Die Brücke des Filmtitels ist ein imaginäres, kein real existierendes Bauwerk. Erzählt wird vom Brückenschlagen in eine andere Welt, vom Zugang ins Reich der Imagination. Für zwei in tiefer Freundschaft verbundene Elfjährige ist das sagenhafte Land „Terabithia“ nur einen Katzensprung von ihrer Kleinstadt-Realität entfernt. Da der Film aber auch von quälenden Fragen wie Tod und Trauer handelt, könnte man denken, die „Brücke nach Terabithia“ führe vielleicht in eine Art Jenseits – gemäß der verbreiteten Hoffnung, „drüben“ könne man seine Lieben wiedersehen. Umso erstaunlicher im Mainstream-Kino – in dem Wunder an der Tagesordnung sind –, dass es dieser Film seinen jugendlichen Adressaten keineswegs so leicht macht. Es ist bemerkenswert, dass hier nicht Oma, Opa oder ein Fantasy-Geschöpf stirbt, sondern eine jugendliche Hauptfigur. Sie kehrt auch nicht als tröstende Astralgestalt zurück. Sie ist einfach weg und lässt die Lebenden mit ihrem Schmerz zurück. Der Tod eines Kindes: immer noch ein Tabuthema. 1978, fünf Jahre nach dem Erscheinen von Astrid Lindgrens „Die Brüder Löwenherz“, brachte auch die Amerikanerin Katherine Paterson einen Kinderroman über den Tod heraus, der in Deutschland unter dem Titel „Die Brücke ins andere Land“ erschien. Ein tödlicher Unfall im Freundeskreis ihres Sohnes soll den Anstoß für die Geschichte um Jess und seine Mitschülerin Leslie gegeben haben: Ein Außenseiterpaar, das im Wald ein Baumhaus baut und sich das Sagenreich Terabithia erträumt, zu dem Paterson durch die Lektüre von C.S. Lewis’ „Die Chroniken von Narnia“ inspiriert wurde. Wie zuvor „Narnia“ wurde die Paterson-Verfilmung von Walden Media produziert, einem Unternehmen des US-Milliardärs Phil Anschutz. Der gläubige Presbyterianer sorgt regelmäßig dafür, dass die Walden-Filme einen besonderen christlichen Anstrich bekommen. So gibt es in „Terabithia“ eine merkwürdig aus dem Kontext fallende Szene, in der Leslie „ewiges Licht“ aus einem Kirchenfenster mit einer Schultasche auffängt. Dennoch spart sich der Film nach Leslies Tod wohlfeile Heilsbotschaften und ersetzt Patersons zwiespältigen Romanausklang auch nicht durch ein Happy End. Wenn auch das Finale nicht jedermanns Sache sein dürfte: Jess und seine kleine Schwester treten über die magische Brücke ans Ufer des Märchenlands und werden vom ansässigen Fantasievolk begrüßt, als wären sie direkt in einen Werbeblock gesprungen. Dieser Kitsch-Ausreißer ist umso bedauerlicher, als Regisseur Gabor Csupo – von Haus aus Animationsfilmer – die Märchenwelt ansonsten sehr sparsam in die Alltagsrealität seiner Helden dringen lässt. Überzeugend auch, wie die bitteren Schul-Erfahrungen von Jess und Leslie in den Wald-„Psychodramen“ spielerisch verarbeitet werden. So verwandelt sich die gefürchtete Mitschülerin Janice in einen Riesen, der zunächst bedrohlich, dann zunehmend liebenswert erscheint, weil die Kinder im Filmverlauf die verletzliche Seite ihrer Peinigerin entdecken. Mit Josh Hutcherson („Zathura – Ein Abenteuer im Weltraum“, fd 37 466) und AnnaSophia Robb („Charlie und die Schokoladenfabrik“, fd 37 179) sind die Hauptrollen stimmig besetzt. Besonders Hutcherson verkörpert glaubhaft den Jungen, der von seinen vier Schwestern dominiert, vom Vater links liegen gelassen und seinen Mitschülern gehänselt wird. Der eigenen Stärken muss sich Jess erst noch gewahr werden: Er ist ein begnadeter Läufer und ein Zeichentalent. Dass der Appell an die kindliche Fantasie am Schluss mit Unterstützung diverser Special-Effects-Firmen gründlich ad absurdum geführt wird, gehört zu den unauflöslichen Widersprüchen des Hollywood-Kinos.