Frankreich 1671: François Vatel, Haushofmeister des hochverschuldeten Prinzen von Conde, richtet für den Hofstaat Ludwigs XIV. ein dreitägiges Fest aus, um seinem Herrn zu helfen, die Gunst des Sonnenkönigs zu erringen und den drohenden Bankrott abzuwenden. Als er sich unstandesgemäß in die Mätresse des Königs verliebt und vom Prinzen an den Hof von Versailles abgeschoben wird, erkennt er die Ausweglosigkeit seiner Lage. Ein in opulenten Bildern entwickeltes, hervorragend gespieltes Historiendrama, das über die sensible Liebesgeschichte hinaus das brisante Verhältnis zwischen Aristokratie und Volk beleuchtet, ohne die sinnenfrohe Grundstimmung mit gesellschaftspolitischen Diskursen zu überfrachten.
- Sehenswert ab 14.
Vatel
Historienfilm | Frankreich 2000 | 103 Minuten
Regie: Roland Joffé
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Filmdaten
- Originaltitel
- VATEL
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- Gaumont/Légende Enterprises
- Regie
- Roland Joffé
- Buch
- Jeanne Labrune · Tom Stoppard
- Kamera
- Robert Fraisse
- Musik
- Ennio Morricone
- Schnitt
- Noëlle Boisson
- Darsteller
- Gérard Depardieu (François Vatel) · Uma Thurman (Anne de Montausier) · Tim Roth (Marquis de Lauzun) · Julian Glover (Prinz de Condé) · Julian Sands (Ludwig XIV.)
- Länge
- 103 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Historienfilm
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Wie „Der König tanzt“ (fd 34 798) spielt „Vatel“ während der Regentschaft Ludwig XIV., und auch hier steht ein „Künstler“ im Mittelpunkt, der für das Wohlergehen des mächtigen Herrschers sorgt. Verwöhnte in Corbiaus Film der Komponist Jean-Baptiste Lully die Ohren des Regenten, kitzelt nun Meisterkoch François Vatel den Gourmet-Gaumen des Sonnenkönigs. Schloss Chantilly, Ende April 1971: Vatel, Haushofmeister des hochverschuldeten Prinzen de Conde, bereitet ein dreitägiges Fest für den gesamten Hofstaat vor, das seinem Herrn die Gunst des Königs zurückgewinnen soll. Der Prinz hofft darauf, als Heerführer gegen Holland in den Krieg ziehen und sich dadurch sanieren zu können. Im Gefolge Ludwigs befindet sich auch sein hochnäsiger Privatsekretär Marquis de Lauzun, der sich nicht nur mit Vatel anlegt, sondern seinem Herrn auch die Mätressen zuführt. Diesmal hat der König ein Auge auf die Begleitdame seiner Frau, die Gräfin Anne de Montausier, geworfen, die sowohl von Lauzun als auch von Vatel umworben wird. Als Anne heimlich Vatels Liebe erwidert, erpresst sie der zurückgewiesene Lauzun und nötigt sie in sein Schlafgemach. Zwischen all diesen menschlichen Irrungen und Wirrungen brennt Vatel ein kulinarisches Feuerwerk ab, muss sich der sexuellen Avancen von Ludwigs Bruder erwehren, der ihn dennoch generös gegen die Schläger des eifersüchtigen Lauzun in Schutz nimmt, und muss erfahren, dass ihn der Prinz beim Kartenspiel an den König verloren hat. Zu allem Unglück trifft auch noch die erwartete Fischlieferung fürs große Festfinale nicht ein. Verzweifelt zieht sich Vatel zurück, schreibt einen letzten Liebesbrief an Anne, ehe er Selbstmord begibt. Ironie des Schicksals: Die Meeresfrüchte werden doch noch in letzter Minute geliefert, das Fest geht wie geplant zu Ende.
Während Corbiau sein sinnenfrohes „Fest“ fast ausschließlich in Innenräumen arrangierte, öffnet Roland Joffés Inszenierung auch den Blick nach Außen: in die Gärten, wo die Lustbarkeiten der Aristokratie stattfinden, und in die Arbeitsräume der Bediensteten, wo die Feierlichkeiten vorbereitet werden. Gleich in den ersten Szenen konfrontiert er den Zuschauer unaufdringlich mit den gesellschaftlichen Realitäten: Während die Oberschicht in Saus und Braus lebt, werden die Untergebenen um den Lohn für die herbeigeschafften Waren geprellt. Denn der Prinz de Condé ist bankrott, und Vatel kann die Händler nur besänftigen, indem er ihnen klar macht, dass nur ein erfolgreich verlaufendes Fest ihnen die Chance lässt, doch noch an ihr Geld zu kommen. Mit dieser Szene führt Joffé Vatel ein, den er als einen von Selbstzweifeln und dem Drang nach Perfektion getriebenen Menschen darstellt, der aber nie vergessen hat, dass er selbst aus einfachen Verhältnissen stammt. So ist er tief erschüttert, als sich einer seiner Mitarbeiter bei der Kulissenschieberei während des Banketts erdrosselt und die feine Gesellschaft einfach nur zur Menüfolge übergeht. Auch gegenüber seiner Majestät beweist Vatel Charakter und lässt ausrichten, er habe keine Zeit, um deren Lob entgegenzunehmen, weil er sich um die Veranstaltung kümmern müsse, damit nicht noch ein Unglück geschehe. Auch das unselige, zu demütigenden Abhängigkeiten führende Verhältnis zwischen Macht und Sexualität liegt unterschwellig hinter den opulenten Bildern, die allerdings ab und ab in aufgesetzt wirkende, modische „Schieflagen“ geraten. Ennio Morricones erfreulich frisch wirkende Komposition bildet in ihrer zurückgenommen Art einen angenehmen Kontrast zum Prunk der Ausstattung, an der an sich kaum satt sehen kann; gelegentlich ertappt man sich bei der Illusion, selbst mit am Tisch zu sitzen.
Herausragend sind die schauspielerischen Leistungen: Selten sah man Gérard Depardieu so diszipliniert, ja geradezu still spielen. Wenn er geschäftig und zugleich fachmännisch kostend durch sein „Warenlager“ eilt und stets den richtigen Ton für sein Gegenüber findet, dann scheinen der Mensch und der Schauspieler Depardieu zu verschmelzen. Von großer Zärtlichkeit auch die Liebesszenen zwischen ihm und Uma Thurman, die nur Blicke und Gesten bedürfen, um zu verzaubern, zugleich aber unendlich traurig zu stimmen, weiß man doch um die Unmöglichkeit der unstandesgemäßen Liaison. Uma Thurman weiß geschickt ihren spröden Charme und ihre sich erst auf den zweiten Blick entfaltende Schönheit einzusetzen. Während Tim Roth mit seiner Rolle als „Bösewicht“ unterfordert zu sein scheint, interpretiert Julian Sands König Ludwig als jemanden, der die Eleganz zu seinem Credo erhoben hat und dem die Frauen sowohl wegen seiner Intelligenz als auch seiner Macht zufliegen. Um diese Hauptfiguren schart sich ein bis in die kleinste Nebenrolle prägnant besetztes Ensemble, dass jenseits des opulenten Augenschmauses auch ein wenig Nachdenklichkeit vermittelt.
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