Batmans Rückkehr

Action | USA 1991 | 126 Minuten

Regie: Tim Burton

Batman, der Retter von Gotham City, im Kampf gegen die Allianz eines korrupten Großindustriellen mit dem Pinguin, der monströsen Ausgeburt einer selbst geschaffenen arktischen Unterwelt. Der Film verlagert das Schwergewicht auf die Aufdeckung der nachfreudianischen Realität der Cartoon-Figuren und ihres Verhaltens. Die opernhafte Inszenierung bedient sich eines cartoonhaft pointierten Designs, das seine gigantischen Entwürfe dem Expressionismus, Kubismus und der Nazi-Kunst entlehnt. Die Perspektive des Regisseurs überlagert die genreübliche Action und versucht die Comic-Charaktere psychologisch zu vertiefen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BATMAN RETURNS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Warner Bros.
Regie
Tim Burton
Buch
Daniel Waters
Kamera
Stefan Czapsky
Musik
Danny Elfman · Siouxsie and the Banshees
Schnitt
Chris Lebenzon
Darsteller
Michael Keaton (Batman/Bruce Wayne) · Danny DeVito (Pinguin) · Michelle Pfeiffer (Cat Woman/Selina) · Christopher Walken (Max Shreck) · Michael Gough (Alfred)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Action | Science-Fiction | Fantasy | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Standard Edition enthält keine bemerkenswerten Extras. Die Extras der Special Edtion (DVD & BD) umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs sowie die Dokumentation "Shadows of the Bat: Die Kino-Saga des schwarzen Ritters" Teil 4 (30 Min.). Die Special Edition (2 DVDs) ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Warner (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.), Special Edition: Warner (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt., dts engl.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 1.78:1, DTrueHD engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Der gigantische Kassenerfolg seiner "Batman"-Verfilmung (fd 27 905) hat Tim Burton den Weg zu einem noch wesentlich persönlicheren, eigenständigen Film geebnet. "Batmans Rückkehr" hat ebenso viel und ebenso wenig mit der klassischen Cartoon-Vorlage zu tun wie Ridley Scotts "Blade Runner" (fd 23 689) mit dem traditionellen Science-Fiction-Roman. Beide Filme sind düstere Visionen apokalyptischer Machtverhältnisse vor dem Hintergrund eines Action-Musters, den Blick weitend und schärfend für völlig andere Perspektiven, im Falle von "Batmans Rückkehr" für ein nachfreudianisches Pandämonium gespaltener Persönlichkeiten. Schon Burtons erste Gehversuche als Zeichner in den Disney-Studios offenbarten seinen Hang zu schwarzen, depressiven Geschichten und Darstellungen. Sein erster (experimenteller) Film, den das Studio produzierte, war die Story eines Kindes, das sich in seinen morbiden Phantasien in die Rolle des Horror-Stars Vincent Price versetzt ("Vincent"). Sein nächster Film, der in den USA inzwischen wenigstens auf Videokassette erhältliche, knapp halbstündige "Frankenweenie", variiert ein ähnliches Thema, den Boris-Karloff-Klassiker "Frankenstein".

"Batman", seine Figuren und Symbole haben längst so viel kommerzielle Eigenständigkeit entwickelt, daß es kaum noch etwas auszumachen scheint, wie weit sich der Regisseur vom populären Vorstellungsbild der Charaktere entfernt. Die Merchandising-Maschinerie überflutet das Land mit Batman-Waren, unterstützt von einer Publicity-Kampagne so ungeahnten Ausmaßes, daß die tatsächliche Beschaffenheit des Films überhaupt nicht mehr zählt. Die hochstilisierte Kultfigur relativiert alle ästhetischen Schwierigkeiten, die ein Großteil des Publikums mit Tim Burtons kafkaesker Interpretation haben muß, zur puren Bedeutungslosigkeit. Ein Kritiker schrieb angesichts dieses Phänomens, es komme ihm vor, als habe Ingmar Bergman die "Addams Family" (fd 29 335) inszeniert und damit einen Riesenerfolg beim amerikanischen Publikum.

