Mondo Lux - Die Bilderwelten des Werner Schroeter

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 101 Minuten

Regie: Elfi Mikesch

Dokumentarfilm über den Kino- und Theaterregisseur Werner Schroeter (1945-2010), der danach forscht, was diesen als Künstler ausmachte, woher er seine Inspiration bezog, was er von der Welt absorbierte, um seine exemplarisch-exzentrischen Kunstwelten zu erschaffen. In assoziativer Montage wird Schroeter bei der Arbeit und im Gespräch beobachtet, während Freunde und Weggefährten zu Wort kommen und aus seinen Filmen zitiert wird. Der Film beschreibt Schroeters tragisches Weltempfinden, seine Hoffnung auf Klarheit, Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Kunst, ohne den Porträtierten auf einen Sockel zu stellen; vielmehr entdeckt er mit großer Zärtlichkeit einen um sich selbst und doch stets auch um das Glück und Leid der Welt kreisenden Menschen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Filmgalerie 451
Regie
Elfi Mikesch
Buch
Elfi Mikesch
Kamera
Elfi Mikesch
Schnitt
Frank Brummundt
Länge
101 Minuten
Kinostart
07.04.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. die Dokufeature "Eine Hommage an Lautréamont von Werner Schroeter" (20 Min.), "Elfi Mikesch zu Mondo Lux" (18 Min.), "Dialogo sulla Callas" (15 Min.) und "Autrefois et Toujours - die Fotoarbeiten des Werner Schroeter I & II" (16 Min.) sowie ein aufschlussreiches 24-seitiges Booklet. Die Edition ist mit dem Silberling 2011 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Filmgalerie 451 (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Wie Wim Wenders’ „Pina“ (fd 40 307) hat sich auch „Mondo Lux“ während der Dreharbeiten von einer Hommage an einen Lebenden zu einem Requiem verwandelt: Werner Schroeter, einer der bedeutendsten Regisseure des Neuen deutschen Kinos, starb im April 2010 nach langer Krebskrankheit. Elfi Mikesch, die ihm als Kamerafrau und Freundin über viele Jahre verbunden war, forscht nun nach dem, was den Menschen und Künstler Schroeter ausmachte, woher er seine Inspiration bezog, was er von der Welt absorbierte, um seine eigenen, ebenso exemplarischen wie exzentrischen Kunstwelten zu erschaffen. Mikesch baut ihren Film allerdings nicht chronologisch wie eine konventionelle Biografie auf, sondern montiert ihn assoziativ: Es ist eine zärtliche, tastende Annäherung, ohne alle Geheimnisse des Meisters bis in die letzten Gründe erhellen zu wollen, ein Film, von Sehnsucht und Trauer erfüllt. Aus dieser Haltung heraus befragt die Regisseurin Freunde und Mitarbeiter, etwa die Schauspielerinnen Isabelle Huppert und Ingrid Caven, die Bühnen- und Kostümbildnerin Alberte Barsacq, den Autor Wolf Wondratschek sowie die Dramaturgin Monika Keppler, die mit Schroeter zuletzt am Projekt „Antigone/Elektra“ arbeitete. Die Kamera begleitet einen ebenso liebevollen wie selbstironischen Dialog zwischen Schroeter und Rosa von Praunheim auf der Couch, zeigt Schroeter beim Aufbau einer Fotoausstellung mit Porträts einiger seiner Weggefährten, beobachtet ihn bei den intensiven Synchronisationsarbeiten an „Diese Nacht“ (fd 39 205) und bei den Proben zu einer neuen Inszenierung an der Berliner Volksbühne: Aus jedem Wort, jeder Geste erwächst ein eigenes Universum. Zugleich zitiert der Film kurze, prägnante Szenen aus Schroeters Kino-Klassikern von „Eika Katappa“ (1969) über „Palermo oder Wolfsburg“ (fd 22 380) bis zu „Diese Nacht“. Im Grunde kreisen alle Elemente des Films um jene Themen, die Elfi Mikesch in knappen Kapitelüberschriften zusammenfasst: „Schönheit der Schatten“, „Abfallprodukt meiner Liebesgeschichten“, „Formen der