Dokumentarisches Porträt des überwiegend von Migranten bewohnten Mannheimer Stadtteils Jungbusch, entstanden während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010, als eine fast zur Hälfe aus Spielern mit Migrationshintergrund bestehende deutsche Nationalmannschaft spielte. Die reizvolle, dramaturgisch runde gesellschaftliche Standortbestimmung stellt ihre Fragen nach multikultureller Realität, regionaler und nationaler Selbstidentifikation und Heimatgeschichte im Alltag eines Stadtteils zwischen Migrantenviertel und Szene-Kiez, wobei es ihr eher um die ganz normalen Menschen geht.
- Ab 12.
Transnationalmannschaft
Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 95 Minuten
Regie: Philipp Kohl
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Badakhshan und Kohl Prod.
- Regie
- Philipp Kohl
- Buch
- Philipp Kohl
- Kamera
- Peter Kozana
- Musik
- Philipp Kohl
- Schnitt
- Ute Schick
- Länge
- 95 Minuten
- Kinostart
- 02.06.2011
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Im Jahr 2010 wurde die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-WM zur „Multikulti-Elf“. Eine Mischung, die, neben Teamgeist und Spielfreude, für besondere Schlagzeilen sorgte: Im 23-köpfigen Kader standen elf Spieler mit Migrationshintergrund. Statt Gerd Müller und Sepp Maier machten Namen wie Mesut Özil, Jérôme Boateng oder Lukas Podolski die Runde, vom Starnberger See bis in den Mannheimer Stadtteil Jungbusch. Hier entstand Philipp Kohls Dokumentation, die die Atmosphäre in dem zu 60 Prozent von Menschen nichtdeutscher Herkunft bewohnten Stadtteil während der WM 2010 porträtiert. Als wohltuender Gegenentwurf zu Thilo Sarrazins schwarzseherischer Kulturkritik fasst „Transnationalmannschaft“ ausschnitthaft zusammen, wie sich Deutschland verändert.
Kohl, der selbst im Jungbusch wohnt, beschreibt die „transnationalen Teams“ in seinem Umfeld als Normalfall. Zu den Protagonisten zählen nicht nur die jugendlichen Fußballer meist türkischer Herkunft des DJK Jungbusch, sondern auch Kneipiers, Lehrer, Ladenbesitzer, Rechtsanwälte und eine Polizistin, die die Veränderungen in dem Innenstadtbezirk seit Jahren mitbekommen haben und sich ebenfalls als Teil multikultureller Lebens- und Arbeitszusammenhänge sehen. Die Erfolge der Nationalmannschaft haben diese Realität der Einwanderergesellschaft erstmals symbolisch ins gesamtdeutsche Bewusstsein gerückt, die Geschichte dahinter aber ist älter. Saki, Gastronom im griechischen Restaurant „Rhodos“, spricht, wenn er über seine Kindheit im Jungbusch erzählt, von einem funktionierenden „Nebeneinander“ von Rotlicht-Milieu, so genannten Gastarbeitern und Studenten. Inzwischen ist hier die Künstlerszene angekommen, ein renommierter Verlag ins Viertel gezogen, nebenan hat die Popakademie Baden-Württemberg ihren Sitz, und in den von Arbeiterhäusern aus der Gründerzeit und Zweckbauten der 1950er-Jahre geprägten Straßenzügen hat sich ein migrantisches Geschäftsleben vom türkischen Bankhaus bis zum Juwelier etabliert. Lokalkolorit so vieler Innenstadtbezirke von Berlin-Kreuzberg bis Köln-Kalk, deren interkulturelle Mischung ein neues, regionales Bewusstsein schafft. So fiebern Kohls jugendliche Gesprächspartner aus Migrantenfamilien zwar, beflügelt vom Özil-Faktor, mit der deutschen Nationalmannschaft, bezeichnen sich, nach ihrer Heimat befragt, aber vor allem als „Jungbuschler“ oder „Mannheimer“, seltener als Deutsche. Das dürfte auch mit dem Fremdeln zusammenhängen, mit dem das Bürgertum Stadtteilen wie dem Jungbusch gegenübersteht. Hier lebten schon immer die Anderen, früher die Arbeiter, heute die Migranten. In bestem Mannheimer Dialekt bürstet Saki die tradierte bürgerliche Angst vor diesen Parallelgesellschaften ab, nachdem er das funktionierende Miteinander beschrieben hat: „Der Otto Normalverbraucher, der Spießer, hat das nicht verstanden.“
So ist „Transnationalmannschaft“ auch ein Mannheimer Heimatfilm, die kaleidoskopartige Liebeserklärung an einen Stadtteil im Sommer. Dessen mitunter pittoresker Normalzustand zeigt sich nicht zuletzt in den Roma-Musikern, die ihre Balkan-Folklore in Deutschland-Schlapphüten darbieten, oder den Stammgästen des „Bierkist‘l“, dessen deutschstämmige Bierseligkeit hier nur noch als eine von vielen parallelgesellschaftlichen Randnotizen gilt. Buntes Mannheim – vielleicht mutet Kohl seiner dramaturgisch runden Dokumentation im Soundtrack mitunter ein wenig viel Saz-Klänge und balkanische Klarinettensoli zu, doch spart er die Probleme hinter der Multikulti-Idylle nicht aus, von Sprachproblemen bis zum überstrengen Familienregime gegenüber türkischstämmigen Töchtern. Das Wort „Integration“ wird dabei interessanterweise einzig vom Verleger der „Edition Panorama“ ins Spiel gebracht, als bildungsbürgerliche Importkategorie gewissermaßen, während es den multiethnischen Protagonisten ebenso wie Kohl in seiner gesellschaftlichen Standortbestimmung eher um die ganz normalen Menschen geht – oder um die ganz besonderen Mannheimer.
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