Der Vergleich hinkt, denn Bergman war stets ein großer Geschichtenerzähler. Und nicht einmal die erzählte Geschichte spricht für den Erfolg von "Batmans Rückkehr". Der Film hat so gut wie gar keine Geschichte. Er klaubt vielmehr, unbekümmerter noch als der Vorgänger, Bestandteile der klassischen Cartoons zusammen und wirft sie den Zuschauern als Brocken vor, von denen ohnehin jeder weiß, was sie symbolisieren und wie die Story aussehen würde, falls sie wirklich erzählt würde. Wie recht er hat, dieser Tim Burton! Warum eine Geschichte in all ihren banalen Details ausbreiten, wenn man ohnehin im voraus weiß, nach welchen Klischees der Serie sie sich zusammensetzt. Doch wer hätte jemals gewagt, einem Hollywood-Studio für seine 65 Mio. Dollar die Spekulation mit der Intelligenz des Publikums anzubieten, hinter kargen Schlagworten die Genre-Geschichte selbst weiterzuspinnen und sich statt dessen zwei Stunden lang mit den psychologischen Untiefen der Figuren zu befassen!

Ein Genre-Film und doch kein Genre-Film. Ein Film, der die Routine unterläuft, der Hollywoods Massenkultur und Massen-Marketing dazu benutzt, eine individuelle Vision zu inszenieren: die uralte Geschichte von den "zwei Seelen in des Menschen Brust", versteckt hinter den werbewirksamen Figurationen des Batman, der Cat Woman und des monströsen Pinguins. Es sind diese drei Varianten des menschlichen Schicksals, die Tim Burton faszinieren und denen er sich mit mehr Hingabe widmet als den Verfolgungsjagden und Superman-Tricks. Die alles auslösende Story vom machtbesessenen Großindustriellen Max Shreck versinkt daneben in Belanglosigkeit. Batman ist der Rächer der Enterbten, der hilfreiche Engel der Unterdrückten, doch um etliche Nuancen melancholischer, verletzbarer, sich selbst in Frage stellender als im ersten Teil. Cat Woman ist die in ihrer Fraulichkeit und in ihrer Intelligenz gleichermaßen unsichere und von ihrer Umwelt mißhandelte Frau, die ihre zutiefst verborgenen Frustrationen im kaschierenden Gewand des märchenhaft verwandelten Katzenwesens ausspielen darf. Und der Pinguin, dem augenscheinlich Burtons größte Aufmerksamkeit zufällt, ist die tragische Inkarnation des mißratenen und mißhandelten Kindes, das sein Leben lang durch Macht- und Gewaltausübung eine Spur der Anerkennung zu erringen versucht, die ihm versagt geblieben ist; er ist eine hypertrophe, gleichermaßen furchterregende, lächerliche und bemitleidenswerte Abart des Monsters, das nur durch Liebe erlöst werden könnte.

Während der Dreharbeiten hat der wortkarge Tim Burton einem Reporter eingestanden, daß sein einziges Interesse an diesem Film darin liege, die nachfreudianische Realität der Cartoon-Figuren aufzudecken, die einer neuen Generation von Comic Books eigen ist, ihre Psychologie und ihre Komplexitäten zu erforschen, statt sich damit aufzuhalten, dem Publikum zu zeigen, wie kantig ihr Kinn ist. In einem kinematografischen Umfeld von geradezu opernhafter Dimension ordnet er den Charakteren cartoon-üblich simplifizierte Kunstwelten zu. Mit einem neuen Produktionsdesigner (Bo Welsh) an der Seite ging Burton daran, die seinerzeit von dem inzwischen verstorbenen Engländer Anton Furst kreierte Atmosphäre des ersten "Batman"-Films völlig neu zu entwerfen. Erhalten blieb der Rückgriff auf den deutschen Expressionismus für Batmans Wirkensbereich, das gigantische Gotham City. Doch bereits hier sind Unterschiede deutlich wahrnehmbar. Die Stadtkulisse ist weit weniger klar strukturiert. Die einengenden Wolkenkratzer nehmen abstrakteres Aussehen an, lösen sich oftmals in Bündel bedrohlicher vertikaler Linien auf, zwischen denen kein Platz zum Atmen mehr bleibt, verwandeln sich in finstere Canyons, an deren Schluchtboden sich winterliche Slums ausbreiten - Metapher für das heutige Amerika und für das Gefühl einer endgültig zu Ende gehenden amerikanischen Kultur. In diesem Umfeld macht Batman, wie Tim Burton ihn sieht, Sinn. Er steht für Gerechtigkeit und Hoffnung, die mehr und mehr ihren Platz verlieren, glaubwürdig in seinen (gelegentlich fast in apathische Routine vorgetriebenen) melancholischen Zügen, ebenso glaubhaft aber aus jeder Resignation aufgeweckt angesichts der Unmenschlichkeit, als deren Repräsentant der vor nichts zurückschreckende Max Shreck hinter die Erfindung einer optischen Nazi-Kulisse zurücktritt. Anleihen bei der faschistischen Architektur des Dritten Reiches, aber auch bei den harten Konturen und unpersönlichen Oberflächen im Werk eines Charles Sheeler setzen die Markierungen für eine visuelle Darstellung von Gier, Korruption und gewissenloser Machtausübung.

