Chéri - Eine Komödie der Eitelkeiten

Komödie | Großbritannien/Deutschland/Frankreich 2009 | 95 Minuten

Regie: Stephen Frears

Eine alternde Belle-Epoque-Kurtisane soll aus dem verwöhnten Sohn einer Kollegin einen Mann machen. Aus der arrangierten Liaison entwickelt sich eine über Jahre andauernde Liebesbeziehung, der die Zweckehe des Liebhabers mit einer reichen Braut ein Ende setzt, ohne dass die Liebenden innerlich voneinander loskommen. Die opulent und mit hervorragenden Darstellern umgesetzte Literaturverfilmung zeichnet als elegant-scharfzüngige Gesellschaftskomödie die porträtierte Halbwelt als parodistischen Spiegel der "besseren Gesellschaft" und ihrer Werte. Zugleich verfolgt sie mit Momenten großer Poesie und Melancholie die Tragödie der Hauptfiguren, deren Gefühle und Sehnsüchte im Tanz auf dem gesellschaftlichen Parkett auf der Strecke bleiben. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CHÉRI
Produktionsland
Großbritannien/Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
BK Films/Pathé/UK Fim Council/Aramid Ent.
Regie
Stephen Frears
Buch
Christopher Hampton
Kamera
Darius Khondji
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Lucia Zucchetti
Darsteller
Michelle Pfeiffer (Léa de Lonval) · Rupert Friend (Fred Peloux, genannt Chéri) · Kathy Bates (Madame Peloux) · Felicity Jones (Edmée) · Iben Hjejle (Marie-Laure)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo
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Diskussion
Anlässlich der Aufführung von Stephen Frears’ Film im Wettbewerb der „Berlinale“ 2009 meinte ein Rezensent, man müsse Frears persönlich fragen, was ihn, der „einst als Aushängeschild des New British Cinema sozial engagierte Filme drehte, an diesem klassischen Stoff gereizt haben mag“. Tatsächlich ist es aber nicht schwer, selbst zu mutmaßen, inwiefern „Chéri“, eine Adaption des in der ausgehenden Belle Epoque angesiedelten und 1920 erschienenen Romans von Colette, ins Autoren-Profil des britischen Regisseurs passt: Wie in vielen Filmen von Frears – in den historischen Dramen wie „Gefährliche Liebschaften“ (fd 27 494), „Mary Reilly“ (fd 31 868) und „The Hi-Lo-Country“ (fd 33 637), aber auch in Filmen wie „Grifters“ (fd 28 837) oder „Die Queen“ (fd 37 965) – geht es um Menschen, denen das eigene Herz gleichsam als etwas Fremdes in der Brust liegt und deren tragischer, immer auch etwas lächerlicher Unterschätzung der eigenen oder fremder Leidenschaften Frears nachspürt. Wie Dr. Jekyll in „Mary Reilly“ seinen Mr. Hyde zügeln zu können glaubt, meinen Frears’ Figuren, Gefühle beherrschen oder manipulieren zu können. Doch Leidenschaften sind bei Frears hinterhältige Naturgewalten: Sie brechen zwar nicht wie Flutwellen über die Protagonisten herein, unterspülen aber langsam und unaufhaltsam den Boden, auf dem sie ihre Lebensgebäude und Selbstbilder aufgebaut haben. Dabei spielen stets soziale Umstände und Prägungen eine Rolle, deren Spielregeln wesentlich an diesen fatalen Prozessen beteiligt sind. In „Chéri“ ist es die gehobene Halbwelt, die die Rahmenbedingungen vorgibt. Frears zeichnet sie nicht als verruchte Gegenwelt zur „besseren Gesellschaft“ Frankreichs zwischen Fin de Siècle und Erstem Weltkrieg, sondern als deren parodistischen Spiegel: Man hält sich Dienstboten, wohnt in Villen und trifft sich mit Standesgenossen zu Teepartys, bei denen Skandale durchgehechelt und mit dem eigenen Reichtum und geschäftlichen Triumphen angegeben wird – in aufwändige Roben gewandet wie in Rüstungen, die den Körper für den Turnierplatz der Salons wappnen. Dort geht es um dasselbe wie in der Welt des Adels und der Bourgeoisie: um Geld und Status. Die Hauptfigur, die Kurtisane Léa de Lonval, deren beste Jahre sich dem Ende zuneigen und die darüber nachdenkt, sich zur Ruhe zu setzen, bestreitet die Schwertgänge, die mit scharfzüngigen Dialogen geführt werden, mit der Geschicklichkeit einer erfahrenen Kriegerin, allerdings ist ihrem etwas müden Gesicht anzusehen, dass es eher die Pflicht denn die Lust ist, die sie den Einladungen folgen lässt. Ganz anders ihre ehemalige Konkurrentin Madame Peloux (von Kathy Bates mit herrlicher Verschlagenheit verkörpert), die sich ins groteske Zerrbild einer bürgerlichen Matrone verwandelt hat und mit sichtlichem Vergnügen ihre gesellschaftlichen Spielchen zelebriert. Ihr Pfand ist dabei nicht mehr der eigene Körper, sondern ihr Sohn Fred, genannt Chéri, ein ebenso charmanter wie orientierungsloser Dandy, der zwar altersmäßig fast erwachsen ist, aber trotz Absolvierung „gewissenhafter Ausschweifungen“ immer noch ein Kind: unschuldig wie alle Naiven, aber auch hemmungslos selbstbezogen. Seine Mutter vermittelt ihn an Léa, damit sie einen Mann aus ihm macht. Daraus wird etwas, was nicht im gesellschaftlichen Regelwerk vorgesehen ist, nämlich eine Liebesbeziehung, die über mehrere Jahre andauert. Doch dann sieht Madame Peloux die Zeit gekommen, ihr Pfand auszuspielen, und sie fädelt eine lukrative Ehe zwischen ihrem Sprössling und der Tochter einer weiteren Kollegin ein, was dem Zusammensein von Léa und Chéri ein Ende bereitet. Keiner der beiden setzt dem ernsthaften Widerstand entgegen, beide aber merken, dass sie das, was sie füreinander sind, nicht einfach hinter sich lassen können. Stephen Frears erzählt diese bittersüße, tragikomische Liebesgeschichte in einem leicht an Jane Austen erinnernden Tonfall: Da wird einerseits ein hellsichtiger, mit trockenem Humor und Süffisanz gewürzter Blick auf soziale Beziehungen und die von ihnen geprägten Menschen geworfen, andererseits aber auch eine große Empathie für die (Haupt-)Figuren hergestellt, in deren Gesichtern Frears nach Spuren dessen fahndet, was hinter den gepflegten Masken liegt. Dabei entstehen auch dank der großartigen Darsteller Momente von großer Poesie, Romantik und Traurigkeit, die jene im wahren Wortsinn todernsten Gefühle offenbaren, die unter der eleganten Oberfläche lauern. Einmal mehr ist es in „Chéri“ die Männer-Figur, die zwar theoretisch den größten Handlungsspielraum hätte, aber erst versteht, was um sie herum und vor allem in ihr selbst vorgeht, als sich der Zauberberg für immer geschlossen hat. Die weibliche Hauptfigur beweist zwar größere Einsicht, zugleich aber bleibt ihr wenig übrig, als das Spiel, dessen Regeln sie nicht gemacht hat, mit Würde mitzuspielen – eine einsame, beschädigte Venus in einem bröckelnden Tempel.
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