Die Räuberin

Drama | Deutschland 2010 | 94 (24 B./sec.) Minuten

Regie: Markus Busch

Eine Schauspielerin Anfang 40 zieht in ein abgelegenes Dorf in Friesland, um ihre innere Balance zu finden. Dort lässt sie sich auf das Werben eines jugendlichen Außenseiters ein, der unter ihrer Zuwendung aufblüht. Die Mesalliance stößt im Dorf auf Widerstand und scheint auch in der Frau widerstrebende Gefühle auszulösen. Das dicht inszenierte Drama konfrontiert mit unstillbaren Sehnsüchten und einer sich selbst entfremdeten Protagonistin. Dabei hätte der beachtliche Debütfilm seine psychologische Landkarte freilich nicht bis in die letzten dramaturgischen Winkel entfalten brauchen. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
element e filmprod.
Regie
Markus Busch
Buch
Markus Busch
Kamera
Filip Piskorzynski
Musik
Max Berghaus
Schnitt
Steven Wilhelm
Darsteller
Birge Schade (Tania) · Daniel Michel (Thore) · Kai Ivo Baulitz (Vater) · Anna Stieblich (Mutter) · Jens Schäfer (Manne)
Länge
94 (24 B.
sec.) Minuten
Kinostart
21.06.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Es wird viel zur Zigarette gegriffen in diesem aufs Schönste phlegmatischen Beziehungsfilm. Nächte und Tage vergehen lautlos. Äcker versinken im abendlichen Nebel, das Meer ist vom Frost sediert, die Gemüter der Dorfbewohner sind roh und abweisend. Ausgerechnet in der Ödnis Frieslands will eine 43-jährige Schauspielerin zur inneren Balance finden, die sie nie besaß, ohne die sie aber ihr Leben in München nicht mehr erträgt. Sie mietet ein heruntergekommenes Grundstück, richtet sich provisorisch ein, füttert eine fremde Katze und macht Bekanntschaften. Ein sonderbarer Teenager bedrängt sie, erst großspurig mit Schauergeschichten und körperlichen Übergriffen am Strand, entpuppt sich in der Gesellschaft anderer Jugendlicher aber als Außenseiter, der Demütigungen und Spott über sich ergehen lassen muss. Obwohl sie eine natürliche Autorität ausstrahlt, scheint die Frau in einer tiefen Krise zu stecken. Sie fühlt sich von der Verletzlichkeit des auf den ersten Blick schlichten 15-Jährigen angezogen. Deshalb bittet sie ihn herein, als er plötzlich vor ihrer Tür steht, und beobachtet jede seiner Reaktionen mit psychologischem Scharfsinn. Als er ihren Garten aufräumt, bezahlt sie ihn großzügig und ignoriert die frechen Forderungen nach mehr. Sie genießt das Katz-und-Maus-Spiel. Den unbeholfenen Annäherungsversuchen begegnet sie mit konkreten Angeboten: „Ich möchte dich haben“, „Du kannst bei mir einziehen“. Es ist ihr eilig, schließlich vergehe die Zeit in ihrem Alter schneller als früher, kommentiert sie aus dem Off. Eine Amour fou bahnt sich an. Während der Junge unter ihrer sexuellen und emotionalen Zuwendung aufblüht, deutet ihre Bereitschaft, ihm einen Ausweg aus der tristen Arbeiterexistenz zu bieten, verschüttete mütterliche Instinkte an, die mit der Rolle der Geliebten in Konflikt geraten. Sie umwirbt den von seinen Eltern wegen der Mesalliance Drangsalierten regelrecht und ist zu jedem Opfer bereit, um sich seiner annehmen zu dürfen. Die Dorfbewohner funken dazwischen. Sie schneiden die Reifen auf oder verkaufen ihr vergammeltes Brot. Als sich die Beziehung herumspricht, bricht ein dumpfes Männer-Trio in ihr Häuschen ein. Die „Räuberin“, so der klug gewählte Titel, gerät keine Minute in Panik, sondern trinkt sie lächelnd unter den Tisch. Fortan genießt sie wegen ihrer Kaltblütigkeit Respekt, muss aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um den feindseligen Provinz-Mikrokosmos auf ihre Seite zu ziehen. Es mache ihr nichts aus, erzählt sie ihrem Schützling in einem der vielen intimen Gespräche, sie habe nie etwas gespürt. Das hat sich natürlich längst geändert. Selbst das Trauma, das sie nach dem Unfalltod ihrer Tochter davon trug, die sie vor 20 Jahren zur Adoption freigegeben hatte, scheint mit der neuen Aufgabe verarbeitet. Das Drehbuch von Markus Busch, der mit diesem dicht inszenierten Frauenporträt ein beachtliches Regiedebüt präsentiert, faltet die psychologische Landkarte bis in den letzten dramatischen Winkel aus; dabei hätte die spannende und ambivalente Hauptfigur aber auch ohne diesen fernsehtauglichen Kompass funktioniert. Birge Schade, die man bislang primär im Fernsehen wahrgenommen hat, nutzt ihre Chance und überzeugt als sich mutig selbst therapierende, von unstillbaren Sehnsüchten und Abgeklärtheit gezeichnete Kämpferin, eine entfernte und ebenbürtige Verwandte von Juliette Binoche in „Drei Farben: Blau“ (fd 30 507) oder Maren Kroymann in „Verfolgt“ (fd 37 966). Eine späte Entdeckung, die das deutsche Kino nicht ignorieren sollte.
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