Informant - Angst über der Stadt

Drama | Deutschland 2024 | 270 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Matthias Glasner

Ein bevorstehendes Attentat in der Hamburger Elbphilharmonie versetzt LKA, BKA und BND in Alarmbereitschaft. Ein psychisch zerrütteter Anti-Terror-Spezialist, der einst undercover gegen eine rechtsradikale Gruppe ermittelte, und seine junge Kollegin vom BKA sollen die Lage richten, treten dabei aber eine unaufhaltsame Lawine los. Davon ist auch ein junger Afghane betroffen, der unter Druck gesetzt wurde, als Informant für die Ermittler zu arbeiten. Die sechsteilige Thriller-Serie kreist darum, wie Behörden und Nachrichtendienste Situationen, die sie entschärfen sollten, durch Druck, Einschüchterung und Kungeleien eskalieren lassen. Mitunter überfrachtet die Serie ihre Geschichte damit, an wie vielen privaten und beruflichen Fronten ihre Figuren kämpfen, zeigt aber anschaulich die fatalen Auswirkungen auf die Beteiligten bei Anti-Terror-Ermittlungen. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Filmpool Fiction/ARD Degeto/NDR/NRK/ARTE
Regie
Matthias Glasner
Buch
Matthias Glasner
Kamera
Friede Clausz
Schnitt
Falk Peplinski · Andrea Mertens
Darsteller
Jürgen Vogel (Gabriel Bach) · Elisa Schlott (Holly Valentin) · Ivar Wafaei (Raziq ''Raza'' Shaheen) · Bayan Layla (Sadia) · Claudia Michelsen (Emilia Bach)
Länge
270 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Krimi | Thriller
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Thriller-Serie über zwei Ermittler, die einen Anschlag auf die Hamburger Elbphilharmonie verhindern sollen.

Diskussion

In maritimem Design und mit funkelnder Spiegelfassade erhebt sich die Elbphilharmonie, auch Elphi genannt, in 110 Metern Höhe über den Hamburger Stadtteil HafenCity. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2016 ist das Konzerthaus zu einem Wahrzeichen der Hansestadt geworden und veranstaltet musikalische Abende von Klassik bis Pop. Auch in der neuen Thriller-Serie von Matthias Glasner (Buch und Regie) spielt die Elphi eine bedeutende Rolle. Deutsche Nachrichtendienste vermuten, dass sie als Ziel für ein islamistisches Attentat herhalten soll. In zehn Tagen steht dort ein klassisches Konzert unter Leitung des deutsch-jüdischen Dirigenten David Levy (Henry Arnold) an. Dieser will die Veranstaltung jedoch genauso wenig absagen wie der Intendant des Hauses.

Der erfahrene Anti-Terror-Ermittler Gabriel Bach (Jürgen Vogel) soll in der kurzen Zeit, die bis zum Konzert verbleibt, allen Spuren nachgehen, um mögliche Attentäter auszuschalten. Bach hat Kontakte in der migrantischen Drogen-Szene und kennt sich aus mit verdeckter Polizeiarbeit, seit er vor mehreren Jahren eine Neo-Nazi-Gruppe infiltriert hat. Doch jene Zeit hat Narben bei ihm hinterlassen. Seine Hüfte ist lädiert, seine Psyche labil und seine Ehe mit der Professorin Emilia (Claudia Michelsen) zerrüttet. Da das BKA ihm nicht zutraut, die Arbeit zuverlässig zu erledigen, wird ihm mit Zustimmung seiner LKA-Chefin Rose Kuhlenkampf (Gabriela Maria Schmeide) die junge BKA-Beamtin Holly Valentin (Elisa Schlott) zur Seite gestellt. Bach ist darüber nicht erfreut. Zu allem Überfluss wird einer seiner Informanten, der Drogendealer Youssef Hassan, ermordet aufgefunden.

