Geschickt mit Rückblenden arbeitender Film über eine Frau, die nach Jahren im Exil in ihre Heimat nach Argentinien zurückkehrt, weil ihr Vater entführt wurde und sie zusammen mit ihrer Tochter das Lösegeld aufbringen will. Dabei geht es weniger um das Spannungspotenzial der Geschichte als vielmehr um ein Aufeinandertreffen verschiedener Generationen, um Vergangenheitsbewältigung und Trauerarbeit in einem von den Spuren der Diktatur gezeichneten Land.
- Ab 16.
Opferlamm
Drama | Argentinien/Frankreich 2008 | 88 Minuten
Regie: Lucía Cedrón
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- CORDERO DE DIOS | AGNUS DIE
- Produktionsland
- Argentinien/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2008
- Produktionsfirma
- Les Films d'Ici/Goa/ Lita Stantic Prod.
- Regie
- Lucía Cedrón
- Buch
- Lucía Cedrón · Santiago Giralt
- Kamera
- Guillermo Nieto
- Musik
- Sebastián Escofett
- Schnitt
- Rosario Suárez
- Darsteller
- Mercedes Morán (Teresa 2002) · Jorge Marrale (Arturo) · Leonora Balcarce (Guillermina) · Malena Solda (Teresa 1978) · Juan Minujín (Paco)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
Heimkino
Diskussion
Die Gegenwart fließend in die Vergangenheit übergehen und wieder in die Gegenwart zurückfließen zu lassen, das kann keiner so perfekt wie Theo Angelopoulos. Im aktuellen Arthouse-Kino genießt diese Verzahnung von Zeitebenen, oft in einer einzigen Einstellung, mittlerweile hohes Ansehen. Es verwundert deshalb kaum, dass die argentinische Regisseurin Lucía Cedrón in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm davon Gebrauch macht, geht es darin doch um eine Gegenwart, die von der Vergangenheit heimgesucht wird.
„Opferlamm“ spielt in den Jahren 2002 und 1978. Damit sind die Rückblenden geschickt gelegt, denn 1978 war das Jahr, als die ganze Welt auf Argentinien blickte – nicht wegen des Unrechts, das dort in der Diktatur geschah, sondern weil die Fußballweltmeisterschaft stattfand, ein sportliches und auch ökonomisches Großereignis, über das auch im Film gesprochen wird. Argentinien wurde Weltmeister, im Endspiel gegen die Niederlande. 1982 kollabierte die Diktatur. Unter dem ersten demokratisch gewählten Präsident Raúl Alfonsín erneuerte sich das Land. In diesen Prozess wurde auch die Filmkultur eingebunden. So entstanden in den 1980er-Jahren zunächst Filme, die sich am internationalen Arthouse-Kino orientierten. Mit der Wahl des neoliberalen Carlos Saúl Menem 1989 kehrte auch im Filmgeschäft eine neue Politik in Gestalt der Produktion von Blockbustern ein. Erst aber 1995 machten junge Filmemacher wieder mit individuellen Filmen auf sich aufmerksam. Schnell entstand daraus eine Bewegung: „el nuevo cine argentino“. In diesem Zusammenhang kann auch Lucía Cedrón gesehen werden. Allerdings wuchs sie in Paris auf, weil ihre Eltern 1976 nach Frankreich ins Exil flohen. Ihr Vater, der bekannte Regisseur Jorge Cedrón, kam 1980 unter ungeklärten Umständen ums Leben. 2002 kehrte Lucía Cedrón nach Argentinien zurück. Die Gemeinsamkeiten ihrer Lebensgeschichte mit der Handlung von „Opferlamm“ sind unübersehbar: auch dessen Protagonistin Teresa kehrt in ihr Heimatland zurück, weil ihr Vater entführt wurde. Gemeinsam mit ihrer Tochter versucht sie, das geforderte Lösegeld aufzubringen. Das in dieser Geschichte enthaltene Spannungspotenzial interessiert Cedrón jedoch kaum: Es geht ihr vielmehr um die Konfrontation der Mutter mit ihrer Tochter, das Zusammentreffen zweier Generationen, deren Erfahrungswerte unterschiedliche Sichtweisen auf Argentinien zeitigen. Und es geht um Vergangenheitsbewältigung, darum, filmisch die Fähigkeit zu trauern auszudrücken. So zeigt der Film in keiner Szene, was mit dem Großvater während der Entführung passierte. Wie die Filme von Theo Angelopoulos handelt auch „Opferlamm“ vom Verschwinden eines Vaters bzw. Großvaters und einer Rückkehr aus dem Exil – als Geschichte über ein Land, in dem Freiheit und Demokratie erst im Kampf gegen eine Diktatur erlangt wurden.
Kommentar verfassen