Der ganze Film ein Paradoxon! Selten hat das Leben Familie Belcher aus ihrem Mikrokosmos herausgeführt. Seit mittlerweile 12 Staffeln kämpfen sie in direkter Nachbarschaft zu einem Beerdigungsinstitut, gegenüber von Jimmy Pestos großspuriger Pizzeria und nur einen Steinwurf entfernt vom Pier mit dem Vergnügungspark „Wonder Wharf“ ums Überleben des titelgebenden Burger-Restaurants. Was die Serie „Bob’s Burgers“ seit jeher ausmacht, sind die liebenswert ungelenken Figuren mit ihren alltäglichen Problemen: der perfektionistische Schnauzbart Bob, verkanntes Burger-Genie und liebevoller Familienvater, seine daueroptimistische Ehefrau Linda und die drei Kinder. Die sind im Gegensatz zu den Gleichaltrigen aus anderen Animationsfamilien wie den Simpsons oder den Griffins ebenfalls angenehm normal – weder Genies noch Dumpfbacken, weder Streber noch totale Krawallbürsten. Das normale Leben und die Pubertät bieten schon genug. In den unzähligen 20-minütigen Folgen durchleben sie mit ihrem einzigen Stammgast Teddy die Widrigkeiten und Absurditäten des Alltags so stoisch und selbstironisch wie kaum eine andere Animationsfamilie.
Eine Leiche vor dem Burger-Restaurant
Dass die Belchers nun einen Kinofilm bekommen, ist also eigentlich ein Widerspruch in sich, zumindest wenn man sich anschaut, wie überdreht Cartoons wie „Die Simpsons“ oder auch „Die Looney Tunes“ auf der Leinwand ankamen. Ein Glück allerdings, dass Showrunner Loren Bouchard auf das Herz seiner Show vertraut und auch in Spielfilmlänge seine herzlichen Figuren ins Zentrum rückt. Deshalb ist es auch richtig, dass diese Normalos mit Hang zu schiefem Wortwitz keine Superhelden werden, als ein Leichenfund ihre Existenz bedroht.
Vor dem Burger-Restaurant hat sich wegen eines Wasserrohrbruchs ein enormes Loch in der Straße aufgetan und blockiert den Eingang – und das, obwohl Bob und Linda schon mit den Kreditraten im Rückstand sind und ihr Vermieter Mr. Fischoeder, der Besitzer des „Wonder Wharf“, nur verächtlich lacht, als sie um einen Aufschub bitten. Als auch noch eine Leiche in dem Loch auftaucht und sich als ein lange verschollener Schausteller aus dem Vergnügungspark entpuppt, scheint der Laden verloren. Alle Hinweise deuten auf Fischoeder hin, und so geldgierig der auch sein mag, verglichen mit seiner Verwandtschaft ist er als Vermieter noch das geringere Übel. Die Kinder der Belchers machen sich also daran, Fischoeders Unschuld zu beweisen.
Dieser Whodunit-Krimi läuft allerdings in weiten Teilen einfach nur im Hintergrund ab, denn Brouchard schafft für jede der Figuren ausreichend Raum, um ihre Persönlichkeit zur Geltung zu bringen: Der liebenswerte Stammgast Teddy bastelt ein mobiles Burger-Wägelchen, um den Belchers zu helfen, die Kreditraten zusammenzubekommen, Linda wirft sich in ein kugeliges Burger-Kostüm und hat die Zeit ihres Lebens dabei, Bobs Kreationen als laufendes Brötchen im Bikini zu bewerben, und Bob übt sich in seinem bodenständigen Pessimismus, krank vor Sorge um die Zukunft seiner Familie.
Der herzliche Charme der Figuren trägt den Film
Die Kinder müssen sich alle ihren Selbstzweifeln stellen: Louise will ihren Mitschülerinnen beweisen, dass sie trotz ihrer pinkfarbenen Hasenmütze kein Baby ist und zettelt deshalb eine Mörderjagd an. Gene hat aus einem metallenen Serviettenspender und zwei Gabeln ein „Instrument“ gebastelt und verliert sich in Tagträumen, in denen ihm die nervtötenden Geräusche, die er damit erzeugt, den Durchbruch mit seiner Band verschaffen. Und die phlegmatische Tina schleppt sich wie so oft mit ihren obligatorischen Seufzern („Uhhhhhh!“) hinter ihren Geschwistern her. Die Hoffnungen auf eine Sommerliebe mit ihrem Dauerschwarm Jimmy Pesto Jr. bombardieren sich mittlerweile selbst: Was, wenn er ja sagt und sich als dümmlicher Dulli entpuppt? Sie ahnt Schlimmstes, wenn sie ihm dabei zusieht, wie er täglich in der Cafeteria vergeblich versucht, Hähnchennuggets mit dem Mund zu fangen und selbst in ihren Tagträumen anfängt, dummes Zeug zu reden.
An Exzentrik mangelt es ihnen allen nicht. Doch indem er eigentlich kleine Beobachtungen wie Tinas Teenager-Dilemma bis ins kleinste Detail ausschmückt, betont Bouchard immer wieder den herzlichen Charme der Belchers. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, wenn sie in ihrem Film immer wieder schräge Musicalnummern singen, denn wieso sollte eine normale Familie aus dem Stegreif broadwaytaugliche Nummern aufführen? Eben. Louise, Tina und Gene können letztlich die Schausteller auf ihrem Campingplatz für sich gewinnen, weil sie ihnen mit unbeholfenen Reimen und tollpatschigem Gewackle statt durchdachter Choreografie versichern, dass sie ihren ermordeten Kumpel rächen werden.
Renitente Bodenständigkeit
Unaufdringlich und bescheiden wirkt all das – im besten Sinne, denn „Bob’s Burgers – Der Film“ setzt der scharfen Satire und dem bisweilen erniedrigenden Humor anderer Animationsfamilien mit seinen liebenswerten Exzentrikern und der ausgeschmückten Absurdität des Alltags eine renitente Bodenständigkeit entgegen, die regelrecht aufatmen lässt. Selbstzweifel sind dazu da, überwunden zu werden, daran erinnern die Belchers sich selbst mit ihren aberwitzig übertriebenen Tagträumen und den inbrünstigen, wenn auch schiefen, Musicalnummern auch hier wieder aufs Neue.