Semidokumentarischer "Gerichtsfilm" um die Frage, wer für die Wirtschaftskrise 2008 verantwortlich zeichnet. Der Regisseur lässt einen Prozess, den die Stadt Cleveland gegen mehrere Banken anstrengen wollte, der dann aber auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, stellvertretend im Film austragen, wobei Ankläger, Beklagte, Richter, Geschworene und Zeugen, die in das reale Verfahren involviert sind, zu Wort kommen. Daraus entwickelt sich ein ebenso spannungsvoller wie differenzierter Versuch, die Ursachen der Banken- und Wirtschaftskrise sowie deren Folgen zu analysieren und unparteiisch nach Verantwortlichkeiten zu fahnden.
- Ab 16.
Cleveland vs. Wall Street
Dokumentarfilm | Frankreich/Schweiz 2010 | JMH Minuten
Regie: Jean-Stéphane Bron
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Filmdaten
- Originaltitel
- CLEVELAND CONTRE WALL STREET
- Produktionsland
- Frankreich/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Les Films Pelléas/Saga/arte/Jouror Prod./Canal +/TSR
- Regie
- Jean-Stéphane Bron
- Buch
- Jean-Stéphane Bron
- Kamera
- Julien Hirsch
- Schnitt
- Simon Jacquet
- Länge
- JMH Minuten
- Kinostart
- 09.09.2010
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Der 1969 geborene Westschweizer Filmemacher Jean-Stéphane Bron ist einer der Begnadeten seiner Generation. Seine Filme, die fiktiven wie auch die dokumentarischen, sind humorvoll und sprechen an. Spätestens seit Bron mit „Mais im Bundeshuus: Le génie hélvetique“ (2003) den politischen Schweizerischen Dokumentarfilm quasi neu erfand (oder diesem mit über 105.000 Besuchern in der Schweiz zu neuem Ansehen verhalf), gilt er als einer der Großen seiner Zunft. Von seinem Bundeshaus-Film leitet sich laut Bron denn auch die Idee seines aktuellen Politfilms ab, der statt Demokratie „Kapitalismus in Aktion“ zeigt. „Cleveland vs. Wall Street“ trägt in der Schweiz zusätzlich den Untertitel „Mais mit dä Bänkler“. Die Arbeiten daran begannen vor sieben Jahren, gedreht wurde 2008, als es in der USA brenzliger wurde und die Börse im Herbst zusammenbrach. Auf der Leinwand sieht man ein Gerichtsverfahren, das durchgeführt hätte werden können, aber nie stattfand: Im Januar 2008 klagte die Stadt Cleveland gegen 21 Banken, die in ihren Augen für die Auswüchse der Immobilienkrise verantwortlich waren. Die Banken aber legten Berufung ein. Bald wurde klar, dass dieser Prozess sich auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben würde. Bron aber nutzte die Gunst der Stunde: Statt beobachtend Däumchen zu drehen, bat er die Involvierten, das Gerichtsverfahren mit allem, was dazugehört – Anhörungen, Befragungen, Urteilsverkündung –, vor laufender Kamera gleichwohl durchzuführen. Entstanden ist damit weniger ein Gerichtsfilm denn ein Film-(Schau-)Prozess, welcher der Frage nachgeht, ob (allein) die Banken an der Immobilienkrise schuld sind. Es treten darin auf: der Anwalt Josh Cohn als Vertreter von Cleveland; der als Bankenspezialist bekannte Keith Fisher als dessen Gegenspieler; der in Cleveland amtierende Richter Thomas J. Pokorny; acht unterschiedlichen sozialen Schichten und Altersgruppen angehörende Geschworene. Vor allem aber: Zeugen. Unter ihnen hoch verschuldete Handwerker und Familienväter, denen die Zwangsräumung droht, ein Stadtrat von Cleveland, ein ehemaliges Mitglied einer Räumungsbrigade; aber auch ein Makler, ein Finanz-Software-Entwickler, ein auf die Deregulierung von Finanzmärkten spezialisierter Anwalt, der zu den Beratern Ronald Reagans gehörte. Und: Barbara Anderson, eine wehrhafte schwarze „Lady in Red“, Clevelands führende Wortführerin im Kampf gegen die Subprimes. Sie alle spielen sich selbst, und die dadurch entstehende Unmittelbarkeit ist eine der herausragenden Qualitäten von Brons Film; wiewohl man gerade an diesem Punkt zugleich fragen muss, was einen Dokumentarfilm als solchen definiert bzw. was an diesem Film überhaupt „dokumentarisch“ ist. Doch wie man sich zu dieser Frage auch verhalten mag: „Cleveland vs. Wall Street“ bleibt spannend und rollt ein heikles und schwierig darzulegendes Thema auf verständliche und erstaunlich neutrale Weise auf. Damit wird Clevelands Problem zwar nicht gelöst und ist die Krise nicht überwunden, aber der Film ist ein Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit Geschehnissen der jüngsten Vergangenheit.
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