You'll Never Walk Alone (1995/97)

- | Irland/Großbritannien 1995/97 | 85 (27/30/28) Minuten

Regie: Alan Archbold

Nach "Dark Tales" mit Kurzfilmen aus Neuseeland und der internationalen Animationsfilmsammlung "Tricky Tales" wurde dieses weitere Kurzfilm-Programm der "Kurzfilmagentur Hamburg" vorgelegt: drei preisgekrönte Filme, denen überbordende Fantasie und ausgesprochen skurriler Humor gemein sind. Drei Auseinandersetzungen mit den Unwägbarkeiten und Feindseligkeiten des Lebens, in deren Mittelpunkt Kinder, Heranwachsende und die Probleme der Informationsgesellschaft stehen. Das bei aller Unterschiedlichkeit überzeugende Kurzfilmprogramm bietet die seltene Gelegenheit, mit einer Filmkultur in Berührung zu kommen, die sonst fast nur noch auf Festivals wahrgenommen werden kann. (O.m.d.U.; Titel der einzelnen Filme: 1. "The Life of Reilly"/Irland 1995; 2. "Flatworld"/England 1997; 3. "35 Aside"/Irland 1995) - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
YOU'LL NEVER WALK ALONE
Produktionsland
Irland/Großbritannien
Produktionsjahr
1995/97
Produktionsfirma
Echo Prod. (1)/Tandem Films/BBC (2)/Clingfilms Prod. (3)
Regie
Alan Archbold · Daniel Greaves · Damien O'Donnell
Buch
Alan Archbold · Daniel Greaves · Patrick O'Donoghue · Damien O'Donnell
Kamera
Seamus Deasy · Simon Paul · Harry Purdue · John Moore
Musik
John Carney · Julian Nott · Stephen McKeon
Schnitt
Dolores Hegarty · Rod Howick · Simon Cox · Damien O'Donnell · John Carney
Darsteller
Mark O'Reagan (John Reilly) · Anita Reeves (Mutter) · John Olohan (Vater) · James Mahon (Philip Maguire) · Maria Hayden (Mutter)
Länge
85 (27
30
28) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Nach „Dark Tales“ mit Kurzfilmen aus Neuseeland und der internationalen Animationsfilmsammlung „Tricky Tales“ kommt nun ein weiteres Programm aus dem reichhaltigen Fundus der Hamburger Kurzfilmagentur ins Kino. Hinter dem Titel „You’ll Never Walk Alone“ verbergen sich drei mittellange Arbeiten, also Filme, die es üblicherweise bei der Kinoauswertung noch schwerer haben als fünf- bis zehnminütige Produktionen – letztere gelangen wenigstens hin und wieder als Vorprogramm zum Einsatz. Mit der vorliegenden Kollektion bietet sich die seltene Gelegenheit, qualitativ in jeder Hinsicht hochwertige Filme zu Gesicht zu bekommen, die sonst fast ausschließlich ein Festival-Dasein fristen und damit einem recht kleinen Zuschauerkreis vorbehalten bleiben. Schon dieser Umstand macht das Hamburger Unterfangen zur Pioniertat.

„The Life of Reilly“ führt die wohlbehütete Kindheit John Reillys vor: Von der Wiege an unternehmen seine Eltern alles Erdenkliche, um ihn vor den Gefahren des Lebens zu bewahren. Das hat zur Folge, daß eine ständig wachsende Schar von Erwachsenen jeden seiner Schritte begleitet. Ob in der Kirche, beim Arztbesuch, in der Schule oder auf dem Fußballplatz – immer mehr von Fürsorge besessene Zeitgenossen werden zu seinen Wegbegleitern. Endlich der Pubertät entwachsen, gelingt es John wider Erwarten, eine junge Frau kennenzulernen. Als er nach der Hochzeit sein Schlafzimmer betritt, befindet sich dort bereits die erwartungsfrohe Runde seiner Förderer. Endlich regt sich in ihm Widerstand gegen diese Entmündigung. Mit umgekehrten Vorzeichen, aber gleichem Effekt nimmt sich „35 Aside“ einer Kindheit in Irland an. Philip Maguire wächst ohne den im Gefängnis sitzenden Vater auf und leidet unter Schwester, Mutter und Großmutter. Mit der Einschulung beginnt sein endgültiges Martyrium: nicht nur, daß ihm die Großmutter einen riesigen, mit Teddybären verzierten Schulranzen aufzwingt; er vermag sich auch in keiner Weise in die Schulklasse zu integrieren. Alle anderen Kinder lieben Fußball – Philip aber bastelt lieber an filigranen Flugmodellen. Als klassischer Außenseiter wird er regelmäßig zum Objekt kollektiver Demütigungen. Erst der finale Auftritt seiner Mutter vermag das Blatt zu wenden.

Der Animationsfilm „Flatworld“ des Engländers Daniel Greaves schließlich wechselt Technik und Plot. Er entführt in eine virtuelle Welt der Zweidimensionalität, wo ein gewisser Matt Phlatt, ein Straßenbauarbeiter, seinen tristen Feierabend mit zwei Haustieren teilt. Der etwas tumbe Kater Geoff und der hinterlistige Zierfisch Chips tragen ständig Streitereien aus, während es Matt nur nach Ruhe verlangt. Als er eines Tages die Hauptleitung des „Informations-Highways“ durchtrennt, verhilft er einem Gangster aus einem der zahllosen Fernsehkanäle zur Flucht nach „Flatworld“. Fortan vermischen sich die Realitätsebenen. Matt und seine Haustiere sowie der Ganove liefern sich quer durch alle Unterhaltungsprogramme eine wilde Verfolgungsjagd. Die Fernbedienung wird zur gefährlichsten Handfeuerwaffe.

Wenn auch die Kombination der drei Filme nicht unbedingt ideal erscheint („Flatworld“ schlägt in jeder Hinsicht andere Töne an als die beiden irischen Kurzspielfilme), wohnen jedem Beitrag eigene Qualitäten inne. Während die Iren auf überhöhte und wundervoll schwarzhumorige Weise das Ausgeliefertsein des einzelnen an eine feindliche Umwelt thematisieren, verlegt sich der Engländer Greaves auf eine Persiflage der Informationsgesellschaft. Wie in Peter Hyams mißlungenem Spielfilm „Stay Tuned“ (fd 30 199) wird hier die schöne, neue Medienwelt (wenn auch weitaus gelungener) als heimatloses Informations-Patchwork vorgeführt. In „The Life Of Reilly“ und „35 Aside“ werden die Akzeptanz klassischer Identifikationsmuster hinterfragt und existentielle Erfahrungen angesprochen, überhöht und parodiert. „You’ll Never Walk Alone“, der Titel des Programms, bezieht sich auf einen Song, der in „35 Aside“ zu hören ist. Darin liegt vielleicht der verbindende, gleichzeitig tröstende Nenner der Kurzfilm-Anthologie. Sehenswert ist diese allemal.
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