Comrades In Dreams - Leinwandfieber

Dokumentarfilm | Deutschland 2006 | 106 Minuten

Regie: Uli Gaulke

Der Filmemacher, der selbst Kinobesitzer ist, reiste um die Welt, um Kinobetreibern in allen Kontinenten ein Denkmal zu setzen. Dabei beschwört er die allen gemeinsame Kraft der Kino-Träume, zeigt aber auch lokale Schwierigkeiten und Eigenheiten auf. Entstanden ist eine Liebeserklärung ans Kino sowie an jene Zunft, die es zum Publikum bringt, wobei die Bildsprache mitunter geschickt Eigenheiten der jeweiligen Länder aufgreift. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Flying Moon Filmprod.
Regie
Uli Gaulke
Buch
Jeannette Eggert · Uli Gaulke
Kamera
Axel Schneppat
Musik
Mark Orton
Schnitt
Andrew Bird
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Der Traum vom Kino, so scheint es hierzulande, ist vorbei. Die Besucherzahlen sinken, Programmkinos sterben und auch den Multiplexen geht es nicht gut; selbst Blockbuster sind immer schwieriger zu kalkulieren. Dies alles weiß der Dokumentarfilmemacher Uli Gaulke nicht nur, er hat es am eigenen Leib erfahren: Im Berlin der Nachwendezeit suchte er, der früher auch als Filmvorführer arbeitete, nach einem Kino, „alles schien möglich“. Er fand das „Balasz“ am Alexanderplatz, die Eröffnung war im Frühjahr 1994. Heute sagt er: „Es gibt dieses Kino immer noch, doch es läuft schlecht.“ „Comrades in Dreams“ ist der Titel von Gaulkes neuem Film. Mit dem Untertitel „Leinwandfieber“ ist er nur annährend übersetzt. Der Kino- und Filmemacher reiste um die Welt, um idealistischen Kinomachern „ein Denkmal zu setzen“, seinen „Brüdern im Geiste“ in Burkina Faso, in Indien, in Amerika und Nordkorea. „Ein Denkmal setzen“ hört sich traurig an, schlimmstenfalls nach Abgesang. Das ist auch ein wenig so, wenn man zum Beispiel Penny in ihrem Kino zusieht, mitten im amerikanischen Westen, mitten in der Provinz: Sie bezahlt ihre Mitarbeiter mit Karamell-Popcorn, das sie mit nach Hause nehmen können. Im Wesentlichen aber ist „Comrades in Dreams“ eine Liebeserklärung an das Kino, an seine universale Sprache, ein aktuelles „Cinema Paradiso“ (fd 27 990). Durch Indien reist der junge Anup mit seinem Wanderkino. Drei LKWs schaffen das riesige Zelt von einem Ort zum anderen, Menschenmassen drängen sich vor dem Eingang, Anup verdient gut. Schon sein Vater hat das Kino zu den Menschen gebracht; Anup ist stolz, diese Tradition weiterzuführen. Kino ist seine Leidenschaft, im Tempel segnet er eine Filmrolle. Wäre es nach seinem Vater gegangen, so wäre Anup besserRechtsanwalt geworden oder Arzt. Und als sei seine Leidenschaft ganz durch das Leinwandfieber aufgebraucht und ließe keinen Platz für Romantik, lässt er Verwandte nach einer Ehefrau suchen. Ihre wichtigste Eigenschaft sollte die Anpassung an das Wanderleben sein; bei dem Gedanken an eine Liebesheirat lacht er nur. Auch die Frauen von Lassane, Luc und Zakaria lachen, doch eigentlich ärgern sie sich: Nie sind ihre Männer zu Hause, immer kümmern sie sich um ihr Kino, ein Mauergeviert ohne Dach, das sie von der Stadt gepachtet haben. Ihr Kino heißt „Emergence“, und wie Anup träumen sie, immer in Bewegung, von der Sesshaftigkeit, von einem eigenen Kino. In Indien und Afrika ist die Kamera oft nah an den Gesichtern, mitten im hektischen Geschehen. Für eine andere Bildsprache entscheiden sich Gaulke und sein Kameramann Axel Schneppat in Amerika und in Nordkorea. In Tableaus, die an David Lynchs „Eine wahre Geschichte – The Straight Story“ (fd 33 981) erinnern, und unterstützt von Mark Ortons Soundtrack, in der amerikanischen Episode der Countrymusik verschrieben, wird ein Bild von Amerika auf die Leinwand gebannt, das gleichzeitig augenzwinkernd nostalgisch und melancholisch ist: Penny fährt auf Rollschuhen durch eine zubetonierte, saubere Vorstadt-Inszenierung, sie fährt in ihrem knallroten Oldtimer durch die unbelebte Kleinstadt oder mit dem Rasenmäher über perfekt getrimmte Grünflächen. Obwohl der Regisseur seine beobachtende, distanzierte Haltung nie aufgibt, kommentiert er subtil über die Bilder: Wenn er etwa in Nordkorea sogar das Alltagsleben in Tableaus übersetzt und damit an die offiziellen Masseninszenierungen vor Kim Jong-Ils Porträt anknüpft oder wenn er im Schnitt Szenen der linientreuen Filme, die im Kulturhaus der Kolchose den Arbeitern gezeigt werden, mit Szenen aus dem Leben seiner Protagonisten kontrastiert. Vielfach gebrochen wird dieses Verfahren immer wieder durch die Nähe, die Gaulke zur Filmvorführerin Han Yong-Sil herstellt. Gaulke trennt die Episoden nicht voneinander; er springt aus Afrika nach Amerika nach Nordkorea und zurück; „Titanic“ rührt in Pennys Kino ebenso zu Tränen wie im „Emergence“ – nur in Indien meint man, in der Wüste könnten sich die Leute „so ein großes Schiff gar nicht vorstellen“. „Die Filme geben den Dingen des Lebens ihr Gesicht“ sagt Han Yong-Sil einmal – eine Beschwörungsformel, die gut zu einem Denkmal passt.
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