Jacques ist Weinhändler. Irgendwo in der französischen Provinz betreibt er einen kleinen, liebevoll eingerichteten Laden, in dem sich auch so manche Kostbarkeit befindet. Mit Wein kennt sich der mürrische Mittfünfziger aus. Erfahren gibt er Kunden Ratschläge und lässt sie auch großzügig probieren. Doch dass Wein auch Alkohol enthält, der für sein schwaches Herz verantwortlich ist – diese Warnung seines Arztes ignoriert er – zunächst.
Zufällig kommt die charmante Hortense in Jacques’ Laden, kauft eine teure Flasche und fragt nach der nächsten öffentlichen Weinprobe. Sie bleibt ein bisschen zu lange, er sieht ihr ein bisschen zu intensiv in die Augen. Beide merken, dass sie sich mögen. Bei der eilig improvisierten Weinprobe wenige Tage später kommen sie sich näher und treffen sich mehrmals.
Doch dann häufen sich die Missverständnisse zwischen ihnen – Telefonanrufe, die unbeantwortet bleiben, Verabredungen, die mit Wutausbrüchen enden. Jacques’ mürrische Zurückhaltung verweist auf ein Trauma, an dem er sich die Schuld gibt. Hortenses Angewohnheit, neugeborene Babys ein wenig zu lange im Arm zu halten, deutet auf einen unerfüllten Kinderwunsch hin. Lässt sich der plötzliche Bruch zwischen ihnen wieder kitten?
Wein für alle
„Ich möchte Weintrinker sein, und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen“, sang Franz-Josef Degenhardt in den 1970er-Jahren. Ein Lied, dass ein bisschen mit dem Neid auf Weintrinker kokettierte, auf ihre vorgebliche Kultiviertheit und ihren vermeintlichen Wohlstand. Gleichzeitig bekundete der Song aber auch die Unwilligkeit, so zu werden wie sie.
„Weinprobe für Anfänger“ sieht das ein wenig anders. Zu den schönen Ideen des Films zählt, dass erlesener Wein – mitunter ein Luxusgut, dass sich viele gar nicht leisten können, ein Genussmittel, das Biertrinkern auch als spießig gilt – für alle da ist. Nicht nur, dass der Messwein, der Hortense beim sonntäglichen Abendmahl so sehr mundete, 50 Euro pro Flasche kostet. Jacques beschäftigt auch einen straffälligen Jugendlichen, der mit einem Praktikum auf den rechten Weg zurückgeführt werden soll. Es stellt sich heraus, dass der junge Mann eine besonders feine Nase für Weine hat. Schnell lernt er die Sorten voneinander zu unterscheiden und die Düfte und Abgänge genau zu bestimmen. So wird der Wein zur Herausforderung, nicht nur seinem Alltag, sondern auch seinem Milieu zu entfliehen und seinem Leben eine neue Richtung zu geben.
Hortense hingegen, die von Beruf Hebamme ist, kümmert sich ehrenamtlich um Obdachlose. Auch die haben, wie die Kirchgänger beim Abendmahl, ein Anrecht darauf, teuren Wein zu trinken. Und auch sie können bei einer Weinprobe bestehen. Die Weinverkostung mit ihren blumigen, absurd-komischen Beschreibungen lehnt sich ein wenig an „Sideways“ von Alexander Payne an, und mitunter fühlt man sich an „Angel’s Share“ von Ken Loach erinnert, in dem es allerdings um schottischen Whisky geht.
Romantik und die Last der Vergangenheit
„Weinprobe für Anfänger“, im Original schlicht mit „La Dégustation“ betitelt, basiert auf einer Boulevardkomödie und wurde mit dem französischen Theaterpreis „Prix Molière“ ausgezeichnet. Darum bewegt sich der Film von Regisseur und Autor Ivan Calbérac zunächst im Fahrwasser einer romantischen Komödie. Doch dann werden auch Probleme verhandelt, die Mann und Frau zunächst voneinander trennen. Die Traumata, mit denen sich die Figuren im Weg stehen, wirken ein wenig aufgesetzt, und die Last der Vergangenheit hemmt mitunter doch die leichtfüßige Stimmung des Films. Doch weil Isabelle Carré und Bernard Campan so wunderbar miteinander harmonieren, kann man dem Film nicht böse sein.