Beforeigners
Fantasy | Norwegen 2019 | 273 (sechs Folgen) Minuten
Regie: Jens Lien
Filmdaten
- Originaltitel
- BEFOREIGNERS
- Produktionsland
- Norwegen
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Rubicon TV AS
- Regie
- Jens Lien
- Buch
- Anne Bjørnstad · Eilif Skodvin
- Kamera
- Philip Øgaard
- Musik
- Ginge Anvik · Vegard Fossum
- Schnitt
- Vidar Flataukan
- Darsteller
- Nicolai Cleve Broch (Lars) · Krista Kosonen (Alfhildr) · Stig R. Amdam (Harald) · Ylva Bjørkaas Thedin (Ingrid) · Agnes Kittelsen (Marie)
- Länge
- 273 (sechs Folgen) Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Fantasy | Krimi | Serie
Eine norwegische Fantasy-Serie: Weltweit verschlägt es aus mysteriösen Gründen auf einmal Menschen aus vergangenen Epochen in die Gegenwart. Als eine Zeit-Migrantin in Oslo ermordet wird, ruft das ein Ermittler-Duo auf den Plan.
Eine weltweite Migrationswelle schwappt auch über Norwegen hinweg. Immer mehr Flüchtlinge tauchen im wahrsten Sinne des Wortes im Hafen von Oslo auf, scheinbar aus dem Nichts. Lediglich ein blauer Lichtblitz aus den Meerestiefen kündigt sie an. Sie werden aus dem Wasser gezogen und erstversorgt. Die Bilder wirken merkwürdig vertraut, und doch stimmt etwas nicht ganz: Die Menschen stammen nicht etwa aus Krisengebieten, sondern aus der Steinzeit, der Wikingerzeit und dem 19. Jahrhundert. Weshalb sie auftauchen, weiß niemand. Doch irgendwie wird man die Zeitmigranten integrieren müssen.
Die Serienmacher Anne Bjørnstad und Eilif Skodvin wagen sich nach der Krimikomödie „Lilyhammer“ an ihr erstes Science-Fiction-Thema: In „Beforeigners“ – schon allein wegen des hübschen Kofferworts aus „before“ und „foreigners“, das Zeitreise mit Migrationsgeschichte verknüpft, ein guter Titel – stellen sie nicht nur Missstände der europäischen Flüchtlingspolitik aus, sondern machen einen satirischen Rundumschlag durch die ach so „woke“ und unvoreingenommene moderne Gesellschaft. Die Verschiebung der Mechanismen von der Raum- auf die Zeitebene ist vermeintlich simpel, schafft jedoch eine Distanz, aus der heraus umso deutlicher wird, wie beliebig und absurd ein Großteil der Reaktionen auf und Vorurteile gegenüber Geflüchteten eigentlich sind.
Ein Ermittlerpaar im inter-temporalen Culture Clash
Im Zentrum steht Kriminalkommissar Lars Haaland, der nicht so begeistert darüber ist, dass gerade er die erste und bisher einzige Polizistin mit bi-temporalem Migrationshintergrund als neue Partnerin zugewiesen bekommt. Seitdem seine Ehefrau ihn für einen Biedermeier-Maler verlassen hat, traut er den Migranten nicht recht, auch wenn er sich langsam mit seinem Steinzeit-Nachbarn anfreundet. Der versorgt ihn mit illegalen Beruhigungstropfen, die eigentlich gegen das Zeitreisetrauma helfen sollen.
Alfhildr Enginnsdottir heißt die neue Kollegin, und die beiden sollen gleich gemeinsam einen Mord an einer jungen Frau aus der Steinzeit aufklären. Zwischen den beiden knirscht es dann auch nur so vor inter-temporalen Kulturunterschieden, allein schon, weil Alfhildr früher taffe Wikinger-Schildmaid war, sich in der Öffentlichkeit Moos in die Unterhose steckt, wenn sie ihre Tage hat (die modernen Produkte sind nun mal vom Gehalt einer Berufseinsteigerin nicht zu finanzieren, was will man machen), und Lars zudem für eine Memme hält, weil er Angst vor einem „Geist“ namens Gluten hat. „Buh!“, ruft sie grinsend und beißt in ihr Sandwich.
Beim prähistorischen Mafiaboss
Doch trotz dieser Anfangsschwierigkeiten kommen die beiden recht schnell mafiösen Strukturen zwischen prähistorischem Gangsterboss, trans-temporären Aussteigern und geldgierigen Heutigen auf die Spur. Obendrein trifft Alfhildr ihren einstigen Schwarm Tore Hund wieder, der heute allerdings mehr denn je als Mörder des Heiligen Olav verschrien ist und nichts mit seiner früheren Identität zu tun haben will. Ihre damalige Rivalin Urd hilft ihr, den Krieger wieder auf Spur zu bringen, um sich gegen religiöse Anfeindungen zu wehren und so aus der Sozialsiedlung herauszuarbeiten.
Das Kauderwelsch der ersten Gestrandeten wird zunächst für Isländisch gehalten, doch der herbeigeholte Übersetzer muss resigniert feststellen, dass seine Sprachkenntnisse nicht wirklich helfen. Für die Serie wurde Altnordisch im wahrsten Sinne des Wortes wiederbelebt: Die Sprache ist nur schriftlich überliefert, ihre Aussprache wurde für die Serie nachempfunden und entwickelt. Ähnlich wurden den Steinzeit-Migranten raue Laute in den Mund gelegt, passend zu ihrer aus heutiger Sicht primitiv-animalischen Lebensweise – jedoch nicht ohne ironisches Augenzwinkern, denn der prähistorische Mafiaboss wohnt zwar im Wald, allerdings in einem modernen Architekturbunker. Hier empfängt er seine Schergen meist nackt, kaut dabei gerne auf der Designer-Couch lümmelnd provokant rohes Fleisch und amüsiert sich über das Unwohlsein seiner Gäste. Machtspielchen finden hier eben auch intertemporal statt.
Blick fürs große Ganze
Die erste norwegische Serie für HBO Nordic kommt mit einem wilden Mix aus popkulturellen Bezügen und skandinavischer Mythologie beinahe locker-flockig daher, doch niemand kommt in dieser schlauen Gesellschaftssatire ungeschoren davon. Denn gerade in dieser Leichtigkeit werden eingefahrene Strukturen und Engstirnigkeiten besonders deutlich: Als Alfhildr in ein Museum gerufen wird, weil Urd sich von einem Gemälde provoziert fühlt und randaliert, schlägt sie ihre Freundin mit dem Hinweis heraus, dass ja die notwendige Triggerwarnung in den Sprachen der Migranten fehle. Ob das Museum eine Klage der Wikingerfrau riskieren wolle? Eben.
Aus Spaß an der Freude greift „Beforeigners“ eine Vielzahl an aktuellen Gesellschaftsdiskursen auf und verwurstet sie bisweilen recht lax. Doch gerade dieses lose Netzwerk gibt der Serie den Blick fürs große Ganze und die angenehm ehrliche Haltung, dass es keine Patentlösung für gesellschaftliches Zusammenleben gibt, doch eine kleine Perspektivverschiebung dem eigenen Problembewusstsein auf die Sprünge hilft.