Zimmer 301
Drama | Finnland/Großbritannien 2019 | 269 Minuten (sechs Folgen)
Regie: Mikko Kuparinen
Filmdaten
- Originaltitel
- MAN IN ROOM 301
- Produktionsland
- Finnland/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Warner Bros. /International Television Production Finland/Wall to Wall/Inkas Film & T.V. Productions
- Regie
- Mikko Kuparinen
- Buch
- Kate Ashfield
- Kamera
- Max Smeds
- Musik
- Antony Bentley
- Schnitt
- Kim Saarniluoto
- Darsteller
- Andrei Alén (Mikko Kurtti) · Asta Friman (Anna Kurtti) · Eliel Lahdensuu (Tommi Kurtti) · Oliver Lahdensuu (Tommi Kurtti) · Leena Pöysti (Olivia Kurtti)
- Länge
- 269 Minuten (sechs Folgen)
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Familienfilm | Krimi | Serie
Eine finnische Familie wird während des Griechenlandurlaubs von einem alten Trauma eingeholt: Eine Mischung aus Familien-Drama und Krimi in Form einer sechsteiligen Miniserie.
Urlaub verspricht Heilung. Bei der finnischen Familie Kurtti ist das Gegenteil der Fall. Alte Wunden reißen auf. Vor 12 Jahren ist in einer Mittsommernacht der zweijährige Tommi im Wald erschossen worden. Vermutlich war es der rothaarige Nachbarsjunge Elias (Viljami Lahti), den man an der Stelle mit einem Gewehr gefunden hat. In der Gegenwart auf einer griechischen Ferieninsel meint Tommis Großvater Risto (Antti Virmavirta) einen Wiedergänger von Elias in dem jugendlichen, ebenfalls rothaarigen Touristen Leo (Elias Gould) zu erkennen. Der alte Mann verfolgt misstrauisch Leo und seine Freundin, als sie mit Kalle, auch einem Enkel der Kurtti, zum Klettern aufbrechen. Einen weiteren Beweis für Ristos Verdacht liefert ein anonymer Brief: „Keine Blumen am Grab. Denkt ihr noch an mich?“
Seppo (Jussi Vatanen), der Vater von Tommi, hat sich wiederum gegen den Familienurlaub entschieden, wie er seinem Vater Risto vor der Abreise vehement am Grabstein seines Sohnes erklärt. Zu tief sitzt immer noch die Trauer. Seppo hat damals die Leiche als erstes gesehen. In ständigen Vor- und Rückblenden vervollständigt sich das Mosaik der unglücksseligen Mittsommernacht und ihrer schwerwiegenden Folgen in der sechsteiligen Mini-Serie „Zimmer 301“ von Mikko Kuparinen und Kate Ashfield.
Alkohol als Brandbeschleuniger
Harmonisch ging es in der Familie Kurtti schon vor dem Tod des Enkelkinds nicht zu. Die Konflikte verdichteten sich an dem gemeinsamen Sommerfest. Patriarch Risto ärgerte sich über Seppos fehlenden Geschäftssinn: weniger Risiko, weniger Gewinn. Dafür warf Seppo dem Vater vor, nicht anwesend gewesen zu sein, als die Mutter an Krebs erkrankte und starb. Auch die Beziehungen von Seppo und seinem Bruder Mikko (Andrei Alén) zu ihren jeweiligen Ehefrauen (Kreeta Salminen und Leena Pöysti) waren ziemlich angespannt. Da führte die Nachricht von einer Schwangerschaft (der spätere Kalle) weniger zu Freudentränen als zu einer Nervenexplosion. Der Alkohol wirkte wie ein Brandbeschleuniger der Konflikte.
In dieser Hinsicht ist die Serie der vielfach ausgezeichneten Tragikomödie „Der Rausch“ von Thomas Vinterberg nicht unähnlich. Beziehungen sind hier wie dort durchsetzt mit Unehrlichkeit und Untreue, Neid und (Selbst-)Hass. Das Hochprozentige bringt die dunklen Seiten der Charaktere ans Licht, und eine Verkettung von bösen Zufällen trägt zur Eskalation der Lage bei. Elias belauscht die Nachbarsfamilie bei ihrer Selbstzerfleischung. Er feiert kein Mittsommer. Sein Vater schlachtet Vieh, seine Mutter kann den Jungen nicht zum Filmschauen animieren. Elias wird als ein soziales Problemkind gezeigt, das weder Liebe bekommt noch geben kann. Stattdessen läuft er mit grimmiger Miene durch die Gegend, stiehlt im Supermarkt, zerkratzt Autos und bricht in fremde Häuser ein; so eben auch in das von Familie Kurtti.
Kollektive Therapiesitzung vor exotischer Kulisse
Die Suche nach dem Schuldigen dient hauptsächlich dazu, die einzelnen Charaktere und ihre problemreichen Beziehungen unter die Lupe zu nehmen. Dabei verwenden die Showrunner einen gewohnt düsteren Skandinavien-Thriller-Look, während die Zeitebene in Griechenland vor Sonnenlicht strahlt, auch wenn der paradiesische Zustand nur von kurzer Dauer ist. Es ist erstaunlich, wie viele Familien, Paare und Singles aktuell in Serien wie „Nine Perfect Strangers“ oder „The White Lotus“ oder im Kinofilm „Old“ in ein Resort oder Retreat einchecken, nur um statt zu entspannen, mit ihren Problemen konfrontiert zu werden. Vielleicht verlangt die Corona-Krise das Selbst-Sezieren der westlichen Befindlichkeiten vor exotischer Kulisse – Eskapismus und Therapiesitzung in einem.
Überzeugen kann in „Zimmer 301“ vor allem die Schauspielerriege als dysfunktionale Familie. Es gilt, egal ob in Finnland, Griechenland oder sonst wo: Familie kann man sich nicht aussuchen, und das Beste wäre, sich nicht von den Provokationen der Mitmenschen anstecken zu lassen.