Ein junger Afghane wird zum unfreiwilligen Informanten

Mit ihm hatte auch der junge Afghane Raza Shaheen (Ivar Wafaei) losen Kontakt in seinem Box-Studio. Dessen Geschichte wird parallel erzählt. Er lebt mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder in einer gemeinsamen Wohnung in einem bescheidenen Viertel Hamburgs und arbeitet als Deutschlehrer für Asylbewerber. Als seine Freundin jedoch bei einem gemeinsamen Club-Besuch wegen einer Überdosis Ecstasy ins Krankenhaus kommt, wird Raza verhaftet. Bach droht, seine Freundin, die keinen regulären Aufenthaltsstatus besitzt, nach Afghanistan abzuschieben, wenn er nicht für ihn arbeite. Raza lässt sich auf den Deal ein und knüpft über den Bruder des Ermordeten bald Kontakt zu einem berüchtigten Drogendealer aus Afghanistan, den das LKA im Verdacht hat, in terroristische Aktivitäten verwickelt zu sein.

Die Dinge verkomplizieren sich, als Spuren ins Leere laufen und Verdächtige von wichtigen Stellen geschützt werden. Bach und Holly müssen als unterstes Glied der Kette den Schlamassel ausbaden. Derweil ist Bach spätestens dann restlos überfordert, als er durch einen Zufall die rechtsextremen „Kameraden“ aus seiner Vergangenheit wiedertrifft. Er muss an allen Fronten kämpfen, zumal auch die von der Familiensituation zunehmend frustrierte Emilia droht, ihn zu verlassen.

Die gegensätzlichen Ermittlerfiguren wachsen zum Team zusammen

Holly merkt, unter welchem Druck ihr Partner steht, und wird allmählich verständnisvoller; die Zusammenarbeit klappt immer besser, auch wenn die beiden charakterlich sehr unterschiedlich sind. Während sich Bach auf seinen Instinkt verlässt, geht Holly rational vor. Derweil kommt Raza seiner Aufgabe als verdeckter Ermittler mit mehr Eifer nach als vorgesehen. Auch seine Familie bekommt die Folgen seiner Heimlichtuerei zu spüren. Sein jüngerer Bruder Nazir (Ali Reza Ahmadi) ist orientierungslos und fühlt sich von seinem Bruder verlassen, während der Vater keinerlei Autorität über seine Söhne hat und immer mehr der Apathie und dem Alkohol anheimfällt.

Erzählt wird der Sechsteiler als in eine Rahmenhandlung eingebettete, lange Rückblende. Von Anfang an ist somit klar, dass das Ganze auf eine blutige Katastrophe hinausläuft, deren genauer Ablauf indes erst in der finalen Folge richtig gezeigt wird. Zwischen Szenen der Gerichtsverhandlung, die den Anschlag untersucht, und der Entwicklung dahin springt die Serie zwischen Bachs, Hollys und Razas Geschichte und ihren Überschneidungen hin und her. Zu Beginn jeder Folge und auch zwischendurch zählt ein Countdown die Tage und später auch die Stunden bis zum Anschlag.

Es ist eine Spirale aus Gewalt, Missverständnissen, Gerangel zwischen Behörden und Geheimdiensten und persönlichen Fehlern, die schließlich in eine Katastrophe münden. Regisseur Matthias Glasner arbeitet nach „Blochin“ erneut mit Jürgen Vogel in einer TV-Serie zusammen und konzentriert sich neben der übergeordneten Story und seinen zahlreichen Strängen auch besonders auf die Figurenzeichnung.

Jürgen Vogel grimmig-charismatisch

Jürgen Vogel gibt mit grimmiger Mine, aber charismatisch, den heillos überforderten Gabriel Bach, der es allen recht machen muss und seine Aggressionen bald nicht mehr in den Griff bekommt. Immer wieder muss er kleinere und größere Feuer zwischen Familie, rechten „Kumpels“ und der laufenden Anti-Terror-Ermittlung löschen und bremst sich dadurch selbst aus. Nicht alles ist dabei zu Ende gedacht, einige Probleme, die Bachs Vergangenheit in der Gegenwart verursacht, verlieren sich gen Ende der Serie. Dennoch ist seine Figur schlüssig, zeigt sie doch, wie später auch das Schicksal Razas, wie undankbar die Rolle von verdeckten Ermittlern ist. Sie begeben sich in Lebensgefahr; Menschen in ihrem privaten und familiären Umfeld leiden mit oder werden ebenfalls bedroht. Und am Ende schieben die meist im Büro agierenden Auftraggeber die Schuld auf die Agenten im Feld, die Kopf und Kragen für den Schutz des Staates riskieren, ohne dabei je die Früchte für ihren Mut und ihren Einsatz zu ernten. Verdeckte Ermittler sind nützlich, aber austauschbar, so lautet ein Credo des Films. Wenn etwas schiefgeht, werden sie als Kollateralschäden einkalkuliert, und die nächste geeignete Person wird rekrutiert.

