Im Umfeld immer gewalttätigerer, immer spekulativerer Filme muss man sich schon etwas einfallen lassen, um das einschlägige Publikum anzulocken und nicht zu enttäuschen. „Sieben“ von David Fincher kann für sich in Anspruch nehmen, den bisherigen Gipfel krankhafter Fantasie erklommen zu haben, was ihm an US-amerikanischen Kinokassen mit hohen Umsätzen gedankt wird. Auf der Ekel-Skala zeitgenössischer Actionfilme erreicht der Thriller mühelos eine Zehn.
Gewaltvoll-brutale Verbrechen
Man staunt, was sich der kaum dreißigjährige Autor Andrew Kevin Walker ausgedacht hat. In einer unidentifizierten US-Großstadt beginnt eine Serie von Mordfällen, die Polizei zu irritieren. Die Opfer haben offensichtlich in der Reihenfolge der sieben Todsünden ihr Leben lassen müssen. Da mästet der psychopathische Täter zum Beispiel einen Fettleibigen so lange, bis ihm der Magen platzt und die Adern aus der Haut hervorquellen. Oder er zwingt einen Juristen, sich selbst ein Pfund Fleisch aus dem Körper zu schneiden, auf dass er anschließend langsam verblute.
Wem beim Lesen schon unwohl wird, der verzichte besser auf einen Kinobesuch, denn das wird nicht nur in wiederholten Großaufnahmen ausgebreitet, sondern kommt auch durchaus noch schlimmer.
Im diffusen Schein der Taschenlampe
Der Commercial-erprobte Regisseur David Fincher rafft sein ganzes Talent zusammen, um aus der unappetitlichen Story einen Kultfilm zu machen. Sein Hang zu pittoresker, unheilgeschwängerter Dunkelheit geht so weit, dass er den Protagonisten nicht einmal gestattet, irgendwo das Licht einzuschalten. Im diffusen Schein von Taschenlampen kann man sich so schön gruseln! Draußen gießt es unaufhörlich in Strömen, und abgesehen von der Schlussszene wird es eigentlich nie richtig hell. In diesem artifiziellen Zwielicht tappen die beiden Hauptfiguren wortwörtlich im Dunkeln und dürfen froh sein, wenn sie durch Zufall gelegentlich auf ein Indiz stoßen.
Der kurz vor der Pensionierung stehende Polizeileutnant Sommerset (Morgan Freeman) und der junge Import-Detektiv Mills (Brad Pitt) debattieren denn auch mehr über Dante und Chaucer und versuchten, den kranken Eingebungen des Täters in (ebenfalls wieder schön schummerigen) Bibliotheken auf die Spur zu kommen. Die Darsteller tun ihr Bestes, die finstere Geschichte interessant zu machen, und Fincher gelingt auch schon mal eine optisch virtuose Verfolgungsjagd, der man den Beifall nicht versagen kann.
Ein höchst origineller Vorspann
Doch ob dieser sadistische Voyeurismus dem entspricht, was man von Kinounterhaltung erwarten sollte, steht erheblich in Zweifel. Auch das kleine Meisterwerk eines originellen Titelvorspanns rechtfertigt kaum die von Küchenschaben, abgetrennten Körperteilen und verrottenden Stadtwohnungen geprägte Handlung als Vorwand für „ein paar schöne Stunden“. Autor und Regisseur aber werden vielleicht ja einwenden, dass das Ganze als Allegorie auf den allmählichen Ruin menschlicher Zivilisation gemeint sei.