Drama | Deutschland 2022 | 103 Minuten

Regie: Mareike Wegener

Eine deutsche Kommissarin kehrt traumatisiert aus Afghanistan zurück und wird in die niedersächsische Provinz beordert, um bei der Identifizierung einer Moorleiche zu helfen. Vor Ort stößt sie auf eine Mauer des Schweigens und weitere Traumata aus den vergangenen Jahrzehnten, zudem muss eine Weltkriegsbombe entschärft werden. Die mit leichter Hand inszenierte schwarze Komödie verhandelt ernste Themen mit sarkastischem Humor und schwingt sich mitunter in surreale Höhen auf. Dabei geht es um seelische Erschütterungen und Verdrängung historischer Schuld, die sich nicht ewig kaschieren lassen. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Petrolio Film
Regie
Mareike Wegener
Buch
Mareike Wegener
Kamera
Sabine Panossian
Musik
Thom Kubli
Schnitt
Mareike Wegener
Darsteller
Valery Tscheplanowa (Saskia Harder) · Ursula Werner (Edith Telaar) · Andreas Döhler (Alfons Tenhagen) · Felix Römer (Lorenz von Hüning) · Oskar Keymer (Henry Tebing)
Länge
103 Minuten
Kinostart
24.11.2022
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Komödie | Krimi
Externe Links
IMDb | TMDB

Schwarze Komödie über eine traumatisierte Polizistin, die in der deutschen Provinz auf Moorleichen und Weltkriegsbomben stößt.

Diskussion

Die Polizistin Saskia Harder (Valery Tscheplanowa) gerät aus dem Regen in die Traufe. Als Ausbilderin war sie in Afghanistan stationiert, wo sie nur knapp ein Bombenattentat überlebte. Seitdem ist sie traumatisiert. Dennoch will sie zurück in Deutschland lieber wieder den Dienst aufzunehmen, als nichts zu tun. Prompt wird sie in das niedersächsische Städtchen Friedland beordert, wo sie die Identität einer Moorleiche aufklären soll. Doch die landschaftliche Idylle vor Ort trügt. Schon der Weg zur Leiche entwickelt sich schwieriger als erwartet, weil die Dunkelheit, das unwegsame Gelände und der Naturschutz den Zugang erschweren.

Als die Afghanistan-Veteranin mit dem mumifizierten Kadaver konfrontiert wird, kommt das Trauma wieder hoch. Sie erleidet Panikanfälle und erlebt in Gedanken noch einmal die Explosion. Zudem bleibt die Frage: Wer war die zur Moorleiche entstellte Person? Seit wann liegt sie in der sumpfigen Landschaft? Fiel sie einem Verbrechen zum Opfer? Im Gespräch mit den Ortseinwohnern stößt Harder auf wenig Kooperation. Offenbar haben manche Einwohner etwas zu verschweigen. Außerdem gibt es bald auch noch Bombenalarm: Ein Blindgänger der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg lag jahrzehntelang unentdeckt im Schlossteich. Nun droht bei der Entschärfung alles in die Luft zu fliegen; eine komplette Evakuierung des Ortes steht an.

Keiner will mit der Sprache heraus

Was sich thematisch zunächst nach schwerer Kost anhört, wird von Regisseurin Mareike Wegener allerdings mit leichter Hand inszeniert. Der Film entpuppt sich spätestens nach der Ankunft der Protagonistin in der deutschen Provinz als schwarze Komödie, die mit allerlei (scheinbar) hinterwäldlerischen, überforderten, melancholischen, aber auch recht gerissenen Figuren aufwartet. Deren Zusammenspiel mit der immer wieder irrational und erratisch agierenden Polizistin ergibt allerlei subtile Situationskomik. Niemand spielt hier mit offenen Karten, keiner will mit der Sprache heraus. Doch die Ermittlerin bekommt schnell heraus, dass in dem Ort über die Jahre hinweg mehrere Kinder verschwunden sind, deren Verbleib nie aufgeklärt wurde.

Hat das Moor sie verschlungen oder half jemand nach? Bei ihren Erkundungen stößt Harder auf eine weitere Art von Trauma. Hier leiden Familien an quälender Ungewissheit, an dem Schmerz, keinen Abschied zu nehmen und Kinder nicht begraben zu können. Das Moor und der Schlossgraben sind deshalb auch symbolisch zu verstehen. Das Moor steht für einen Sumpf aus Vertuschung. Es birgt noch andere Leichen, aus finsteren, aber nicht allzu fernen Zeiten im Zweiten Weltkrieg. Der Fund im Schlossgraben dagegen droht, das Lügengerüst, das sich über Jahrzehnte verfestigt hat, buchstäblich zu sprengen, belebt aber gleichzeitig Saskias Trauma wieder.

Auf Aufklärung darf man nicht hoffen

Auf Aufklärung darf man in „Echo“ nicht hoffen. Die Protagonistin und ihre Gegenspieler bedienen sich einer ähnlichen Technik: Sie verdrängen, verschieben und sind an einer Auseinandersetzung nicht wirklich interessiert. Weder die Polizistin an der Aufarbeitung ihres Traumas noch die Bürger an einer Aufarbeitung der Historie, die ihre Familien belasten könnte. Symbolik entsteht auch durch ein Gemälde des Schlossherrn von Hüning, das die Verdammung der mythologischen Figur Echo erklärt. Die Bergnymphe wurde von der Göttin Hera bestraft, indem sie ihr lediglich die Fähigkeit ließ, an sie gerichtete Worte zu wiederholen. Insofern wirkt auch der Papagei des undurchsichtigen Adligen, dessen Tochter im Kindesalter verschwand, nicht nur putzig, sondern spiegelt mit den wenigen, sinnfreien Sätzen seines Repertoires auch die für den Ort typischen Echos wider. Es sind sich wiederholende statische Aussagen, die Kommunikation behindern, nicht fördern.

Skurrilität ist in „Echo“ aber nicht Selbstzweck, sondern bestimmt den Erzählton dieses leicht anarchischen Werks, das die Balance zwischen lakonischem Humor und ernsten Themen halten kann. In seinen besten Momenten ähnelt „Echo“ dem aberwitzigen Kino eines Otar Iosseliani. Auch die Darstellerriege um Valery Tscheplanowa, Ursula Werner als Moormeisterin, Andreas Döhler als Dorfpolizist und Felix Römer als Schlossherr schafft es, nicht zu sehr zu chargieren und doch Gefühle wie Überforderung, Fatalismus oder Selbstgerechtigkeit zu transportieren.

Mit leichter Hand

Diese konsequente und für deutsche Verhältnisse erstaunlich leichtfüßige Komödie reflektiert darüber, dass sich angestaute Gefühle wie Schuld und Angst nicht ewig vertuschen lassen, und schafft eine Brücke zwischen Krieg und Frieden, Vergangenheit und Gegenwart.

Kommentar verfassen

Kommentieren