Dokumentarfilm | Schweden/Dänemark 2024 | 95 Minuten

Regie: Filip Hammar

Der schwedische Regisseur Filip Hammar möchte die Lebensgeister seines alten Vaters wiedererwecken. Deshalb unternimmt er mit ihm noch einmal die Ferienreise an die französische Riviera, die ihre Familie einst jährlich machte, und gestaltet den Aufenthalt genauso wie früher. Die Reaktionen des Vaters reichen dabei von Amüsement bis zu emotionaler Überforderung. Der Dokumentarfilm bewegt sich nah am Reality-TV, indem er keine Distanz kennt und die Rührung des Vaters penetrant anstachelt. So hält der Film weniger ein Zeugnis familiärer Liebe fest als die Selbstdarstellung eines Sohnes auf Kosten seines Vaters. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
DEN SISTA RESAN
Produktionsland
Schweden/Dänemark
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Nexiko/RMV Film
Regie
Filip Hammar · Fredrik Wikingsson
Buch
Filip Hammar · Fredrik Wikingsson
Kamera
Erik Persson · Erik Vallsten · Robin Trollin
Musik
Christian Olsson
Schnitt
Johan Kjellberg Elgemark · Robin Wikner
Länge
95 Minuten
Kinostart
24.04.2025
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
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Dokumentarfilm über einen schwedischen Regisseur, der mit seinem gebrechlich werdenden Vater noch einmal die Fahrt an die französische Riviera unternimmt, die sie früher in jedem Sommerurlaub unternahmen.

Aktualisiert am
14.04.2025 - 16:03:24
Diskussion

Die Idee klingt gut: Ein erwachsener Sohn macht mit seinem alten Vater noch einmal die Reise, die beide, gemeinsam mit der ganzen Familie, jedes Jahr in den Sommerferien gemacht haben, als der Vater jung und der Sohn ein Kind war. Eine Reise nach Beaulieu-sur-Mer an der Riviera, in Frankreich, dem Land, das der Vater leidenschaftlicher geliebt hat als sein eigenes. Diese Liebe war ansteckend, soviel bezeugen Kollegen und Schüler, denn der Vater arbeitete einst als munterer Französischlehrer. Er unterrichtete in der schwedischen Kleinstadt Köping, wo die Reise losgehen soll. Auf der animierten Karte, die eingespielt wird, sieht alles ganz einfach aus. Als müsse man nur immer geradeaus fahren, um in der Vergangenheit zu landen.

Wie ein Vater wieder „der Alte“ wird

„Eine letzte Reise“ ist die filmische Dokumentation dieses Unterfangens. Filip Hammar heißt der Sohn und Regisseur, Lars Hammar der Vater, Filips Kumpel Fredrik Wikingsson fährt auch mit, um Filip zu unterstützen. Zwar könnte der Weg entlang der Erinnerungen für Lars und Filip eine private Sache sein, ein Zusammenfinden oder ein Abschied, aber offensichtlich hat Filip ein anderes Anliegen. Er will der Welt zeigen, wie sein Vater wieder „der Alte“ wird, ein unterhaltsamer, zumindest ein lebensfroher Mann, stimuliert vom Glanz jenes Ortes, an dem er so viele glückliche Sommer verbracht hat. Denn das ist der Zweck der Reise: Die Lebensfreude von Lars soll wiedergeweckt werden, vor laufender Kamera.

Immer noch ist die Idee interessant. Man sieht Super-8-Ausschnitte der früheren Reisen, die regelmäßig in identischer Form stattfanden, dasselbe Ziel, dieselbe Route, in einem orangefarbenen R4. Dazu gibt es Kommentare vom Kassettenrekorder, damals aufgenommen – die Reise, das hört man, wurde früher schon gern dokumentiert. Sobald der Film dann allerdings Lars Hammar zeigt, die Hauptfigur, wirkt der Plan nicht mehr ganz so großartig. Lars Hammar ist gebrechlich, von der Reise nicht begeistert, in Bewegung und Blicken weit von der Gegenwart entfernt. Genau das ist der Grund, warum er reisen soll, aber dabei zuzusehen, wie er von Filip unnachgiebig in den Vintage-R4 gedrängt wird, ist beinahe unangenehm.

Rührung ist die Waffe

Um das Thema der Wiedererweckung effizient zu bedienen, erzeugt Filip eine künstliche Realität. Man darf ihm dabei zusehen, wie er die Vergangenheit so identisch wie möglich nachstellt. Das beschränkt sich nicht auf dasselbe Apartment, sondern es werden frühere Freunde eingeladen, frühere Anekdoten nacherzählt, Orte aufgesucht, die Lars liebte. Das ist oft mit großer Rührung verbunden, zumindest auf Filips Seite. Rührung ist tatsächlich Filips Waffe. Wenn Lars nicht richtig mitgeht, steigert Filip das Rührungsniveau durch Lars’ Lieblingsmusik, durch Videobotschaften früherer Schüler. Er plündert im Gespräch mit Lars jede Erinnerung, derer er habhaft werden kann, und spielt sie ihm dann vor.

Das Ziel wird in Teilen erreicht. Lars redet, bedankt sich, will aufgeweckter sein. Manchmal allerdings überfordern ihn die Emotionen, da wird es voyeuristisch, nicht zuletzt weil der Film bei intimen Momenten keine Nachsicht kennt, Dramatik soll ins Bild. Filip ordnet sich den Film und den Vater unter, er erzählt, wie die Vergangenheit war, der alte Mann wird mitgeschoben. Erstaunlich, dass dieser Sohn glaubt, es gebe keine Geheimnisse zwischen Eltern und Kindern. Weiß man, was für eine Person die eigenen Eltern in ihrer Jugend waren? Weiß man, ob sie diese Person reanimieren wollen? Entsprechend wenig erfährt man in „Eine letzte Reise“ von Lars Hammar selbst, hauptsächlich erfährt man, wie Filip Hammar sich an ihn und sein Leben erinnert.

Den Druck beiseitegefegt

Dabei beredet Filip seine Unzulänglichkeiten gern vor der Kamera, seine Zweifel auch. Man sieht also nicht nur die Interaktion mit dem Vater, sondern auch eine kommentierende Interaktion mit Fredrik. Man soll ihm nicht böse sein, heißt das, man soll seinen Motiven nicht misstrauen. Das funktioniert gut, die allgegenwärtige Sentimentalität fegt den Druck, dem der Vater ausgesetzt wird, beiseite. Selbst wenn man weiß, dass Filip und Fredrik ein schwedisches Komikerduo sind, das Fernsehen und Kino mit Beiträgen bestückt, wird der Film von manchen Rezensenten als Zeugnis hinreißender familiärer Zuwendung aufgefasst. Dass er auf einer Idee beruht, die sich im Lauf des Films als zunehmend übergriffig erweist, wird ignoriert. Die letzte Reise wird durchgeführt, selbst wenn sie genauso von Rücksichtslosigkeit erzählt wie von Liebe.

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