Das eigentliche Ereignis dieses Films ist das Gesicht von Natalia Dyer, der Hauptdarstellerin, und seine Wandelbarkeit. Egal, ob Dyer verdutzt, aber neugierig vor dem Computerbildschirm sitzt, weil ihr im AOL-Chat ein Mann ein sehr eindeutiges Angebot macht, oder sie ungläubig eine junge Frau beim Oralsex beobachtet, die sich bislang als Moralapostel aufführte, ob sie im Beichtstuhl herumdruckst, weil sie dem neugierigen Priester nicht zu viel verraten will, oder ob sie als Minderjährige eine Biker-Kneipe betritt und zerknirscht eine Limo bestellt: Dyer, zur Drehzeit 24 Jahre alt, verkörpert mit perfekter Mimik die verwirrte Teenagerin, die die körperliche Lust entdeckt und deswegen ein schlechtes Gewissen hat.
Alice steckt mitten in der Pubertät. Als wäre das nicht schon schlimm genug, geht sie auch noch auf eine streng katholische Schule irgendwo im Bible Belt Amerikas. Hier sorgt ein Priester für Aufklärung, und das sieht dann so aus: Sex vor der Ehe ist verboten, Masturbation sowieso. Schließlich geht es beim Sex einzig darum, Nachwuchs zu zeugen. Alice würde die Vorgaben gern ernst nehmen. Doch warum fühlt es sich so gut an, wenn ihr versehentlich ein vibrierendes Handy in den Schoß fällt? Und warum findet sie jene Szene aus „Titanic“, bei der Kate Winslet beim Sex mit Leonardo DiCaprio im Auto mit der Hand frivol gegen die beschlagene Scheibe klatscht, so anregend?
Alice im religiösen Trainingslager
Alice ist so ahnungslos, dass sie noch nicht einmal weiß, welche sexuelle Praktik sie, Gerüchten zufolge, auf einer Party ausgeführt haben soll. Ihre Freundin weiß auch nicht Bescheid, der Zuschauer aber schon, weil ihn eine Schrifttafel zu Beginn des Films darüber aufklärte. Um den direkten Weg in die Hölle zu vermeiden, nimmt das verwirrte Mädchen an einem verlängerten religiösen Wochenende teil, ausgerichtet von ihrer Schule. Ein Trainingslager für Katholiken sozusagen, bei dem jeder dasselbe T-Shirt trägt und viel gebetet, gebeichtet und geweint wird. Alice ist bereit, ihren unreinen Gedanken tapfer zu widerstehen. Doch dann ist da ein Muskelprotz namens Chris, der einfach zu gut aussieht.
„Yes, God, Yes“, nach ihrem eigenen gleichnamigen Kurzfilm geschrieben und inszeniert von Karen Maine, ist eine Komödie, die die Dinge nicht nur beim Namen nennt, sondern dabei auch noch sehr lustig ist. Der Humor entsteht durch das Gefälle zwischen dem, was die Teenager wissen (nämlich nichts), und dem, was ihr Körper ihnen sagt, zwischen dem, was sie tun möchten, und dem, was die Erwachsenen ihnen verbieten. Die lustfeindliche Zugeknöpftheit von Priestern, Lehrern oder älteren Gruppenführern muss Alice mitunter absurd erscheinen. Sex wird hier nicht verteufelt, weil es so in der Bibel steht – die Verbote sind eindeutiger Beleg dafür, dass die Erwachsenen selbst Probleme mit ihrer Sexualität haben. So erwischt Alice einmal ihren Priester beim Schauen eines Pornos, dann beobachtet sie aus der Ferne eine junge Frau, die willig zum Oralsex in die Knie geht, obwohl sie als Gruppenführerin sonst streng auf die Einhaltung aller Regeln achtet.
Auch die Doppelmoral im leichten Ton
Doch auch für die Doppelmoral der Erwachsenen findet Maine einen leichten Ton. Hier ist nichts so schlimm, dass man nicht drüber lachen könnte, mal leise, mal laut. Vor allem ist dies aber ein Film über das Erwachsenwerden, über die Emanzipation einer jungen Frau. Einmal verschlägt es Alice in eine Biker-Kneipe, wo die erfahrene lesbische Chefin nicht nur die sexuelle Praktik kennt, von der weiter oben die Rede ist. Sie gibt Alice den Tipp, entweder an der West- oder an der Ostküste zu studieren. Es gibt noch eine andere, größere Welt da draußen. Man muss sie nur entdecken.