Dass Auftraggeber:innen dabei durchaus menschlich so sachliche und freundliche Menschen wie Bachs Vorgesetzte Kuhlenkampf sein können, demonstriert Gabriela Maria Schmeide in einer feinen darstellerischen Leistung. „Bad Cops“ gibt es auch, vor allem in Form des mit wenigen Nuancen ausgestatteten BKA-Chefs Edgar Braun (Nico Holonics), der selbst mit wenig (physischem) Mut ausgestattet ist, dabei über Leichen geht und den Unsympathen vom Dienst gibt. Auch dass Nachrichtendienste und Behörden international dubiose Deals mit Verbrechern eingehen, die ihnen kurzzeitig nützlich sein können, ist eine Konstante im realen Leben, die die Serie bestätigt. Das ist nicht immer subtil illustriert, manchmal auch wenig überraschend und wirft ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsdienste, deren Moral zusehends verkommt.

Thematisch etwas überfrachtet

Die Stärke der Serie liegt denn auch weniger in den übergeordneten Themen. Sie prangert eine allgemeine Atmosphäre der Angst an, die eine Eskalation der Ereignisse erst möglich mache. Zwar thematisiert „Informant – Angst über der Stadt“ auch (schleichenden) religiösen islamischen Konservatismus, der die Vorstufe von Extremismus sein kann, und wie er auf psychisch angeschlagene Menschen wirken kann. Doch so richtige Bösewichter aufseiten der potenziellen Attentäter gibt es nicht. Auch überfrachtet Glasner die Serie mit den zahlreichen Fronten, an denen Bach kämpfen muss, und das geht mitunter auf Kosten der Spannung. Verbale Schlagabtausche, vor allem bei Beziehungsproblemen zwischen Raza und seiner Freundin, wirken zuweilen gestelzt. Alle Probleme, die Migranten mit sich herumschleppen, seien sie hausgemacht oder vom deutschen Staat verursacht, kann man nicht in Dialoge packen.

Dennoch bleibt man am Ball und wird dadurch belohnt, dass die Serie in der letzten Folge, wenn alle Fäden schließlich zusammenlaufen, noch einmal zu Hochform aufläuft. Insgesamt punktet „Der Informant“ vor allem mit eindringlichen Figurenzeichnungen. Da ist zum einen der von Ivar Wafaei anrührend gespielte Raza, der aus uneigennützigen Gründen handelt und doch von allen missverstanden wird. Auch die Figur seines immer verzweifelteren Bruders Nazir, den Ali Reza Ahmadi sehr überzeugend interpretiert, ist stimmig und wohl stellvertretend für manch allein gelassenen jungen Mann, den der deutsche Staat nicht auffangen kann oder will und der sich deshalb Hilfe bei falschen Freunden sucht. Claudia Michelsen macht ihre Sache in einer eher zurückgenommenen Darbietung gewohnt gut, und die Szenen, wo sie als Emilia mit der ihr wohlgesinnten Holly interagiert, beschwören eine schöne Solidarität zwischen Frauen. Auch die Chemie zwischen Elisa Schlott und Jürgen Vogel funktioniert – das mal mürrische, dann wieder explosive Raubein mit dem weichen Kern und die nach außen hin beherrschte junge BKA-Beamte, die auch mit inneren Dämonen zu kämpfen hat, sorgen dafür, dass die Serie trotz Schwächen ein kurzweiliges Unterfangen bleibt.

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