Authentizität und Glaubwürdigkeit sind zwei Prämissen des Dokumentarfilms im Umgang mit der Historie, vor allem wenn es um sensible Themen geht. Dazu zählen insbesondere Erzählungen über Menschen, denen es als Juden ab 1941 gelang, in Berlin unterzutauchen und damit der Deportation zu entgehen. Anscheinend war es also möglich, sich dem umfassenden Kontrollsystem der Nazis zu entziehen. Nicht-verfolgte Menschen haben ihnen in Berlin geholfen und dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Aus diesem spannenden Thema hat der Dokumentarist Claus Räfle einen Film gemacht, der zwischen Fiktion und Dokument oszilliert.
„Dokument“ ist der Film deshalb, weil die vier Protagonisten Cioma Schönhaus, Hanni Lévy, Ruth Gumpel und Eugen Friede rückblickend von ihren eigenen Erlebnissen berichten und überdies, wenngleich vergleichsweise selten, auf Archivmaterial zurückgegriffen wird. Die Interviews hat Räfle ab 2009 im Rahmen eines anderen Dokumentarfilmprojekts geführt. Diese Methode verleiht den szenisch-fiktiven Spielhandlungen, die realistisch inszeniert sind, ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Das Doku-Drama „Die Unsichtbaren“ zeichnet sich durch eine gewisse Dominanz des Fiktionalen und Handlungsorientierten aus, dem sich das Dokumentarische unterordnet. Selbst dann, wenn die mündliche Erzählung der Protagonisten adäquat in Szene gesetzt wird, ist das, was man sieht, eine Fiktionalisierung, was sich schon in der Präsenz von Schauspielern ausdrückt, die Rollen spielen und Dialoge in Situationen sprechen, an deren Details sich wohl kaum jemand erinnert.
Dass die Interviews nicht eigens für den Film gedreht wurden, erkennt man schon daran, dass die Zeitzeugen Handlungsabläufe schildern, die zugleich zu sehen sind, wodurch eine seltsame Dopplung entsteht. Die vier, denen so Wunderbares gelungen ist, entpuppten sich darin überdies als talentierte Erzähler mit unterschiedlichen Erzähltechniken. Die Schauspieler wiederum schaffen eigenständige Charaktere, die zum Vergleich mit ihren gealterten realen Vorbildern einladen. Die Dramaturgie der Spielhandlungen ist dabei so gestaltet, dass die Spannung nicht zu kurz kommt, wenngleich sie nicht die Oberhand gewinnt und zum Selbstzweck wird. Mit wachsender Zuspitzung der in Drehbuch und Schnitt gut austarierten Handlungsbögen ist es möglich, in die dargestellte Welt einzutauchen, die von unglaublichen Begebenheiten erzählt – von Schönhaus, der zum Meisterfälscher von Pässen wird, oder Lévy, die sich die Haare blond färbt und eine Kinobesitzerin als Beschützerin und Freundin gewinnt. Das eher im Fernsehen verortete Genre des Doku-Dramas findet mit „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ eine gelungene Variante fürs Kino.