Jugendfilm | Deutschland 2006 | 102 Minuten

Regie: Gregor Schnitzler

Nach einem Störfall in einem nahe Frankfurt gelegenen Kernkraftwerk tritt eine radioaktive Wolke aus. Eine 16-jährige Schülerin verliert bei der Katastrophe Mutter und Bruder, wird selbst kontaminiert und in eine Hamburger Spezialklinik gebracht, wo ihr allein die Liebe zu einem Mitschüler Lebenskraft und Hoffnung gibt. Verfilmung des gleichnamigen Jugendromans von Gudrun Pausewang als Mischung aus beklemmendem Katastrophen-Szenario und Teenager-Romanze, der trotz inszenatorischer Schwächen ein schwieriger Spagat gelingt. In der Hauptrolle sensibel gespielt, konfrontiert der Film sein jugendliches Zielpublikum nicht nur mit ausgrenzendem Verhalten, sondern vor allem auch mit Fragen nach Schuld und Verantwortung. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Clasart Filmprod.
Regie
Gregor Schnitzler
Buch
Marco Kreuzpaintner
Kamera
Michael Mieke
Musik
Max Berghaus · Stefan Hansen · Dirk Reichardt
Schnitt
Alexander Dittner
Darsteller
Paula Kalenberg (Hannah) · Franz Dinda (Elmar) · Hans Laurin Beyerling (Uli) · Carina Wiese (Paula) · Karl Kranzkowski (Dr. Salamander)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Jugendfilm | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Concorde/Eurovideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt., dts dt.)
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Diskussion
Vor 20 Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich jener unheilvolle Reaktorunfall von Tschernobyl, der die 1928 geborene Lehrerin und Schriftstellerin Gudrun Pausewang zu ihrem Jugendroman „Die Wolke“ (1987) bewegte. Die fiktive Geschichte der 14-jährigen Janna-Berta, die beim SuperGAU eines Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld ihre Eltern, ihre beiden Brüder und eine ihrer Großmütter verliert, wurde konsequent, ebenso engagiert wie parteiisch aus der Perspektive der Jugendlichen entwickelt und verdichtete sich zur teilweise höchst bedrückenden Simulation eines äußersten Extremfalls auf deutschem Boden. Sprachlich leicht verständlich und ganz auf die Wahrnehmung jugendlicher Leser konzentriert, etablierte sich der vielfältig, aber auch kontrovers diskutierte und in seiner „unausgewogenen“ Kritik am Verhalten staatlicher Instanzen nicht unumstrittene Roman gleichwohl als schulische Standardlektüre in Fächern wie Deutsch, Politik, Sozialkunde, Religion/Ethik und Umwelterziehung. Ob das nun die Lust und Neugier Heranwachsender auf eine Kinofilmadaption ihrer „Pflichtlektüre“ schmälert, wird sich zeigen – aber alle am Thema sowie am Roman Interessierte seien beruhigt: Der Film löst sich in weiten Teilen weit genug vom Roman, um dem Geschehen neue, vor allem zeitnah-aktuelle Facetten abzugewinnen, sodass er sowohl als emotionalisierendes Jugenddrama als auch als engagierte Öko-Warnung auf der Höhe der Zeit funktioniert – gewiss kein selbstverständlicher Spagat. Aus der 14-jährigen Janna-Berta des Romans wurde im Film die 16-jährige Hannah, die mit ihrer alleinerziehenden, beruflich strapazierten Mutter sowie ihrem kleinen Bruder Uli in der kleinen Ortschaft Schlitz unweit von Bad Hersfeld lebt. Der attraktive Teenager führt ein alltägliches Leben, geprägt von Schule, Schwatz und Freundschaften, und genießt den Sommer ebenso wie die ersten zarten Blickkontakte mit dem zurückhaltenden, zwei Jahre älteren Elmar, der relativ neu in der Klasse ist, sich auf seine zurückgezogene, introvertierte Art aber schwer mit der Integration tut. An einem Tag kommt dann alles zusammen: Die Mutter muss nach Schweinfurt, Hannah Uli betreuen, in der Schule küssen sich Hannah und Elmar zum ersten Mal – und da, von keinem zunächst sonderlich ernst genommen, ertönt eine Sirene. Elmar erkennt, dass es sich hier um keinen ABC-Probealarm handelt; doch es dauert noch lange, viel zu lange, bis die Menschen das ganze Ausmaß der eingetretenen Katastrophe begreifen: Nach einem Störfall in einem östlich von Frankfurt gelegenen Kernkraftwerk ist eine radioaktive Wolke ausgetreten und zieht auf Schlitz zu. Die Menschen flüchten panisch aus ihren Häusern, suchen Fluchtwege und blockieren sich dabei gegenseitig, während die Behörden mit Straßensperren und Lautsprecherdurchsagen reagieren. Hannah ist mit der Situation komplett überfordert. Auf sich allein gestellt, bemüht sie sich, der Verantwortung gerecht zu werden, doch als der kleine Uli Opfer eines Autounfalls wird und stirbt, taumelt sie, aufgelesen von anderen Flüchtenden, nur noch unter Schock auf den Bahnhof der nächstgrößeren Stadt zu, resigniert aber angesichts der Hysterie der Massen: auf dem Bahnhofsvorplatz blickt sie zum Himmel, während der giftige Regen auf ihren Körper niederprasselt. Dies ist die erste Hälfte des Films, die ohne teuer-bombastische Effekte, dafür mit pointierten visuellen Verdichtungen ein intensives Klima der Angst und Hilflosigkeit evoziert. Schnell vergessen sind die papieren aufgesagten Dialoge der Jugendlichen, die während der Flucht im Auto einige fürs Verständnis notwendige Fakten gestelzt deklamieren, als aus dem schulischen Alltag innerhalb weniger Szenen ein apokalyptisches Szenario wird. Wehte zu Beginn noch eine harmlose Brise über Wiesen und Wälder, fegt nun ein zerstörerischer Wind alle Normalität hinweg und schafft völlig neue Verhältnisse für den zweiten Teil des Films: Hannahs Leben als kontaminiertes Opfer im Sicherheitstrakt eines Sanatoriums in Hamburg. Sie hat Bruder und Mutter verloren, ihr Körper rebelliert unter Schmerzen auf die Verstrahlung, und nur die Liebe zu Elmar, den sie aus den Augen verlor und der sie nun wiederfindet, setzt jenen lebensspendenden Funken der Hoffnung auf einen trotz allem möglich scheinenden Neuanfang. Psychologisch ist dies nur bedingt nachvollziehbar, emotional aber die entscheidende Voraussetzung für jene schmerzhafte Auseinandersetzung, bei der sich die Jugendlichen nicht nur mit dem ausgrenzenden Verhalten ihrer Mitmenschen, sondern vor allem mit Fragen nach eigener Schuld und Verantwortung konfrontiert sehen. Dass sich das politisch brisante Thema dabei mit einer (konventionellen) Teenager-Romanze kreuzt, führt zu Vereinfachungen, erscheint aber als legitimer, stets redlicher Weg, um ein heutzutage weitgehend entpolitisiertes Zielpublikum zu erreichen. Dabei kommen Buch und Film wieder nah zusammen, wenn es darum geht, Abschied von Illusionen und falschen Träumen zu nehmen, Realitäten zu akzeptieren und nicht zu verdrängen. Gerade in stilleren, sehr sensiblen Momenten fesselt dabei die junge Hauptdarstellerin mit einem anrührend-nuancierten Spiel, das eine tragfähige Brücke zwischen menschlicher Katastrophe und großen Teenager-Gefühlen schafft.
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