Der Film nimmt sich Zeit, und mit ihm die Kamera. Um den Swimmingpool des Porno-Regisseurs Jack Horner herum haben sich zahlreiche Gäste in Badekleidung zum lockeren oder auch geschäftlichen Plausch, zum Flirten, Trinken und Koksen eingefunden, und die Kamera nimmt sich, scheinbar willkürlich, einige von ihnen vor. Sie schwenkt von einem Gespräch zum nächsten, ohne dessen Ende abzuwarten, folgt dann einer jungen Frau in Richtung Pool – und taucht mit ihr zusammen ins Wasser ein. Eine symptomatische und einstimmende Szene vom Anfang: So lustvoll und bedingungslos wie hier taucht der Film über weite Strecken ab in die zweite Hälfte der 70er Jahre, jene Zeit, da die Hemden eng und bunt, die Hosenschläge weit waren, die vorherrschende Musik Disco hieß und die wohl blühendste Branche der Unterhaltungsindustrie die Pornografie war. Nicht um die distanzierte Darstellung eines verachteten Filmgenres und seiner Macher geht es dem 26 Jahre jungen Regisseur Paul Thomas Anderson, der hier seinen zweiten langen Film inszeniert hat. Vielmehr zeigt er das Leben von Menschen in einer Art Parallelwelt, außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, die allerdings fast nie als Kontrastmittel zu sehen ist, außer in einigen drastischen Äußerungen von Verachtung. Vielmehr wirkt vieles von dem, was die Porno-Gemeinde vorlebt, insbesondere im Rausch der ersten großen Erfolge, wie die Verwirklichung auch der bürgerlichen Träume von einem Leben in Libertinage, welches die 70er stets propagierten: Nach dem Gewaltakt des Aufbruchs in den 60ern verschrieb man sich nun dem Hedonismus, den neu gewonnenen sexuellen Freiheiten, den weithin akzeptierten Drogen aller Art, kurz: der Selbstverwirklichung auch in vormals tabuisierten Formen. All diese Themen werden zunehmend zu Fluchtpunkten des Drehbuchs; das Szenario des Pornogeschäfts erscheint als Folie für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Zeitgeist, der sich keineswegs auf den Schauplatz Los Angeles beschränkte.So wie Robert Altman seit Ende der 60er Jahre seine Figuren stets als Ensemble, als Kollektiv begriff und als solche auch darstellte, in Gruppenbildern und mit Hilfe seines berühmten Mehrtonspurverfahrens, so versetzt sich Anderson mit ähnlichen filmischen Mitteln zurück in diese Zeit, Split Screen und Ringblenden inklusive. Aber die Beiläufigkeit hat Methode und Raffinesse; zugleich verweigert sich der Film sämtlicher melodramatischer oder auch komödiantischer Effekte, hat dennoch Gefühl und Witz. Auf die stilistische Annäherung folgen die entsprechenden Bildinhalte. Eddie alias Dirk Diggler, die jugendliche Hauptfigur auf dem Sprung zum Top-Star der Branche, versetzt sich vor Bruce-Lee-Postern in die Posen des Kung-Fu-Helden; sein Teamkollege Buck Swope schwört auf die Segnungen der neuen High Fidelity und gibt sich, für einen Schwarzen eher ungewöhnlich, das Outfit eines Countrysängers; Eddies Wegbegleiter Scotty J. wird mit ihm zusammen sogar zum Actionstar in modischen Serienkrimis, die allerdings als Vorwand für die Sexszenen dienen; und die Ausstattung insgesamt berauscht sich an all dem Schnickschnack, den sich Neureiche damals zusammenzukaufen pflegten. Dazu läuft fast unablässig die Pop- und Tanzmusik jener Zeit, fast immer dramaturgisch sinnvoll eingesetzt; man vermißt kaum einen Hit aus den Jahren zwischen 1977 und 1983, die der Film umfaßt.Aufstieg und Fall eines Pornodarstellers, so läßt sich der Film inhaltlich zusammenfassen, viel mehr passiert nicht an äußerer Handlung. Anderson macht für Eddies Fall nicht einmal das soziale Umfeld verantwortlich, sondern eher Kokainsucht und Größenwahn. Gegen die Hölle, die Eddie (überzeugend: Mark Wahlberg) daraufhin als verkrampfter Drogendealer durchlebt, ist sein früheres Leben, in dem die Pornofilmer als Ersatzfamilie fungierten, geradezu ein Paradies. Gleiches gilt für die mütterliche Amber (gespielt von der sehr wandelbaren Julianne Moore): Ihre Drogensucht ist es, die sie zu zerstören droht; ihr Beruf wird erst ruchbar, als sie das Sorgerecht für ihren Sohn zurückfordert. Auch die anderen Darstellerkollegen suchen alsbald verzweifelt nach einem Leben außerhalb der Branche, was ihnen zunächst verwehrt wird. Jack Horner bleibt zwischen all dem Chaos, das seine Schäfchen anrichten, der ruhende Pol, die Stimme der Vernunft. Einen Film, für den man sich an ihn erinnert, will er machen, mehr nicht – an Burt Reynolds in dieser Rolle wird man sich sicher erinnern. Und die Pornografie? Es dauert lange, bis das Publikum Zeuge der ersten Dreharbeiten wird, und das auf sehr diskrete Weise. Bis dahin und auch danach dreht es sich vor allem um allzu Menschliches. Daß auch Pornoproduzenten Menschen sind, ist eine Binsenweisheit, die die Branche keineswegs in Schutz nimmt. Aber es vereinfacht einen ungetrübten Blick auf sie.