidenschaftliche Apologetik des umstrittenen Meisters hinausläuft. Trotz aller Vorbehalte, die er in einem Zwiegespräch mit sich selbst vorträgt, bleibt der Sohn einer österreichisch jüdischen Emigrantin, die einen Teil ihrer Familie im Holocaust verloren hat, dem so innovativen wie antisemitischen Komponisten treu ergeben, auch wenn er deswegen wiederholt die Musik vor dem Erschaffer in Schutz nehmen muss. Entlang von dokumentarischem Material, das Wagners widersprüchliche Biografie ebenso aufgreift wie Hitlers Begeisterung für den ihm gewogenen Familien-Clan, lässt Fry keinen Zweifel daran, dass er das Nervenkostüm des „Genies“ zumindest für ambivalent hält. Psychologische Mutmaßungen über die Gründe seiner in den Antisemitismus mündenden Frustration werden ebenso aufgefahren („Wagner war erfüllt von seiner Eifersucht auf die jüdischen Komponisten Mendelssohn und Meyerbeer“) wie die Kontroverse unter den vielen Zeitgenossen, etwa Nietzsche, die schon zu seinen Lebzeiten mit dem komplizierten Charakter des Egomanen haderten. Der historische Aufriss ist gründlich und kurzweilig zugleich, dank der vielen Sprünge, die einem assoziativen Fluss gehorchen. Fry vertieft sich in Wagners Schriften, besucht das „Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg und die bayerischen Märchenschlösser. Sein Gesichtsausdruck kann schon mal in einer Sequenz von purer Begeisterung zu quälendem Zweifel wechseln; man leidet mit ihm und freut sich über die vielen entzaubernden Beobachtungen des künstlerischen Personals, das anstatt den Regieanleitungen zu folgen mit dem Smartphone hantiert. Am Ende bleibt die deprimierende Einsicht, dass ein großes Werk vor keiner ideologischen Entgleisung schützt. Man denke nur an Ezra Pound und Louis-Ferdinand Céline, die der Literatur einen Modernitätsschub verpassten und als glühende Nazis und Antisemiten ihren Ruf verspielten. Stoff für ähnlich aufregende Dokus wie die des begnadeten Skeptikers Stephen Fry gäbe es also noch genug.
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