Die Kompositionen von John Williams prägen seit Jahrzehnten das Hollywood-Kino und werden auch jenseits der Leinwand rezipiert. In der Zusammenarbeit mit der Geigerin Anne-Sophie Mutter entstand das Album „Across the Stars“, das bekannte und weniger bekannte Melodien auf staunenswerte Weise neu zugänglich macht.
Ein neuerliches Best of „Star Wars“? Der Titel dieser Kompilation „bester“ Filmmusiken vom vielleicht anerkanntesten aller noch lebenden Filmkomponisten, John Williams, scheint das anzudeuten. „Across the Stars“ referiert auf das Liebesthema aus „Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger“ – süßliche Klänge, die mehr an das gold-romantische Kino der 1940er-Jahre erinnern als an Todessterne und Schlachten im All.
John Williams, aus dessen Feder etliche beliebte, bekannte, berühmte, „Oscar“-gekrönte Melodien stammen, ist untrennbar verbunden mit dem Abenteuerkino von George Lucas und Steven Spielberg, mit dem Sternenmarsch, „E.T.“, dem „Weißen Hai“ und „Indiana Jones“. Alles Themen, die auf keiner Williams-Anthologie im Bereich Filmmusik – oder neudeutsch „New Classic“ – fehlen. Das Album „Across the Stars“ setzt nichtsdestotrotz andere Akzente, auch wenn vier der insgesamt zwölf Tracks ganz im Zeichen der Sterne stehen.
Ein
Treffen zweier Ausnahmekünstler auf Augenhöhe
Anne-Sophie Mutter, die vielleicht anerkannteste der noch lebenden ViolinvirtuosInnen, gibt sich die Ehre. Oder ist es doch umgekehrt? Wer hier wem eine Ehre erweist, bleibt offen. Das Treffen Williams/Mutter ist eines auf Augenhöhe. Die Solistin outet sich im Booklet-Text als bedingungsloser Fan – und umgekehrt. Sie hat gefragt und John Williams hat geliefert. Der bereits 87-jährige Maestro hat sich zwölf Stücke aus dem eigenen unsterblichen Repertoire noch einmal vorgenommen und sie speziell für Violine und Orchester neu arrangiert.
Das, was da entstanden ist, könnte man als Wunder bezeichnen; ein Wunder der Symbiose, in der sich die Eigenschaften zweier einzigartiger Künstler vereinen und in der Fusion so viel mehr entsteht als die Summe beider Teile. Der Filmmusikbetrieb darbt schon länger innovationslos zwischen Blockbuster-Events – Stadien füllenden „Herr der Ringe“-, oder Hans-Zimmer-Konzerten einerseits sowie verstohlenen Nummernrevuen im Abokonzert-Betrieb andererseits. Es fehlte der Götterfunke, und der ist mit dieser Kollaboration gezündet.
Eine
Auswahl, die Überraschungen bereithält
Dafür, dass das Album nicht nur eine weitere Kompilation von Williams’ bekanntesten Melodien wird, hat unter anderen Mutters Ex-Ehemann André Previn gesorgt, der sich in den Auswahlprozess der Stücke mit eingeklinkt hat und unter anderem für die Wiederentdeckung des „Dracula“-Scores von 1979 verantwortlich zeichnet. Das auf der CD präsentierte Stück ist ein im Vergleich zum Liebesthema aus „Star Wars: Angriff der Klonkrieger“ nicht minder romantisches, aber in Sentenzen so dezent gebrochenes, morbides musikalisches Kleinod, dass es sich tatsächlich als Musik „nicht von dieser Welt“ erweist.
Als mystisch, überirdisch und nur in zarten Ansätzen aus dem Morgenland entsprungen, erklingt außerdem „Sayuri’s Theme“ aus „Die Geisha“ von 2005; ebenfalls ein selten zu hörender Score. Genauso wie etwa die orchestrale Stampede aus „In einem fernen Land“ (1992) oder das unendlich wehmütige „Nice To Be Around“ aus Mark Rydells „Zapfenstreich“ von 1973 – eine absolute Rarität.
Neues
Konzert-Leben für bekannte Melodien
Ist der Rest nun allzu Bekanntes? Ja und nein. Zwar mischen sich Evergreens von „Harry Potter“ bis „Schindlers Liste“ unter die Auswahl, aber so bekannt das ein oder andere Stück vom Namen her auch sein mag: gehört hat man es so noch nie. Die besagte Mutter-/Williams-Symbiose macht aus Bewährtem Einzigartiges: Williams hat sich gefühlt jede einzelne Note der Partituren noch einmal vorgenommen und sie auf Konzertsaaltauglichkeit überprüft. Entstanden sind so drei- bis sechsminütige Variationen, besser: Dekonstruktionen des Bekannten.
Anne-Sophie Mutter greift das Angebot des Komponisten dankbar auf und kreiert mit mutigem, wunderbarem Spiel wahrhaftiges Konzertfeeling. Williams sorgt mit seinen Arrangements und seinem Dirigat dafür, dass trotzdem der Geist seiner Scores erhalten und die Seele der Musik unangetastet bleibt. So ist jeder Track ein Hörabenteuer der besonderen Art, aus dem selbst die leicht abgenutzten Heldenmelodien aus „Star Wars“ lebendiger denn je hervorgehen.
Diskografischer Hinweis:
Across the Stars. John Williams (Komponist, Dirigent), Anne-Sophie Mutter (Violine). The Recording Arts Orchestra of Los Angeles. 12 Tracks, Deutsche Grammophon
Fotos: Deutsche Grammophon © Prashant Gupta