Drama | USA/Großbritannien/Frankreich 2015 | 119 Minuten

Regie: Todd Haynes

Eine Liebesgeschichte über Geschlechter- und Klassengrenzen hinweg: Im New York der frühen 1950er-Jahre begegnet eine Kaufhausangestellte einer eleganten älteren Frau aus gehobenen Verhältnissen, die mitten in ihrem Scheidungsprozess steht. Als der gekränkte Ehemann die Liaison seiner Frau benutzt, um vor Gericht das alleinige Sorgerecht zu erwirken, wird die Beziehung der beiden Frauen auf eine harte Probe gestellt. Das künstlerisch herausragende, ebenso elegant wie präzis inszenierte Drama erzählt von einer lesbischen Liebe in einer restriktiven Gesellschaft, wobei sich das Begehren im subtilen Zusammenspiel von Kostüm, Ausstattung, Raum, Objekten, von Blicken und Gesten artikuliert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CAROL
Produktionsland
USA/Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Number 9 Films/Film4/Killer Films
Regie
Todd Haynes
Buch
Phyllis Nagy
Kamera
Edward Lachman
Musik
Carter Burwell
Schnitt
Affonso Gonçalves
Darsteller
Cate Blanchett (Carol Aird) · Rooney Mara (Therese Belivet) · Sarah Paulson (Abby Gerhard) · Kyle Chandler (Harge Aird) · Jake Lacy (Richard)
Länge
119 Minuten
Kinostart
17.12.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm | Literaturverfilmung | Weihnachtsfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
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Todd Haynes verfilmt Patricia Highsmiths Romans "The Price of Salt". Mit Cate Blanchett und Rooney Mara.

Diskussion
Carol sieht in ihrem schweren cognacfarbenen Pelzmantel fraglos fabelhaft aus. Doch was Eleganz, Luxus und Weltgewandtheit signalisiert, ist gleichzeitig eine massive, ungelenke Form, die sich mit dem Wunsch nach Bewegungsfreiheit nur schlecht verträgt. In Todd Haynes' „Carol“, einem auf Patricia Highsmiths Roman „The Price of Salt“ basierenden „Period piece“, ist der Pelzmantel nur eines von vielen „sprechenden“ Accessoires. Im gesellschaftlichen Korsett der frühen 1950er-Jahre, das sich vor allem über Ordnung, Regeln, Etikette und damit über äußere Formen definiert, sind Kleidung, Make-Up und Objekte jedoch nicht nur konstituierende Elemente dieses Systems. Genauso können sie als Träger für Mitteilungen und versteckte Botschaften fungieren oder auch als „Medien“ sinnlicher Aufladungen: ein liegengebliebener Handschuh auf einem Kaufhaustresen als Einladung zu einem Flirt, weiche Texturen und leuchtende Farben als Angebote der Verführung. Bedeutungsvoller sind nur noch Blicke und Gesten, wobei auf diesem Feld die „Überschreitungen“ manchmal kaum auszumachen sind: Was sagt es etwa, wenn Carols Hand vielleicht ein wenig zu lange auf Thereses Schulter ruht oder wenn ein direkter Blick ebenso direkt erwidert wird? Nach „Dem Himmel so fern“ (fd 35 836), einer an den Melodramen von Douglas Sirk angelehnten Genre-Studie, erzählt Todd Haynes ein weiteres Mal von einer Liebe, die mit der zwangsheteronormativen Geschlechterordnung ihrer Zeit, den 1950er-Jahre in New York, in Konflikt gerät. Die Aspekte Klasse und Rasse werden in „Carol“ allerdings ebenso wenig bearbeitet wie die Metafiktion. Haynes setzt die sozialen Unterschiede zwar deutlich ins Bild: Carols herrschaftliches Anwesen mit Hausangestellter und Chauffeur, Thereses kleine, schlecht beheizte Wohnung und nicht zuletzt das Kaufhaus als Schauplatz einer prosperierenden Konsumkultur, in dem sich Angestellten- und Kundschaft noch deutlich als Zweiklassengesellschaft gegenüberstehen. Für die Beziehung von Carol und Therese spielt die Klassendifferenz jedoch eine marginale Rolle. So wird der Raum des Films ganz von der lesbischen Liebesgeschichte zwischen der in Scheidung lebenden Carol und der jungen Kaufhausangestellten und angehenden Fotografin Therese eingenommen. Zwar treiben die gesellschaftlichen Sanktionen den Plot voran, wenn der gekränkte Ehemann einen Privatdetektiv auf Carol und Therese ansetzt, um seine Frau mit der Erstreitung des alleinigen Sorgerechts für die gemeinsame Tochter zu bestrafen. Im Zentrum steht jedoch die Beobachtung eines Begehrens, das sich durch die Fassade einer überaus kontrollierten, auf Seiten Carols mitunter sogar vergletscherten Körpersprache langsam und vorsichtig seinen Raum bahnt. Das Bild spielt bei dieser beiderseitigen Emanzipationsbewegung eine entscheidende Rolle. Denn anstelle der geschlossenen, glatten Oberflächen, mit denen Kino und Fernsehen so gerne von den Restriktionen der 1950er-Jahre erzählen, sind die Bilder in „Carol“ bei aller Eleganz körnig und porös. Oder anders gesagt: atmungsaktiv. Haynes hat den Film auf 16mm gedreht – eine ungewöhnliche Entscheidung, die aber gerade im Zusammenspiel mit den distanzierenden Rahmungen der vielfach durch Fenster blickenden Figuren – verschmierte, beschlagene, regennasse Fenster – ein interessantes Spannungsverhältnis erzeugt und eine Befreiung der Figuren in Aussicht stellt. Als wichtige Referenz für das visuelles Konzept nennt Haynes die fotojournalistische Fotografie jener Zeit und ihre eher verschmutzte, nebelige Farbpalette – weibliche Positionen wie Vivian Maier und Helen Levitt, aber auch Saul Leiter, der insbesondere durch seine durch Fensterscheiben fotografierten Aufnahmen bekannt wurde. Es gibt wohl kaum einen Filmemacher, der die Affektproduktion bzw. Gefühlsdrosselung der Figuren so präzise und so brillant mit dem Raum, den Kostümen (Sandy Powell), Objekten und der Textur des Bildes vernäht wie Todd Haynes. Manchmal glaubt man geradezu zu spüren, wie sich das Begehren der beiden Frauen sukzessive durch die Bildoberfläche hindurcharbeitet. Eine dramatische Entladung aber bleibt aus; die Körper haben die Zurückhaltung und Kontrolle internalisiert, und der Film folgt ihnen dabei. Selbst wenn Carol und Therese am Ende freie Entscheidungen treffen: Das Bild bleibt fest in seinem Rahmen, nichts gerät aus der Form.
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