Reflection in a Dead Diamond

Action | Belgien/Luxemburg/Italien/Frankreich 2025 | 87 Minuten

Regie: Hélène Cattet

Ein ehemaliger Spion verbringt seinen Lebensabend in einem Luxushotel an der Côte d’Azur. Hinweise auf seine Vergangenheit durchbrechen seine tägliche Routine. Bald verschwimmen Fantasie, Erinnerung und Gegenwart. Vom Eurospy-Kino der 1960er- und 1970er-Jahre inspirierter, psychedelischer Agentenfilm, der die Topoi eines ausgestorbenen Genres mischt, neu formiert und in einen sich ständig wandelnden, ekstatischen Bilderrausch verwandelt. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
REFLET DANS UN DIAMANT MORT
Produktionsland
Belgien/Luxemburg/Italien/Frankreich
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Tobina Film/Kozak Films/Les Films Fauves
Regie
Hélène Cattet · Bruno Forzani
Buch
Bruno Forzani · Hélène Cattet
Kamera
Manuel Dacosse
Darsteller
Yannick Renier · Maria de Medeiros · Fabio Testi · Koen De Bouw · Céline Camara
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Action | Mystery | Thriller
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Ein alternder Spion verbringt seinen Lebensabend in einem Luxushotel an der Côte d’Azur und erinnert sich an seine Vergangenheit, wobei Fantasie und Gegenwart miteinander verschwimmen.

Aktualisiert am
20.02.2025 - 17:20:01
Diskussion

Der alte Mann am Meer nimmt jeden Tag den gleichen Platz an dem malerischen Kiesstrand an der Côte d’Azur ein. Tag für Tag schlürft er sein Bittergetränk, Tag für Tag starrt er die junge Frau an, bis das Sonnenlicht, das von ihrem Körper, ihren Muttermalen, ihren Brustwarzen und schließlich einem dort erscheinenden Diamanten reflektiert, ihm ins Auge sticht. Es ist das Licht einer anderen Zeit, das den alten Monsieur John Diman (Fabio Testi) blendet.

Rohstoff für fantastische Bilderwelten

Um diese Vergangenheit geht es in „Reflection in a Dead Diamond“. Fabio Testi ist im Film, aber auch als Schauspieler, die Brücke in die Vergangenheit; das kantigste Gesicht unter vielen kantigen Männergesichtern, die aus der Erinnerung heraus lebendig werden. Mit dem alten Mann erinnern sich die Regisseure Hélène Cattet und Bruno Forzani an das europäische Genrekino der 1960er- und 1970er-Jahre. Was in ihrem Debütfilm „Amer“ (2009) noch der Giallo war, ist nun das Eurospy-Genre: ein Rohstoff für fantastische, wahnsinnige Bilderwelten. Die italienische Spielart des Agentenfilms, die als Lawine psychedelischer, bunter, chaotischer, alberner Agentenfilme im Fahrwasser von James Bond damals anrollte, wird hier neu entfesselt. Aber eben nicht als das omnipräsente Pastiche- oder Zitatkino. Das belgische Regie-Duo stellt sich quer zu den zeitgenössischen Moden des Genre- und Kunstkinos. Es bastelt seinen Quell der Inspiration vielmehr mit schwindelerregender Eigensinnigkeit neu zusammen und befeuert die Splitter des ohnehin auf Chaos und Disruption gebauten Eurospy-Genres von allen Seiten mit neuem Licht.

Nichts demonstriert das besser als ein Paillettenkleid, das eine Agentin trägt, die in John Dimans Erinnerung an seiner Seite kämpft. Blendend in seiner Schönheit, bedrängt vom Licht, das nicht von ihm lassen kann, wird das Kleid im Moment der Bedrängnis zur Waffe, explodiert in der Not, um sich in die Körper der Feinde zu graben.

Enthauptungen à la Caravaggio

Den Spuren, die die kleinen runden Spiegel, die einst ein Kleid waren, im Film hinterlassen, folgt der junge Agent John Diman (Yannick Renier). Die Reflektionen beinhalten neue Hinweise, aus denen sich allmählich ein Plot inmitten des Bilderwahnsinns herausschält. John und seine Kollegin sollen einen Mann namens Markus Strand (Koen De Bouw) beschützen. Eine ganze Riege von Auftragsmördern hat es auf ihn abgesehen. Beispielsweise der Kunstmörder, der seine Morde wie Werke aus dem Kunstkanon inszeniert und seine Feinde wie Judith den Holofernes bei Caravaggio enthauptet. Hauptkontrahentin aber ist die maskierte Serpentik (Barbara Hellemans). Sie ist auch nach Strands Verschwinden und Dutzenden blutiger Konfrontationen nicht zu fassen und schon gar nicht zu identifizieren. Teile ihrer Masken, einzelne Augen, ein Haarbüschel, ein Hautfetzen verteilen sich an den Tatorten, doch die Maske verbirgt selbst dort, wo Diman sie zu packen bekommt und herunterreißt, immer nur eine weitere Maske.

Wie die Masken schält der Film stets auch neue Abzüge aus seinem Bildrohstoff, ohne je seinen Kern zu enthüllen. „Reflection in a Dead Diamond“ zieht wie ein zittriger Spirograph seine Kreise um das Genre. Was zunächst vielleicht wie Gekrickel aussieht und es solange auch ist, bis ihre pure Masse das nächste Muster ergibt, um das sich ein weiterer Kreis ziehen lässt. Die Bildmaschine von Cattet und Forzani will dabei nie dechiffriert, sondern schlicht erfahren werden.

„Reflection in a Dead Diamond“ legt keine symbolischen oder metaphorischen Spuren aus, sondern rekombiniert sich in immer neue, schließlich auch andere Medien mit einbeziehende Formen. Neben Caravaggios todbringender Ölmalerei gibt es bald auch Fotoromane und Comics im Film. Der Protagonist verliert in der Flut der Bilder zunehmend die Kontrolle über Vergangenheit und Gegenwart. Die blutigen Exzesse des einstigen Agentenlebens setzen sich in einer Literatur- und Schauspielkarriere fort, in der er erst Erzähler, bald aber selbst Subjekt ist. Nicht mehr die maskierte Serpentik ziert die Cover der Trivialromanreihe, sondern der kantige John Diman.

Der Rausch nach neuen Formen

Wer wessen Maske trägt, wer wen jagt, wer wessen Gegenspieler ist oder die Welt beherrscht, ist bald nicht mehr klar. Wer Klarheit in diesem Film sucht, verweigert sich aber ohnehin nur dem Rausch, der hier ohne Rücksicht auf Verluste nach immer neuen Formen greift.

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