Cat Woman und Pinguin wirft Burton nicht einfach in dieselbe Umgebung. Mit viel Phantasie schaffen er und sein erfindungsreicher Designer eigene Welten für sie. Der Hyper-Realismus von "Edward mit den Scherenhänden" (fd 28 836), bei dem beide ebenfalls zusammengearbeitet haben, und ein anarchisches Unterweltreich von Fellinischen Ausmaßen komplettieren die optische Vision. Cat Woman kommt aus einem mit puppenhaften Miniaturen, mit kleinbürgerlichem Nippes und Plüschtieren angefüllten Privatbereich, der sich neben der gotischen Gigantomanie der Gotham Plaza zwergenhaft ausnimmt. Der Pinguin, als körperlich verunstalteter Säugling von seinen lieblosen bourgeoisen Eltern in den Abwässern der Stadt ausgesetzt, hat sich als Herr und Meister der Pinguine einen unterirdischen arktischen Dom gebaut, der auf seine Weise mit der "realen" Welt konkurrieren kann, dessen "Unmenschlichkeit" seinen Herrn aber um so deutlicher ins Kreaturenreich verweist. Während Burton seiner Cat Woman noch spielerische Ambitionen gönnt, zeichnet er den Pinguin als tragische Figur klassischen Vorbilds, nicht zuletzt zum Ausgestoßenen und zum Außenseiter geworden durch seine von Geburt verunstalteten Hände (abermalige Parallele zu "Edward mit den Scherenhänden"). Wenn der Pinguin nach seinem fehlgeschlagenen Versuch, Bürgermeister von Gotham City zu werden, in herzzerreißender Verzweiflung ruft: "Ich bin kein menschliches Wesen, ich bin ein Tier!", dann kulminiert darin die Tragik einer zum Bösen gezwungenen Figur, deren Dimensionierung weit über die Cartoon-Vorlage hinausgeht.

Tim Burton versucht, sein Publikum nicht ganz zu enttäuschen. Doch auch die Action-Szenen des Films sind noch angefüllt mit Irritationen, Schöpfungen der Cartoon-Phantasie, die eine Funktion in der düsteren Weltuntergangsoper einnehmen, die Burton keine Minute lang zu inszenieren aufgibt: die Fortbewegungsmaschine des Pinguins in Gestalt einer riesigen bunten Ente oder die Totenkopf-Clowns, die aus einem überdimensionalen Weihnachtsgeschenk herausexplodieren. "Batmans Rückkehr" ist wie eine Weltausstellung der Effekte, alter und neuer, und der Archetypen der Cartoon-Vorlage, in deren beständig wechselnder Szenerie den hinter den Masken versteckten Darstellern bezeichnenderweise die sensibelste Aufgabe zukommt, die man sich für einen Film dieses Typs vorstellen kann: dämonisierte Figuren zu entdämonisieren. Es ist die Reflexion über die Bosheit, über humanes und inhumanes Verhalten, über die faschistoide Beherrschung der Massen, die Burtons Film von vergleichbaren Produktionen unterscheidet. Er hält sich dabei an die Gesetze des Cartoons, an die grotesken Überzeichnungen, an die ebenso simple wie suggestive Plakativität der Situationen und an die serielle Eskalation elementarer Gefühle. Bei aller angestrebten "Tiefgründigkeit" verläßt er nicht die naive, vereinfachende Konzeption des Genres, verleiht seiner psychologisierenden Betrachtungsweise jedoch unüberseh- und unüberhörbaren Nachdruck durch die opernhafte Inszenierung, durch die Symbollastigkeit des Designs und die emotionale Kalkuliertheit einer der besten Filmmusiken der jüngsten Zeit. Was letztlich jedoch an diesem zweiten "Batman" am meisten fasziniert, ist die Unbekümmertheit, mit der Tim Burtons Entwurf die Erwartungen und Spielregeln Hollywoods unterläuft, ohne mit dem System ernstlich in Konflikt zu geraten.
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