Einsamkeit“, „Dialog mit den Toten“. Schroeter, der von sich glaubte, liebesunfähig zu sein, hat seine Kunst gerade aus der lebenslangen Suche nach Eros und Zärtlichkeit geborgen; er verstand seine Filme, so wie den Gesang von Maria Callas, die er über alle Maßen verehrte, als Schwingungen im Raum, die von tief erlebtem Glück und ebenso tiefer Trauer gespeist sind. „Mondo Lux“ erinnert an die Verluste, die Schroeter seit seiner frühen Jugend erfahren musste. Seine polnische Großmutter, die ihm nicht nur die Bedeutung des Wortes Contenance beibrachte, sondern ihm auch Fantasiewelten eröffnete, in denen er inmitten einer als feindlich-gehässig empfundenen Umwelt überleben konnte, brachte sich um, als er 13 Jahre alt war. Nur kurze Zeit später verlor er seinen ersten Freund Siegfried, der sich mit 16 erhängte. Magdalena Montezuma, seine große Muse, starb eben so früh wie der geliebte Marcello. „Ich bin umstellt von vielen Toten“, sagt Schroeter in der Fotoausstellung. Und später: „Wenn man Liebe gelernt hat, hat man auch keine Angst mehr vor dem Tod.“ Die Krankheit anzunehmen, sei deshalb keine Qual, sondern eine Disziplin: „Aus der Schwäche Stärke machen. Erzeugen von Energie auf einem schwankenden Terrain.“ Mikesch lässt nachfühlen, was es für Schroeter bedeutete, bis zum letzten Tag aktiv sein, mit Plänen über das Ende hinaus. Leidenschaftlich mit den Menschen seiner Umgebung verbunden („Ohne den anderen ist man ein Vakuum an sich“), schuf er in seinen Inszenierungen eine Welt jenseits der realen Welt, die ihm half, sich selbst zu verstehen. Jedes „wirkliche“ Kunstwerk empfand Schroeter als Befreiung von den Fesseln des bloß Nachgemachten; aus diesem Grunde war er der Gattung der Oper in hohem Maße verpflichtet, ja geradezu verfallen. „Mondo Lux“ zitiert solche Opernbezüge und weist so auch darauf hin, wie sehr Schroeter bemüht war, die althergebrachte filmische Syntax aufzubrechen und seine Geschichten auf neue Weise, über Musik, Bewegung und Gefühle, zu komponieren. „Er war der größte Exzentriker und der einzige Dandy unter uns“, erinnert sich Wim Wenders an das gemeinsame Filmstudium in München; das mag nicht nur auf die frühen Jahre, sondern auf Schroeters Bedeutung fürs Neue deutsche Kino insgesamt zutreffen. Aus den Reminiszenzen seiner Freunde und Weggenossen spricht große Zuneigung und hohe Achtung: Die Lust, gemeinsam kreativ zu sein, muss sich vom Regisseur auf viele seiner Mitarbeiter übertragen haben; man ahnt etwas von diesem Zauber, wenn Schroeter mit den Schauspielerinnen der Volksbühne für „Antigone/Elektra“ probt. Mikesch lässt freilich auch Erinnerungen zu, die nachvollziehen lassen, dass Schroeters artifizielle Besessenheit mitunter auch quälerische Formen annehmen konnte: Peter Kern zum Beispiel konnte eine Rolle, bei der er eine Stunde lang stumm, „als Bild“, auf der Bühne sitzen musste, nur mit Beruhigungstabletten absolvieren. Einmal, als Schroeter im Film von Maria Callas schwärmt, interpretiert er den Begriff „Genie“ als Boten zwischen Gott und Mensch. Auch Schroeter, mit seinem tragischen Weltempfinden, seiner nie endenden Suche nach Schönheit, seiner Hoffnung auf Klarheit, Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Kunst, hatte genialische Züge. „Mondo Lux“ stellt diesen Genius nicht auf einen Sockel, fern und unerreichbar für andere, sondern entdeckt ihn im leisen, zerbrechlichen, mitunter sehr einsamen, um sich selbst und doch immer auch um die Welt kreisenden Individuum Werner Schroeter. Ein schöner, wie getupfter Film für einen Freund und Kunstgefährten.
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