Biopic | Deutschland 2023 | 383 (7 Folgen) Minuten

Regie: Soleen Yusef

Der in der Nähe von Leipzig aufgewachsene Afrodeutsche Sam Meffire wurde 1989 zum ersten schwarzen Polizisten der DDR. Nach der Wende warb er als Gesicht einer Medienkampagne für ein weltoffenes Sachsen, kämpfte als Mitglied der Sonderkommission „Rex“ gegen rechte Gewalttäter, stürzte dann aber selbst in die Kriminalität ab. Die unterhaltende Miniserie entwirft ein komplexes Porträt von Meffires Persönlichkeit und betrachtet die späte DDR- und Wendezeit aus einem erfrischend neuen Blickwinkel. Auch dank exzellent gespielter Haupt- wie Nebenrollen trotz kleiner Leerstellen und dramaturgischer Schwächen ein packender Stoff aus der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Big Window Productions/Panthertainment UG
Regie
Soleen Yusef · Sarah Blaßkiewitz
Buch
Jörg Winger · Tyron Ricketts · Christoph Silber
Kamera
Stephan Burchardt · Max Preiss
Schnitt
Marion Rettig · Jens Klüber · Erik Dornblut · Yvonne Tetzlaff
Darsteller
Malick Bauer (Sam) · Tyron Ricketts (Alex) · Svenja Jung (Yvonne) · Luise von Finckh (Antje Schliemann) · Paula Essam (Sabine)
Länge
383 (7 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Biopic | Drama | Serie

Biografische Serie um Sam Meffire, der als erster schwarzer Polizeibeamter der DDR zum Gesicht einer Medien-Kampagne gegen Ausländerfeindlichkeit wurde, später aber selbst in die Kriminalität abrutschte.

Diskussion

Sam rennt durch Dresden. Zunächst, um rechtzeitig bei der Geburt seines Sohnes dabei zu sein. Später, um den Bus nicht zu verpassen, der genau in dem Moment abfährt, als der Fahrer in Sam einen Schwarzen erkennt. Oder weil er vor Neonazis fliehen muss, die nicht ertragen, dass er bei einem Fußballspiel als Stürmer das entscheidende Tor geschossen hat. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus erfährt Sam in der DDR fast täglich. Eigentlich will er Fußballer werden, landet im Wendejahr 1989 dann aber bei der Bereitschaft der Volkspolizei und muss dort auf einen Staat und ein System schwören, die bereits ins Wanken geraten sind.

Die Serie „Sam – Ein Sache“ porträtiert eine reale Figur der jüngeren Zeitgeschichte: Samuel Njankouo „Sam“ Meffire, der 1970 in Zwickau geboren wurde. Malick Bauer spielt ihn kraftvoll, leidenschaftlich, wortgewandt und voller Emotionen – eine echte Entdeckung, auch wenn der in Leipzig ausgebildete Theaterschauspieler schon in diversen Serien und Fernsehfilmen mitgewirkt hat.

Ein frischer, spannender Blickwinkel

Den Serienmachern um Jörg Winger und Tyron Ricketts gelingt es zusammen mit den Regisseurinnen Soleen Yusef und Sarah Blaßkiewitz recht überzeugend, über die DDR der Wendezeit aus einem frischen, spannenden Blickwinkel zu erzählen. Sam ist Sachse und schwarz. Sein Vater kam einst als überzeugter Sozialist aus Kamerun in die DDR und starb unter mysteriösen Umständen am Tag seiner Geburt.

Sam bezeichnet sich selbst zunächst als „Farbiger“, fühlt sich aber weder von seiner lieblosen deutschen Mutter noch von seiner Freundin Antje verstanden, die zu den DDR-Regimegegnern gehört. Wenn Sam dort von seinen Rassismus-Erfahrungen berichtet, duldet man seine Wortbeiträge eher unwillig.

Verständnis und Unterstützung bei der Aufklärung des rätselhaften Todes seines Vaters erfährt Sam eher von seinem Chef, einem Oberst der Volkspolizei, den Thorsten Merten als zwar ideologisch verbohrten, aber auch väterlich-strengen Förderer verkörpert.

Als die DDR dann Geschichte ist, verliert Sam wie viele DDR-Bürger seinen Job. Nur der Rassismus bleibt nach dem Systemwechsel erhalten, der sich zunehmend in offenen Ausländerhass wandelt, was es für „People of Colour“ wie Sam bald lebensgefährlich macht, sich im neuen Bundesland Sachsen überhaupt noch zu bewegen, zumal wenn die Polizei, wie bei den pogromähnlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda im Jahr 1991, überfordert ist und den rechten Mob gewähren lässt.

