Wie aufgeregte Hühner springen die jungen Frauen in ihren Hochzeitskleidern im Garten umher; euphorisch recken sie die Hand mit dem ringbekränzten Finger in die Luft und bejubeln glückselig sich und ihren geliebten Ehemann Jesus. Für Cathleen und die anderen Postulantinnen ist 1964 ein inniger Traum in Erfüllung gegangen; sie wurden im ländlichen Tennessee in ein katholisches Frauenkloster aufgenommen. Das Spielfilmdebüt der US-amerikanischen Filmemacherin Maggie Betts feiert diesen Moment der ersten Gelübde mit einer eindringlichen Kamerafahrt, indem es die ausdrucksstarken Gesichter der gut ein Dutzend Postulantinnen wie die Perlen einer Kette nebeneinander aufreiht, lauter starke, ausgeprägte Charaktere im Moment tiefster Hingabe und innerer Entschlossenheit.
Von diesem euphorischen Moment springt der Film zehn Jahre zurück in Cathleens Vergangenheit mit einer alleinerziehenden Mutter. Mit stiller Intensität skizziert die Regie die biografischen Stationen eines nachdenklichen Mädchens, das über eine von Nonnen geführte Schule in näheren Kontakt mit dem christlichen Glauben kommt. Die Ruhe einer Kapelle wird für den nicht religiös erzogenen Teenager zum magischen Ort, wo Cathleen ganz bei sich und ihren Gedanken ist. Der Einfall, ihr Leben Jesus zu weihen, von ihrer entgeisterten Mutter noch als pubertäre Schwärmerei abgetan, eröffnet der 18-Jährigen zunächst eine vibrierend glückliche Zeit. Das vom strikten Glockenschlag strukturierte Leben, die vielen Gebete, Regeln und Verhaltensweisen wirken auf sie und die anderen Neulinge anziehend und verheißungsvoll, selbst wenn sich in Gestalt der dominanten Oberin auch verstörende Härten andeuten.
Mit der trunkenen Glückseligkeit der mythischen Vermählung mit Jesus ist es dann aber schnell vorbei, als die Oberin das Ziel des nun beginnenden Noviziats umreißt: eine Zeit intensiver Prüfung, ob die angehenden Klosterfrauen auch wirklich berufen sind. Der von ihr bevorzugte Ort für diese Scheidung der Geister ist ein dunkles Refektorium, in das so gut wie kein Sonnenstrahl dringt. Hier versammelt sie die knienden Novizinnen im Kreis zu peinigenden Verhören; jeweils eine von ihnen muss in die Mitte kriechen und soll ihre innersten Gedanken preisgeben, ihre Verfehlungen und Zweifel bekennen. Die sadistische Grundierung dieser Übung treibt bald giftige Blüten, die Cathleen etwa zu Selbstkasteiung oder einem manischen Fasten führen, begleitet von eruptiven Albträumen nach körperlicher Nähe und Vertrautheit. In der Folge lichtet sich der Kreis der Novizinnen, die am harschen Regiment zerbrechen oder den Ansprüchen der Oberin nicht genügen.
„Novitiate“ ist allerdings kein Horrorfilm und auch keine billige Abrechnung mit einer befremdlichen Religiosität, in der Liebe und Entbehrung in einem Atemzug genannt werden. Die Inszenierung taucht in der von Margaret Qualley mit großer innerer Stärke verkörperten Protagonistin geradezu exemplarisch in eine klösterliche Biografie am Vorabend der größten Umbruchsphase der Frauenklöster ein; denn das II. Vatikanische Konzil revidierte in vielen Punkten die Fundamente des klösterlichen Lebens und stellte es mit dem „normaler“ Christen auf eine Ebene. Dieses theologische Beben spielt auf unterschiedlichen Ebenen in den Film herein, unter anderem in Gestalt der „gottgleichen“ Oberin, die sich verbissen weigert, die Direktiven des zuständigen Erzbischofs umzusetzen, ihre überschießenden Emotionen und inneren Zerrissenheiten dafür aber umso zügelloser an den Novizinnen ausagiert.
Die Oberin ist auch eine der wenigen Figuren, denen der Film in Gestalt von Gebeten eine innere Stimme leiht, in Momenten existenzieller Erschütterung, wenn sich die Klage über die Abwesenheit des mystischen Bräutigams auch akustisch Raum schafft. Die Religiosität der Figuren wird auch sonst eher verbal thematisiert; für eine bildhafte Umsetzung des Spirituellen fehlt der Inszenierung der Sinn; dafür werden die materiellen und gesellschaftlichen Hintergründe der Geschichte differenziert ins Spiel gebracht.
Nicht alles gelingt in diesem Debütfilm; die zentralen Erzählfäden um die glühende Cathleen und die in ihrem institutionellen Gehäuse erstarrten Oberin laufen eher nebeneinander her, manches ist schlicht behauptet, aber nicht umgesetzt, einzelne Momente auch unbeholfen inszeniert. Auf der anderen Seite glänzt das Drehbuch durch sorgfältig ausgearbeitete Nebenfiguren, die überdies markant besetzt sind. Das große Plus des Films aber ist seine visuelle Umsetzung, die insbesondere auf das innere Strahlen der Protagonistin ausgerichtet ist; in Qualleys warmem und gleichermaßen konturiertem Gesicht spiegeln sich die Sehnsüchte, Erwartungen und Kämpfe einer jungen Frau auf so berührende Weise, dass man deren religiöse Ausrichtung unschwer als integralen Bestandteil ihres biografischen Selbstentwurfes versteht und akzeptiert.