Horror | Deutschland 2024 | 249 Minuten (6 Folgen)

Regie: Rainer Matsutani

Eine deutsche Horror-Mystery-Serie verlagert den Mythos um den Rattenfänger von Hameln in die Neuzeit und nimmt ein jugendliches Ermittlerteam in den Fokus. Die vier Kinder wollen mysteriösen Vorkommnissen in ihrer Stadt auf den Grund gehen und stoßen dabei auf Verbindungen zu der alten Sage. Mit einer dünnen Kriminalgeschichte unterfüttert und mit hölzernen Dialogfluten überladen, nimmt die durchaus reizvolle Idee um eine Aktualisierung der Kinderfänger-Figur als Finsterling, der seine Opfer im Traum heimsucht, nie richtig Fahrt auf. Zudem scheinen die Macher sich ihrer Zielgruppe nicht bewusst zu sein, weshalb die Serie sowohl jugendliche als auch erwachsene Gruselfans kaltlässt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HAMELN
Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
REAL FILM/Don't Panic Films/Red Sun Films GmbH
Regie
Rainer Matsutani
Buch
Rainer Matsutani · Sandro Lang
Kamera
Clemens Messow
Musik
Jessica de Rooij · Hendrik Nölle
Schnitt
Bobby Good · Johannes Hubrich
Darsteller
Caroline Hartig (Finja Roth) · Jonathan Elias Weiske (Sam Mannheimer) · Constantin Keller (Jannik Mannheimer) · Riccardo Campione (Ruben Zastrow) · Pia Amofa-Antwi (Romy Jost)
Länge
249 Minuten (6 Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Serie
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Eine Horrorserie, die die alte Sage um den Rattenfänger von Hameln, der einst die Kinder der Stadt auf magische Weise auf Nimmerwiedersehen weggelockt haben soll, in die Gegenwart fortspinnt.

Aktualisiert am
31.12.2024 - 12:11:40
Diskussion

Eltern erzählen ihren Kindern seit Menschengedenken Märchen und Sagen. Doch auch auf Erwachsene strahlen die fantastischen Moralstücke eine undefinierbare Faszination aus. Mit der sechsteiligen Miniserie „Hameln“ will Serienschöpfer Rainer Matsutani dem Mythos um den Rattenfänger von Hameln einen schaurigen Neuanstrich verpassen. Dabei hat sich Matsutani aber selbst von verführerischen Flötentönen in die Irre führen lassen.

Finja (Caroline Hartig) ist seit ihrem zwölften Lebensjahr fast blind, kann Menschen nur als helle Flecken von ihrem Umfeld unterscheiden. Das hält die Jugendliche, die mit ihrem Vater in Hameln lebt, jedoch nicht davon ab, am Leben teilzunehmen. Bei einem Kinobesuch trifft sie auf Sam (Jonathan Elias Weiske) und seinen tauben Bruder Jannik (Constantin Keller). Schnell finden sie eine schaurige Gemeinsamkeit: Finja und Jannik haben seit Jahren die gleichen Albträume. Auch der Rollstuhl-Basketballer Ruben (Riccardo Campione) träumt von entführten Kindern auf dem sagenumwobenen Poppenberg, wie sich herausstellen soll. Als in Hameln immer mehr Kinder verschwinden und ein Junge sein Elternhaus anzündet, nehmen sich die vier Jugendlichen des Falles an und tauchen tief in den Mythos um den Rattenfänger von Hameln ein – nichtsahnend, dass der Flötenspieler es bereits auf sie abgesehen hat.

Schaurig aus den falschen Gründen

Die Hamelner haben, so die alte Sage, im 13. Jahrhundert für eine Sünde aus Geiz teuer bezahlt. Weil die damaligen Bürger dem beauftragten Rattenfänger den Lohn verwehrt haben sollen, führte dieser aus Rache 130 Kinder aus der Stadt weg in eine Höhle auf dem Poppenberg, wo sie für immer verschwanden. In der Horror-Mystery-Serie „Hameln“ bricht Autor und Regisseur Rainer Matsutani eben diese Legende auf und spinnt sie weiter. Denn die Geister der Vergangenheit rasseln lautstark mit den Ketten.

Schaurig ist „Hameln“ jedoch aus den falschen Gründen. Drehbuchautor Matsutani baut seine Schauermär auf einer dünnen Kriminalgeschichte um verschwundene Kinder in der Rattenfängerstadt auf, die einzig und allein dem Palawer seiner Figuren dient. Egal, wo sie gehen und stehen: Immer wieder verfallen Finja und ihre neuen Freunde in gestelztes Geplapper über ihre Träume, Ärger mit den Eltern oder Begegnungen mit verwesenden Geisterkindern. Zudem sollen etwa Wutausbrüche von Finjas Psychiater-Vater bei der Gartenarbeit oder verheißungsvolle Bekenntnisse von Rubens Alkoholiker-Mutter ein dunkles Geheimnis unter den verschworenen Eltern andeuten. Doch diese plump verbauten Mystery-Schablonen um die unbelehrbaren Eltern sowie den märchenmoralischen Konsequenzen aus ihrem Handeln sorgen mehr für Kopfschütteln als für Gänsehaut.

Die Kernfrage: Wer ist die Zielgruppe von „Hameln“?

Dass sich der Rattenfänger (Götz Otto) mit seinen glühenden Augen und schrillem Flötenspiel wie einst Freddy Krüger in „A Nightmare on Elm Street“ in die Träume der Kinder einschleicht und sie auch bei Tag mit Halluzinationen heimsucht, zahlt weder auf eine Figurenentwicklung noch den Horror ein. Die schlecht getakteten Jumpscares in den leergefegten Straßen von Hameln sowie die chronisch wütenden Geisterkinder mit den schlechten Zähnen wirken stets wie ein notwendiges Übel, damit Finja beim nächsten Telefonat wieder etwas Ausführliches zu berichten hat. Den inklusiven Gedanken, den die Serie durch ihre körperlich beeinträchtigen Helden enthält, spielt „Hameln“ leider nur oberflächlich aus und nutzt sie lediglich als erzählerischen Aufhänger, den Finja, Jannik und Ruben immer wieder formelhaft aus der Sage rezitieren müssen. Die Bemühtheit des namhaften Casts etwa um Florence Kasumba als Ärztin Jamila Jost oder Veronica Ferres als karriereorientierte Mutter säuft in der Flut an hölzernen Drehbuchphrasen schlichtweg ab.

„Hameln“ hinterlässt jedoch ein gigantisches Fragezeichen beim Zuschauer: An wen richtet sich die Mystery-Krimi-Serie eigentlich? Das jugendliche Ermittlerteam scheint eine ebenfalls junge Zielgruppe ansprechen zu sollen. Jedoch bekommen jugendliche Themen um Selbstfindung, Rebellion gegen die Eltern oder die erste Liebe keinen Raum zur Entfaltung geboten. Und auch Rubens selbstgetextete Raps kommen mehr cringe statt cool rüber. Und für ein erwachsenes Publikum kränkelt „Hameln“ an einem Defizit an atmosphärischem Horror und fordernder Mysteriengrübelei. Der Rattenfänger lockt mit diesen Misstönen niemanden hinter dem Ofen hervor. Was bleibt, ist nur ein nerviges Fiepen im Ohr.

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