Halt findet Sam bei einer Gruppe schwarzer Türsteher einer Disco rund um den charismatischen Alex (Tyron Ricketts). Alex ist neben Sam die interessanteste Figur der Serie. Durch ihn erlangt Sam ein afrodeutsches Bewusstsein, kanalisiert seine Wut und findet den Halt, den er immer schon gebraucht hätte. Als Sam dann aber zur Polizei zurückkehrt, in Talkshows auftritt und zum Medienstar avanciert, erhält die Freundschaft zu den schwarzen Brüdern erste Risse.

Eine packend erzählte Miniserie

Vor allem in den ersten drei Folgen der packend erzählten Miniserie taucht man tiefer in die jüngere ostdeutsche Geschichte ein, deren historische Einordnung derzeit durch Bestseller wie „Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ oder die diskriminierenden Ausfälle des Springer-Chefs Mathias Döpfner für viel medialen Wirbel sorgt. In diesem Kontext erscheint „Sam - Ein Sachse“ als eine echte fiktionale Bereicherung, die vielschichtig von Post-DDR-Realitäten erzählt.

So geht es zum Beispiel auch um die ungewöhnliche Männerfreundschaft zwischen dem sächsischen CDU-Innenminister Heinz Eggert, einem ehemaligen Pfarrer, und Sam Meffire. Eggert fördert Sams Polizeikarriere und sorgt dafür, dass er Teil der zunächst sehr erfolgreichen Sonderkommission „Rex Sachsen“ wird, die gegen rechtsextreme Gewalttäter ermittelt. Martin Brambach spielt Eggert als einen sympathischen Politiker, der noch zuhören kann, auch wenn er von seiner eigenen Partei gebremst wird und immer wieder Kompromisse machen muss. Thematisiert wird auch, dass viele ostdeutsche Polizisten ohne großen Enthusiasmus agieren und teilweise selbst ein Rassismus-Problem haben; unter seinen Kollegen macht sich Sam Meffire jedenfalls keine Freunde

Bei aller politischen Relevanz setzt die Miniserie durchaus auch auf Unterhaltung und versucht sich an diversen Genres. Dabei wird das Buddy-Movie ebenso bedient wie der Krimi, wobei nicht immer durchgängig und klischeefrei von Freundschafts- und Liebesgeschichten erzählt wird. Meistens flott und rasant gefilmt, liegt häufig Spannung in der Luft, weil man spürt, wie schnell der Aufstieg von Sam auch wieder kippen kann.

Ein echter Paukenschlag

Sams weiße Freundinnen Antje und Yvonne wirken dabei weniger vielschichtig und glaubwürdig als die komplexeren afrodeutschen Frauenfiguren. Einen wirklichen Schwachpunkt bildet allerdings Sams Mutter: Sie erscheint wie eine empathielose deutsche Mutti-Figur, die nach dem Tod ihres Mannes resigniert hat, ihren Sohn nicht liebt und ihm in Rückblenden psychische wie physische Gewalt widerfahren lässt. Was die Serienmacher nicht erzählen, ist, dass Sams Mutter eine angesehene Akademikerin und überzeugte Kommunistin war, die an die DDR glaubte.

Man muss den Streaminganbieter Disney+ generell dafür loben, die Geschichte von Sam Meffire mit großem Aufwand als Serie realisiert zu haben. Öffentlich-rechtliche Sender waren dazu nicht bereit. Seit 2005 versuchten Jörg Winger und Tyron Ricketts, Geldgeber und Interessenten zu finden. Wie schon in der französischen Produktion „Oussekine“ über einen algerisch-stämmigen französischen Studenten, der von Polizisten zu Tode geprügelt wurde, oder der italienischen Anti-Mafia-Serie „The Good Mothers“ findet sich auch in „Sam - Ein Sachse“ nichts vom harmonisierenden Disney-Touch.

Allerdings hätte man den schockierenden Fall des engagierten, politisch links stehenden Sam Meffire, der zwischenzeitlich selbst zum Kriminellen wurde, Raubüberfälle verübte, für einen afrodeutschen Bordellbesitzer arbeitete und sieben Jahre ins Gefängnis musste, durchaus mit mehr Mut zur traurigen Wahrheit erzählen können. So ersparen die Macher dem Serienpublikum zum Beispiel, dass Sam Meffire unter anderem ein Rentnerpaar überfiel und dabei sogar körperlich verletzte. In der Serie bleibt Sam vielmehr trotz seiner Wandlung zum Kriminellen ein Idealist, der die Schwachen mit seiner eigenen Sicherheitsfirma beschützen will, aber finanziell scheitert. Nur deshalb dient er sich hier einem zwielichtigen Gangster aus dem Rotlichtmilieu an.

Trotz solcher dramaturgischen Schwächen und Leerstellen gehört „Sam - Ein Sachse“ zu den besten deutschsprachigen Serien des Jahres und kann auch international mithalten. Mit seiner ersten deutschsprachigen Serie ist Disney+ gleich ein Paukenschlag gelungen.

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