Ein fiktiver Dokumentarfilm über die letzte Tournee einer kanadischen Punk-Rock-Band. Durch Interviews, Konzertmitschnitte und Alltagsbeobachtungen erschließt sich das umfassende Bild einer Gruppe, die unausweichlich ihrem Untergang entgegensteuert. Ein ebenso mißreißender wie interessanter Film, der von der Fabulierlust seines Regisseurs und der unbändigen Spielleidenschaft seiner Darsteller zeugt. Ein kleines Filmerlebnis über Freundschaft und Treue, über Träume und Visionen und den Verrat von Lebensplänen. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 16.
Hard Core Logo
Literaturverfilmung | Kanada 1996 | 92 Minuten
Regie: Bruce McDonald
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Filmdaten
- Originaltitel
- HARD CORE LOGO
- Produktionsland
- Kanada
- Produktionsjahr
- 1996
- Produktionsfirma
- Ed Festus Prod./Shadow Shows
- Regie
- Bruce McDonald
- Buch
- Noel S. Baker
- Kamera
- Danny Nowak
- Musik
- Schaun Tozer
- Schnitt
- Reginald Harkema
- Darsteller
- Hugh Dillon (Joe Dick) · Callum Keith Rennie (Billy Tallent) · Bernie Coulson (Pipefitter) · John Pyper-Ferguson (John Oxenberger) · Julian Richings (Bucky Haight)
- Länge
- 92 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Literaturverfilmung | Mockumentary
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Die "Hard Core Logos", eine in die Jahre gekommene kanadische Punkrock-Band, machen nach Jahren des Vorruhestandes noch einmal mobil. Eine fünftägige Benefiztournee zugunsten des ehemaligen Mentors, der bei einem Konzert niedergeschossen wurde, ist der ideelle Hintergrund. Persönlich geht es darum, die alten Träume zu hinterfragen, Rebellion und Ekstase noch einmal zu erleben. Die Musiker werden in fünf Tagen 3000 Meilen zurücklegen, 764 Gallonen Sprit verbrauchen, 987 Flaschen Bier picheln, 3457 Zigaretten paffen, einen Horrortrip überleben und am Ende doch vor den Scherben ihrer Visionen stehen. Die Revolution, auch die musikalische, frißt eben ihre Kinder, und wenn nicht - dann weht der eisige Atem des Systems durch ihre Gehirne, bläst die Träume fort.Diese Entwicklung dokumentiert Bruce McDonalds Film, der die Band persönlich auf ihrer Tour begleitete. Stets ist das Filmteam hautnahe dabei, protokolliert die Auftritte, zieht sich die schmerzhaft lauten Songs rein, wird Augenzeuge der haarsträubenden Tournee-Erlebnisse, der Regisseur darf schon mal am Joint ziehen, Leute von der Straße werden zum Revival-Event befragt. Kurzum ein klassischer Dokumentarfilm, der die Form der Dokumentation neu ausformuliert; die Sache hat nur einen Haken: die "Hard Core Logos" hat es nie gegeben. Bruce McDonalds vierter Film ist reine Fiktion, spielt mit verschiedenen Filmformen und bringt alle auf perfekte Weise unter einen Hut. Die Popgeschichte kennt eine Menge Stories, die so oder ähnlich verlaufen: Verrückte Typen, die sich Frauen und Zigaretten teilen, literweise Bier in sich hineinkippen, sich streiten und versöhnen, die - im Extremfall - sich und andere umbringen - im Suff, im Drogenrausch - aus nichtigem Anlaß.Auch "Hard Core Logo" steuert auf eine solche Katastrophe zu. Die Köpfe der Band, Joe Dick, der Leadsänger, und Billy Talent, der Mann, der aus vier Akkorden nicht nur ein Lied machen kann, sondern auch eine Philosophie gemacht hat, haben sich längst auseinander entwickelt. Während Joe noch an Punk als Lebenshaltung glauben möchte, ist Billy, nach außen hin immer noch der Rebell, längst auf einem anderen Trip. Er will mit seiner Musik endlich Geld verdienen und steht mit einem Plattenlabel in Verhandlungen, die zwar an ihm und seiner Musik interessiert ist, die restlichen Bandmitglieder allerdings sollen für diesen Erfolg über die