Ungewöhnlich dicht inszeniertes Drama, das auf zwei Handlungsebenen vom gespaltenen Verhältnis der bürgerlichen Gesellschaft zu Krieg und Gewalt erzählt.
Es ist nicht nur das Thema, sondern vor allem auch die Erzählstruktur, die aufmerken lässt. So findet der Krieg, in den Chris, der Sohn der Familie Stein, als Bundeswehrsoldat zieht und bei dem er ums Leben kommt, zwar in Afghanistan statt, doch er führt auch die Familie zuhause in Berlin in ein Verhängnis, an dem sie zerbricht.
Wie es dazu kam, erfährt man erst nach und nach durch Rückblenden. Als eigentlicher „Kriegsschauplatz“ entpuppt sich die winterliche Tiroler Bergwelt. Sein unbestrittener Protagonist ist Chris’ Vater, Arnold Stein, beeindruckend verkörpert durch Ulrich Matthes. Der Lehrer ist nach dem Tod von Sohn und Ehefrau aus der sommerlichen Stadt in eine Berghütte geflüchtet, die hoch in den Alpen liegt. Als er sich durch einen unbekannten Fremden bedroht fühlt, greift der Pazifist zu Mitteln der Gewalt.
Die Bergwelt bildet die Gegenwartsebene der Filmhandlung. Das für die Thematik des Films zentrale Geschehen um den Sohn und die Folgen seines Todes für die Familie werden parallel dazu in den Rückblenden erzählt. Auf diese Weise thematisiert das Drama von Rick Ostermann bewusst die Gegensätze von Stadt und Land sowie von Frühjahr/Sommer und Winter, in denen sich auch der mentale Gegensatz von Gewaltlosigkeit und Gewalt spiegelt.
Die Ereignisse werden aus epischer Distanz geschildert
Das Geschehen in den beiden einander gegenüberstehenden Welten ist durch scheinbar sich wiederholende Vorgänge, die aber oft einen anderen Verlauf nehmen, eng aufeinander bezogen. Diese Struktur prägt den Charakter der anspruchsvollen Inszenierung, da auf diese Weise aus dem aufwühlenden Thema kein Melodram, sondern ein Film resultiert, der die Ereignisse aus einer gewissen epischen Distanz schildert, ohne an Spannung zu verlieren.
Die Auseinandersetzung mit dem „fremden Feind“ in den Bergen beginnt schon in der ersten Szene, in der Stein die Berghütte bei der Ankunft verwüstet vorfindet. Im nächsten Augenblick blendet der Film auf eine Monate zurückliegende Szene zurück, in der der Sohn am Kaffeetisch erzählt, dass er Soldat werden will. Anschließend knüpft der Film wieder an die Bergszene an: Stein fährt ins Dorf zur Polizeistation hinunter, um den Einbruch zu melden, entscheidet sich aber im letzten Moment, doch keine Anzeige zu erstatten, sondern die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Der wiederholte Wechsel zwischen den Szenen in den Bergen und den Rückblenden findet in einem engen Takt statt, der eine Gleichgewichtigkeit beider Erzählstränge suggeriert.
Filmisch dominieren allerdings die Bergszenen. Bezeichnend ist, dass der Tod des Sohnes zum ersten Mal in einer Szene in den Bergen zur Sprache kommt, als Stein von Chris’ Freundin besucht wird. Erst hier enthüllt eine Rückblende den Augenblick, in dem der Familie in Berlin die Todesnachricht überbracht wird.
Die Tiroler Landschaft dominiert eindrucksvoll den Menschen
Die Filmszenen aus Tirol sind die ästhetisch eindrucksvolleren. Die Landschaft scheint über die Menschen zu dominieren, deren Aktionsspektrum eher beschränkt wirkt. In den Bergen wirkt Arnold Stein wie ein Getriebener, der auch aus Überforderung handelt. Ulrich Matthes ist diese Rolle wie auf den Leib geschrieben. Er ist ein Sympathieträger, obgleich er meistens sehr ernst in die Kamera blickt und vor allem in den Bergszenen viel untergründige Wut spüren lässt. Er ist kein Action-Held, sondern seine Aktionen wirken langsam und bedächtig. Umso größer ist dann das Entsetzen über die Mittel, zu denen er greift: Auf Gewalt reagiert er mit Gegengewalt. Nachdem sein Hund, der ihm offenbar die Familie ersetzt, angeschossen wird, macht er den Verursacher ausfindig und zündet dessen Unterkunft an. Stein entpuppt sich sozusagen als Wolf im Schafspelz. Dennoch endet der Film in gleichsam friedlicher Stimmung.