Babys sind klein, schwach und müssen noch viel lernen. Eltern wissen alles besser und haben das Sagen. Und wer sich Fantasie und Kindlichkeit bewahrt hat, ist ein Loser! Solch eine Sicht können wahrlich nur Erwachsene haben, selbst wenn sie es besser wissen müssten. Tim Templeton jedenfalls ist in „Boss Baby - Schluss mit Kindergarten“ groß geworden, ein Hausmann und treusorgender Vater, während sein jüngerer, ehrgeiziger Bruder Ted, nicht weiter verwunderlich, zum erfolgreichen Börsen-Manager avanciert ist, nur noch mit dem Privathelikopter von Termin zu Termin düst und dabei vor allem seine kleine Lieblingsnichte Tina sträflich vernachlässigt. Vom Rest der Familie ganz zu schweigen.
Die Abenteuer der Kindheit und die geheime Kleinstkindorganisation „Baby Corp.“, in der Ted einst als Säugling für mehr Babyliebe unter den Eltern kämpfte, sind verdrängt. Tim dagegen hat sich ein exaltiert-kindliches Gemüt als Erziehender seiner zwei Töchter bewahrt, während seine Frau Carol Karriere und Finanzen virtuos im Griff hat. Doch Kinder werden einfach zu schnell erwachsen, und so will die ältere, etwa siebenjährige Tabitha schon bald nichts mehr von den Späßen ihres Vaters wissen. Als Hochbegabte eifert sie lieber ihrem reichen Onkel nach und interessiert sich mehr für Mathe als für die Flausen von Daddy.
Eine neue Generation von „Baby Corp.“ braucht die Hilfe von Ted & Tim
Zum Glück für Tim ist da wenigstens noch sein Nesthäkchen Tina, das sich oberflächlich gesehen von seiner Überschwänglichkeit noch mitreißen lässt. Tatsächlich aber ist der scheinbar so niedliche Fratz– wie einst Ted – bei „Baby Corp.“ unter Vertrag. Und Tinas Auftrag ist es, mit den Templetons die Welt zu retten.
Es braucht eine Weile, bis Tom McGrath die Story seines zweiten Animationsfilms über die heimliche Herrschaft der Babys zumindest grob auf die Spur gebracht hat. Zu viele Anknüpfungspunkte, zu viele Andeutungen und zu wenig Kohärenz haben zur Folge, dass man bis zum Abspann eigentlich nicht weiß, was der Regisseur und Co-Autor eigentlich erzählen will. Da ist das zerrüttete Bruderverhältnis der inzwischen erwachsen gewordenen Babys aus Teil 1. Da ist die beginnende Entfremdung der Kinder von ihren Eltern mit der Pubertät. Da ist die in der Familie zur Diskussion stehende Rollenverteilung innerhalb einer nach Gleichberechtigung strebenden Gesellschaft.
Und auf der fantastischen Seite des Plots ist die „Men in Black“-artige geheime Organisation namens „Baby Corp.“, die in die Geschicke der Welt eingreift und es mit Wunderelixieren schafft, selbst Erwachsene wie Tim und Ted wenigstens temporär wieder in ihren kindlichen „Urzustand“ (von Teil 1) zu verwandeln, um die eigentliche Spaßgeschichte in Gang zu bringen. Diese wiederum nimmt in einer weiteren Handlungsellipse das Schulsystem kritisch unter die Lupe: In Privat-Internaten sollen Kinder zu Superhirnen für eine „Schöne neue Welt“ herangezogen werden. Mit dabei ist auch Tabitha, die bei Internatsleiter Dr. Erwin Armstrong als wahres Musterkind firmiert. „Baby Corp.“ allerdings wittert da Ränke, und so werden Tim und Ted verjüngt, um in der Schule zu recherchieren. Sie kommen nicht nur der Indoktrination der Kinder auf die Schliche, sondern auch den perfiden Weltherrschaftsplänen des Masterminds Dr. Armstrong: Er will mittels eines Handyprogramms alle Eltern „zombiefizieren“, sodass die von ihm gehirngewaschenen Bälger der Welt endlich offen und ohne den Einfluss ihrer tumben Erziehungsberechtigten gleichgeschaltet agieren können.
Reizüberflutung
Spätestens jetzt wird klar, welche Frage sich der geneigte Zuschauer angesichts des konfusen Spektakels keinesfalls stellen darf: „Warum?“ Nichts wird in „Boss Baby - Schluss mit Kindergarten“ erklärt, alles wird nur so lange angerissen, bis ein neuer Aspekt in den Fokus rückt. Nur eines ist sicher: am Ende lösen sich alle Probleme und Konflikte in Wohlgefallen auf. Dabei muss die Frage erlaubt sein, wie kindgerecht eine Geschichte ist, in der Pointen auf Begriffen wie „Agnostizismus“ oder „B-Day“ (für den Tag der Baby-Machtübernahme) fußen oder Eltern zu Zombies werden, die ihre Kinder im Zweifel „zu Tode knuddeln“.
Als verbindendes Element zwischen Spannung und Erlösung fungiert konsequenterweise nicht Sinnhaftigkeit oder gar Sinnlichkeit, sondern ein irrwitziges Tempo und die damit einhergehende audiovisuelle Reizüberflutung. Ein wenig geht es dem Zuschauer dabei wie den Eltern im Film, die durch das Farbenspiel ihrer Handys paralysiert und fremdbestimmt werden. Erst wenn es aufhört zu blitzen und krachen und der Abspann läuft, kommt man (hoffentlich ohne zu großes Kopfdröhnen) zu sich.