The Blessing Bell

Drama | Japan 2002 | 88 Minuten

Regie: Sabu

Ein arbeitslos gewordener Mann wandert durch eine Industrielandschaft, wobei ihm mehr oder weniger absurde Begegnungen und Erlebnisse widerfahren, von denen er anderntags seiner fassungslosen Frau berichtet. Der extrem ruhige, fast statische Film verdichtet sich auf subtile Weise zur Reflexion über das Geschichtenerzählen und schlägt trotz (oder gerade wegen) seiner exzentrischen Form den Zuschauer in Bann. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KOFUKU NO KANE
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
IMJ Corp.
Regie
Sabu
Buch
Sabu
Kamera
Masao Nakabori
Musik
Yasuhisa Murase
Schnitt
Soichi Ueno
Darsteller
Susumu Terajima (Igarashi) · Naomi Nishida (Igarashis Frau) · Seijun Suzuki (Geist) · Ryoko Shinohara · Tooru Masuoka
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama

Heimkino

Nur zusammen als Doublefeature mit Sabus Film "Monday" erhältlich.

Verleih DVD
REM (16:9, 1.85:1, DD2.0 jap.)
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Diskussion
Der immer noch junge japanische Regisseur Sabu, der eigentlich Hiroyuki Tanaka heißt, hat sich mit seinen ersten Filmen auch in Deutschland einen guten Namen gemacht. Seit Mitte der 1990er-Jahre laufen sie regelmäßig in der „Forums“-Sektion der „Berlinale“; mehrere von ihnen wie etwa „Wie eine Kugel im Lauf“ (fd 33 354) und „Monday“ (fd 34 883) fanden auch den Weg in den deutschen Verleih. Sabus Kino ist in seiner Form wie in seinen Geschichten höchst originell und souverän. Fast immer geht es dabei um die japanische Yakuza, fast immer gibt es Verfolgungsjagden, und dass dies alles auch eine tiefere Bedeutung besitzt, gilt als selbstverständlich. Bislang lag der Reiz von Sabus Werk trotzdem in erster Linie in seiner stilistischen Originalität, in grellen, comic-haften Effekten und darin, wie perfekt der Regisseur das Timing seiner Filme beherrschte, wobei er trotz hohen Tempos und komplexer Narration immer alle Fäden in der Hand behielt. Ums Timing geht es auch in „The Blessing Bell“. Im Unterschied zu Sabus bisherigen Arbeiten ist diese allerdings in keiner Weise rasant, sondern einer der langsamsten Filme, die man seit langer Zeit im Kino sehen konnte. Ein Mann geht gemessenen Schrittes durch eine unwirtliche Industrielandschaft. Der Himmel ist grau, die Anlagen sind verfallen, Musik oder Dialoge lange gar nicht und später auch nur sporadisch zu hören. Das einzige, ständig präsente Geräusch ist das Pfeifen des Windes. So depressiv, wie das alles wirkt, und so wenig hier trotz ständiger Anspannung vordergründig passiert, so genau ist alles in Szene gesetzt. Die Bilder sind überaus ruhig und statisch, nur wenige, dann aber um so spürbarere Kamerafahrten unterlaufen die starren Einstellungen.

Der Mann, der durch diese Landschaft geht, und von dem man irgendwann erfährt, dass er Igarashi heißt und gerade arbeitslos geworden ist, begegnet auf seinem Weg anderen, ähnlich verlorenen Figuren: einer Gruppe Fabrikarbeiter, die ebenfalls entlassen worden sind und dagegen protestieren; einem Yakuza, der ihm erzählt, wie er unter seinem Leben leidet und dass er Organspender werden möchte, dann aber plötzlich mit einem Messer im Bauch tot einen Abhang hinunter fällt; auch einen Polizisten, der ihn als Mordverdächtigen festnimmt. Im Gefängnis trifft er einen richtigen Mörder. Der gibt ihm die Adresse einer Bar, in der seine Frau arbeitet. Als sie mit einem anderen flirtet, schlägt ihr Igarashi einen Blumenkübel über den Kopf. Dann erleidet er einen Unfall. Im Krankenhaus trifft er auf einen scheinbar Sterbenden, der sich als Geist entpuppt. Er rettet ein Baby aus einem brennenden Haus. Eine Lotterie gewinnt er auch, doch das Geld wird ihm später gestohlen. Schließlich landet er in einem Loch, von dem aus er nachts die Sterne betrachtet. Eines ergibt das andere – und die Absurdität im Einzelnen womöglich aus höherer Sicht sogar einen Sinn.

Diese merkwürdige Geschichte von Unwahrscheinlichkeiten mündet in eine Art Heimkehr und in ein wunderbares Schlussbild: Igarashi, der die ganze Zeit über kein einziges Wort gesprochen hat, kehrt am nächsten Tag zu seiner Familie zurück. Hier redet er endlich und erzählt seiner lebensfrohen Frau von dem, was ihm passiert ist – was diese kaum glauben kann und es immer aufs Neue ungläubig wiederholt. Diese letzten Minuten filmt Sabu aus totaler Distanz. Man hört nur das Gespräch des Paares, sieht von beiden nur Fragmente durch ein offenes Fenster. Die Kamera zieht sich zurück, öffnet den Blick und schwenkt dabei sanft zur Seite. Das allerletzte Bild zeigt eine Totale auf das kleine Haus am Rande der Stadt, in dem das Gespräch weitergeht. „The Blessing Bell“ ist letztlich ein auf subtile Weise sehr amüsanter Film über das Geschichtenerzählen und die ihm innewohnende Ironie, darüber, dass im Märchen wie im richtigen Leben alles möglich ist, selbst die absurdesten Entwicklungen. Trotz seiner exzentrischen Form gelingt es dem Film, auch beim widerstrebenden Zuschauer Interesse für seine Story zu wecken. Vielleicht weist die Besetzung der Hauptrolle mit Susumu Terajima, den viele aus Takashi Kitanos Filmen kennen, die Richtung: Weniger Antonioni, Beckett oder Jarmusch, sondern eher Buster Keaton wird geboten. Auch wenn die Pointen diesmal implodieren: Der Schlüssel zu Sabus Film liegt nicht in der Melancholie, sondern im Slapstick.

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