Cal steht im nächtlichen Garten des ehedem gemeinsamen Hauses, als er sieht, wie seine Frau, die von ihm die Trennung wollte, in ein Nebenzimmer geht und ihn anruft. Sie sei im Keller, lügt sie, und brauche seine Hilfe. Es ist eine schöne Lüge, denn sie zeigt Cal, dass ihr noch mehr an ihm liegt, als er bislang glaubte. Und es ist eine von vielen schönen Szenen, mit denen der Film von dem Regie-Duett Glenn Ficarra und John Requa überrascht.
Steve Carell, der die männliche Hauptrolle spielt, begann seine Laufbahn als Komiker, der Station in „Saturday Night Live“ und Jon Stewarts Nachrichtensatire „The Daily Show“ machte, bis er in der amerikanischen Adaption von „The Office“ den US-Stromberg mimte und schließlich zum Kino gelangte. Nach einigen, tendenziell grellen Komödien (Ausnahme: „Little Miss Sunshine“, fd 37 908) zeigt er als Cal, dass er nicht nur komödiantisches Talent hat, sondern auch leise und nuanciert zu spielen vermag.
Dabei verhält sich Cal zunächst, wie man es von gehörnten Ehemännern erwartet: Sie sitzen abends in einer Bar, trinken und lamentieren lautstark. Solange, bis Jakob auf ihn aufmerksam wird – ein junger Gigolo, der in Cal eine Art Projekt sieht und ihn in die Lehre nimmt. Tatsächlich klappt es bald mit dem Anbandeln, und Cal erstickt seine Traurigkeit mit flüchtigen One-Night-Stands. Als bei einem gemeinsamen Elternabend in der Schule herauskommt, dass eine seiner Eroberungen die Lehrerin seines Sohns ist, lässt ihn seine Ex-Frau vor der Schule stehen. Er blickt ihr hinterher; es beginnt zu regnen. Nach einigen Sekunden brummt er: „Was für ein Klischee!“ Spätestens hier fällt auf, wie frei der Film von Konventionen ist, wie frei von den Floskeln der Liebeskomödie. Alle Figuren sind ehrlich in ihrer Konzeption und in ihren Dialogen. Sie sind von einer Zartheit geprägt, die ungewöhnlich für eine US-amerikanische Komödie erscheint, scheinen Hollywoods jüngere Produktionen in dem Genre doch oft unter Humor lediglich Derbheit zu begreifen.
Dabei umfasst der Film nicht nur den Konflikt zwischen Cal und seiner Frau. Auch ihr Sohn, ein 13 Jahre alter Bursche, kämpft mit einer unerwiderten Liebe zu seiner Babysitterin, die er ihr immer wieder unaufgefordert gesteht, während sie wiederum anderweitig sehnt und hofft. Ebenso wird der aalglatte Jakob endlich von einer jungen Frau „verzaubert“, die ihm Anlass gibt, seinen hohlen Lebenswandel zu überdenken.
Dan Fogelmans Buch ist klug, auch lebensklug, und seine erdachten Menschen sind dreidimensionale, etwas vom Leben erschütterte Charaktere. Das mag zunächst verwundern, weil er bislang überwiegend für Animationsfilme wie „Bolt“
(fd 39 093) und „Cars 2“
(fd 40 559) schrieb. Doch Fogelman schafft es, gleichzeitig eine Fülle verschiedener Nebengeschichten zu bändigen und zu einem Schluss zu finden, der umfassend, aber auch rührend und echt ist, weil er auf ein Happy End verzichtet – dies wäre wohl auch ein Klischee, das in dieser hochwertigen, unterhaltsamen Liebeskomödie, in der sich Romantik und Witz die Waage halten, fehl am Platz gewesen wäre.