Die bunte Seite des Mondes

Animation | USA/China 2020 | 95 Minuten

Regie: Glen Keane

Eine chinesische Kleinfamilie wird durch den Tod der Mutter auseinandergerissen; vier Jahre später trauert die Tochter noch immer und ist entsetzt, als ihr Vater eine neue Partnerin findet. Um den Vater von der Treue zur toten Mutter zu überzeugen, will sie sich die Hilfe der Mondgöttin sichern. Tatsächlich kann sie eine Rakete bauen, doch hält die Reise zum Mond viele Überraschungen parat. Ein Animationsfilm, der sich erzählerisch an der Disney-Tradition orientiert, für die verschiedenen Realitätsebenen mit unterschiedlichen Animationsstilen spielt und ebenso bildgewaltig wie warmherzig von Trauer und der Notwendigkeit des Loslassens erzählt. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
OVER THE MOON
Produktionsland
USA/China
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Glen Keane Prod./Janet Yang Prod./Netflix/Pearl Studio
Regie
Glen Keane · John Kahrs
Buch
Audrey Wells
Musik
Steven Price
Schnitt
Edie Ichioka
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Animation | Kinderfilm
Externe Links
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Disney-Veteran Glen Keane greift in seinem späten Regie-Debüt den chinesischen Mythos der Mondgöttin Chang’e auf, um in Form eines bildgewaltigen Animationsfilms vom Trauerprozess eines Mädchens zu erzählen.

Diskussion

Der Mond und die Sehnsucht – das geht nicht nur in der europäischen Kulturgeschichte bestens zusammen, sondern auch in der chinesischen. Chang’e heißt dort die Mondgöttin, und ihr Mythos kreist um eine tragische Liebe: Einst waren Chang’e und der Bogenschütze Houyi ein Paar, dann aber verschlug es die Schöne durch tragische Verwicklungen als Unsterbliche allein auf den Mond, wo sie sich seitdem nach ihrem verlorenen Liebsten verzehrt. Am Anfang von Glen Keanes Animationsfilm erzählt eine Mutter diese Geschichte ihrer kleinen Tochter anlässlich des anstehenden Mondfestes. Die Frau, die Kleine und ihr Vater bilden ein glückliches Familienkleeblatt: man lacht zusammen, kabbelt sich, hält sich im Arm. Doch die Tragik lässt auch hier nicht lange auf sich warten: Ein kurzer Schnitt nach der Exposition, dann ist es vier Jahre später, und von der Mutter, die eine Krankheit dahingerafft hat, sind nur ein Foto und viele liebe Erinnerungen geblieben.

Bloß keine Patchwork-Familie!

Dieses Gedächtnis sieht die junge Fei Fei verunehrt, als ihr Vater eines Tages eine andere Frau und deren kleinen Sohn mit ins Haus bringt: Er hat sich neu verliebt und würde seinen Haushalt gerne zur Patchwork-Familie erweitern. Fei Fei hat aber keinerlei Lust auf einen Stiefbruder und noch weniger auf eine Stiefmutter, und so ersinnt sie einen Plan, um ihren Vater von der Verbindung abzuhalten: Sie will ihn zur Treue zur toten Mutter bewegen; dabei stützt sie sich auf den Mythos der trauernden Chang’e. Könnte sie deren Existenz beweisen, müsste das den Vater doch von der Bedeutung der einen, ewigen Liebe überzeugen!

Also setzt sie sich in den Kopf, zum Mond zu fliegen – und schafft es tatsächlich, eine Rakete zu bauen. Doch mit ihrem Kaninchen und dem Stiefbrüderchen als blindem Passagier im Schlepptau gerät die Reise zum turbulenten Abenteuer mit unerwartetem Ausgang. Denn Chang’e und ihr Mondreich entsprechen so gar nicht dem romantischen Märchen ihrer Mutter…

Disney-Veteran Glen Keane legt ein spätes Langfilm-Debüt vor

Glen Keane, der hier mit Mitte Sechzig sein Debüt als Langfilm-Regisseur hinlegt, ist ein Disney-Veteran; er hat als Animationskünstler schon in den 1970er-Jahren bei Klassikern wie „Bernard und Bianca“ und „Elliot, das Schmunzelmonster“ mitgewirkt; seine Filmografie umfasst Erfolge wie „Die Schöne und das Biest“, „Aladdin“ und in jüngerer Zeit „Rapunzel – neu verföhnt“. Es wundert also nicht, dass auch dieser Film erzählerisch astreiner „Disney“ ist: Da sind die Anlehnung an einen klassischen Märchenstoff, die ohrwurmartigen Gesangseinlagen und die liebenswerten Sidekicks, die für Humor-Auflockerung sorgen – wozu neben Fei Feis Kaninchen Bungee und dem frechen kleinen Stiefbruder auch das mythische Jade-Kaninchen aus dem Mondgöttin-Mythos und eine possierliche Mondkreatur gehören, mit der Fei Fei sich in Chang’es knallbuntem Reich Lunaria anfreundet.

Dass das Ganze trotzdem nicht formelhaft wirkt, liegt unter anderem an dem Ernst, mit dem sich Drehbuchautorin Audrey Wells am Trauerprozess der Protagonistin abarbeitet: Was zwischendurch die Form eines fantastischen, actionreichen Abenteuers annimmt, ist nie nur eine äußere, sondern immer auch eine innerliche Reise der Hauptfigur, bei der Fei Fei lernt, sich in ihrem Kummer um die tote Mutter nicht einzusperren, sondern sich auf Neues einzulassen. Eine im Kern schmerzhafte Geschichte, die das anvisierte junge Publikum fordert, aber durch ihre kindgerechte Aufarbeitung nicht überfordert.

Mit Mondfröschen gegen die Melancholie

Außerdem profitiert der Film von dem visuellen und situationskomischen Witz, mit dem Keane das Ganze ausarbeitet. Die Alltagswelt von Fei Fei und die wunderbare Welt von Lunaria sind stilistisch unterschiedlich umgesetzt: Wo einst in Das zauberhafte Land mit dem Kontrast von Schwarz-weiß- und Farbfilm gearbeitet wurde, um den Übergang von einer Welt in die andere zu markieren, spielt Keane mit plastischer (wenn auch etwas texturarmer) 3D-Animation, um die irdische Welt auszumalen, und mit einem spielerisch-abstrakten, popbunten 2D-Stil in der Ausgestaltung der Mondwelt. Dabei schwelgt der Film in surrealen Ideen – vom schwerelosen Ping-Pong-Match zwischen Chang’e und Fei Feis Stiefbrüderchen über einen Ritt auf gewaltigen Mondfröschen bis hin zur atemlosen Verfolgungsjagd auf von Hühnern gefahrenen Motorrädern. Er findet aber immer wieder auch zu poetisch-sinnfälligen Bildern, um Fei Feis Entwicklung anschaulich zu machen.

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