Klinge springen. Noch überlegt Billy, doch die Tournee-Tage, in denen sein bisheriges Leben gleichsam Revue passiert, werden die Entscheidung herbeiführen. Am Ende wird es eine heftige Aussprache geben und ein letztes Konzert. Joe wird seine ganze Verachtung für den Verräter in seinen letzten Song packen und voller Haß Billys Worte singen, er wird Whisky trinkend über die Bühne taumeln, Billys geliebte Gitarre zertrümmern, sich eine Schlägerei mit dem ehemaligen Freund liefern. Am Ende wird es einen Punkmusiker weniger auf der Welt gehen. Kugel im Kopf. Schluß. Aus. Düster. Punk!Wer Bruce McDonalds Filme kennt, dem wird es nur folgerichtig erscheinen, daß er sich endlich der Rockmusik als filmischem Sujet zugewandt hat. Bisher lebten seine Filme von der Vielzahl der Rocktitel, die der kanadische Regisseur stets sinnvoll in seine Handlungen einbinden konnte. Nun ist die Musik einmal nicht um den Film drapiert, sondern die Musik ist die eigentliche Seele, die Bilder erzählen eine Geschichte über sie und über Menschen, denen sie mehr ist als eine Aneinanderreihung mehr oder weniger gelungener Töne. Eine folgerichtige Entwicklung im Schaffen des Kanadiers. Und wer Bruce McDonalds verrückte, bizarre, rabenschwarze, ein wenig schrille Filme mag, der wird sich in "Hard Core Logo" gut aufgehoben fühlen. Musikalisch und filmisch geht die Post ab, da werden weder Ohren noch Augen geschont. Schnell und laut rasen die "Logos" ihrem Ende entgegen, McDonald beschreibt Leben im freien Fall, versucht, authentisch und ehrlich zu berichten.Das steht keineswegs im Widerspruch zu der Tatsache, daß sein Film ein "fake", ein Betrug, ist. Jede Dokumentation einer tatsächlichen Band hätte im günstigsten Fall weniger gebracht, hätte bestenfalls nacherzählen, rekonstruieren und mit Archivbildern argumentieren können, wäre nie so auf der Höhe des Geschehens gewesen wie McDonald und sein Team, dem am Ende sogar das Glück des allerletzten Bildes zuteil wird. Und die Geschichten, die erzählt werden, sind keineswegs erfunden, sie füllen Klatschspalten oder ganze Zeitungen, werden hier endlich einmal gebündelt. Und Freundschaft und Treue und die Möglichkeit Träume zu leben oder sie zu verraten, diese Themen sind nicht nur auf das Musikgeschäft beschränkt, auch wenn in diesem meist schillernden Metier einiges entschiedener auf den Punkt gebracht werden kann. Ein faszinierendes Filmerlebnis, das Fiktionales im Tatsächlichen ansiedelt, den Zuschauer lange Zeit an der Nase herumzuführen versteht und doch so viel Kluges zu berichten weiß, inszeniert mit einer Haltung, die voller Spott und Boshaftigkeit auf ihre Geschichte blickt, die zugleich aber auch die Liebe zu den erfundenen Lebensgeschichten signalisiert, die mit Häme, aber auch mit Humor vorgestellt werden. Daß dieses Konzept aufgeht, ist neben der unbändigen Fabulierlust und der überzeugenden Montage in erster Linie den Darstellern zu verdanken, die in ihren Rollen und in ihrer Musik aufzugehen scheinen. Sie sind gewiß nicht frei von Klischees, aber gerade darum funktioniert die Geschichte auch so gut, die Mythen der Popmusik bestehen zumeist aus Klischees, übernommenen, abgewandelten oder neu erfundenen, die durch ein geschicktes Managment erst noch etabliert werden müssen, um als Mythen anerkannt zu werden.Ist "Hard Core Logo" der beste Film über Rockmusik und Mythen, dann folgt ihm Rob Reiners "This is Spinal Tap" (fd 25 182), die Geschichte einer Heavy Metal Band, auf dem Fuße. Auch dieser Dokumentarfilm ist frei erfunden und Lüge. Vielleicht kann man sich diesem Metier nur mit einer Fälschung, die die Wahrheit zeigt, wirklich nähern?
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