Taeko sei nicht wie andere Kinder, hat ihre Mutter einmal gesagt; damals war Taeko gerade zehn Jahre alt, hatte in Mathe mal wieder eine Fünf geschrieben und bockte, als ihr eine ihrer Schwestern Bruchrechnung erklären wollte. Jetzt, 17 Jahre später, kommen diese und viele andere Details aus ihrer Kindheit an die Oberfläche zurück, als die beruflich erfolgreiche Tokioterin jenen Urlaub auf dem Land antritt, den sie schon als Kind gerne gemacht hätte: damals, als die Sommer in der Stadt noch heiß waren und die Straßen so leer erschienen, weil die meisten Kinder mit ihren Eltern in die kühleren Berge geflohen waren. Isao Takahatas Anime aus dem Jahr 1991 ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Film. Der Altmeister des japanischen Trickfilms ist weniger auf fantastische oder actionreiche Elemente versessen; im Gegensatz zu Hayao Miyazaki sind seine Werke von Realismus und Alltäglichkeit geprägt. Während „Die letzten Glühwürmchen“ (1988) ein Musterbeispiel an Trauerarbeit vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges ist, überzeugt „Only Yesterday“ als bewegende Auseinandersetzung mit dem Erwachsenwerden. Taekos Gedanken an das, was ihr wie gestern erschien, bilden das Fundament einer sentimentalen, aber keineswegs kitschigen Liebeserklärung an Land und Leute. In permanenten Rückblenden, die sich kaum voneinander abgrenzen lassen und mitunter zu einer Melange aus Jetztzeit und Vergangenheit verschwimmen, erfährt man von der nicht unbeschwerten Kindheit Taekos. Der Film erschöpft sich jedoch nicht in der Vergangenheit des Jahres 1966, sondern porträtiert eine junge Frau am Wendepunkt zwischen einst und jetzt, zwischen einer unbefriedigenden Karriere und einer noch diffusen Liebe zu einem jungen Bauern. Takahatas stilles Drama ist nicht nur für einen Trickfilm ungewöhnlich ernst und dabei doch spielerisch und weise; auch für ein real verfilmtes Drama hätte es außergewöhnliche Sichtweisen parat. So geht es nicht nur erfrischend beiläufig um Dinge wie sexuelle Aufklärung in der Schule oder das Trauma der ersten Periode; auch auf den ersten Blick scheinbar unvereinbare Dinge wie politische Statements über den bäuerlichen Stand, die Vorzüge ökologischen Landbaus und eine kleine soziokulturelle Einführung in die Geschichte der Färberdistel ergeben ein sinnvolles Ganzes, eine unaufgeregte und doch spannende Geschichte, die zum Ende gar die Dimension einer epischen Liebesgeschichte erreicht. Wenn schließlich aus dem Autoradio des jungen Bauern immer wieder seine Lieblingskassette mit bulgarischer(!) Bauernmusik und Gheorge Zamfirs Panflöte erklingt, erscheint das plötzlich als die natürlichste Sache der Welt. Die zusätzlich zur DVD-Standard-Edition erschienene Deluxe-Ausgabe enthält neben den auf Spielfilmlänge animierten Storyboards u.a. ein 45-minütiges „Making of“. In diesem eindrücklichen Feature erfährt man einiges über das Team Miyazaki/Takahata und wird erstaunlich selbstkritisch über die schwierige Genese des auch für japanische Verhältnisse atypischen Animes informiert.