Schumanns Bargespräche

Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 103 Minuten

Regie: Marieke Schroeder

Der 1941 in der Oberpfalz geborene Charles Schumann eröffnete 1982 in der Münchner Maximiliansstraße seine erste Bar. Heute zählt er zu den international geschätzten Meistern seiner Zunft und wahrt dabei stets seinen Nimbus als geheimnisvolle Stil-Ikone. Ruhig und angenehm zurückhaltend beobachtet der Dokumentarfilm Schumann bei Stippvisiten in legendären Bars in New York, Havanna, Paris und Tokio und philosophiert zu stylischer Jazz-Musik über die Kultur des Genusses, das Verhältnis von Gast und Barkeeper sowie die Welt als melancholischer Ort zwischen Geselligkeit und Leere. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Thali Media
Regie
Marieke Schroeder
Buch
Marieke Schroeder
Kamera
Niv Abootalebi
Musik
Valentino Betz · Marvin Schuhmann
Schnitt
Gaby Kull-Neujahr
Länge
103 Minuten
Kinostart
12.10.2017
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Stippvisiten mit Charles Schumann durch die berühmtesten Bars der Welt, bei denen eine Philosophie des (alkoholischen) Genusses entfaltet wird

Diskussion
Irgendwann in Marieke Schroeders Dokumentation beschreibt ein Gast das Verhalten des berühmten Bartenders Charles Schumann wie folgt: „Er tauchte auf, zeigte sich kurz, begrüßte die Gäste und war dann auch gleich wieder verschwunden.“ Durchaus vergleichbar sollte man sich die Präsenz Schumanns in „Schumanns Bargespräche“ vorstellen, wenngleich Schumann hier in fast jeder Einstellung zu sehen ist. Dennoch wird schnell klar, dass „Schumanns Bargespräche“ eher ein Film mit Charles Schumann ist als ein Film über Charles Schumann. Er ist gewissermaßen anwesend abwesend und arbeitet an seinem Mythos, der Erfinder der modernen Bar und der perfekte Gastgeber zu sein. In „Schumanns Bargesprächen“ fungiert der Protagonist vorzugsweise als Katalysator begeisternder Monologe Dritter vor laufender Kamera. Das muss genügen, wird sich Schumann gedacht haben. Die Bar, lange Zeit im Geruch des Halbseidenen, steht im hier verhandelten Verständnis für Toleranz, Liberalität und Weltoffenheit. Sie fungiert als Wohnzimmer, das man auch alleine betreten und jederzeit auch wieder verlassen kann. Ein Ort gleichzeitig der Geselligkeit und der Unverbindlichkeit, gepriesen und verklärt von Schriftstellern wie Hemingway und Malern wie Edward Hopper. Kaum überraschend, wenn man später erfährt, wie wichtig es ist, dass die Distanz zwischen dem Gast und dem Menschen hinter dem Tresen gewahrt bleibt. Selbst, wenn der Gast die Bar jede Woche ein paar Abende frequentiert. Mag sich der Gast dem Bartender anvertrauen, das Verhältnis bleibt ein professionelles. Muss ein professionelles bleiben, denn es ist die Aufgabe des Bartenders, dem Gast genau den Drink zu mixen, den dessen psychische Verfassung gerade jetzt braucht. Insofern unterscheidet sich die Perspektive des Gastes, der – wie Maxim Biller oder Claudius Seidl zu Beginn des Films – davon schwärmt, sich dem Wirt anzuvertrauen zu können, von der Perspektive des Wirtes, der versuchen muss, seinen Menschenhass nicht in Alkoholismus oder Drogensucht münden zu lassen. Erklärt Schumann. Dass er seine legendäre Münchener Bar „Schumann’s“ erst in den 1980er-Jahren eröffnen konnte, wird im Film mit der Feststellung erklärt, dass im Jahrzehnt zuvor die Wirkung von Drogen höher geschätzt wurde als deren Genuss. Und um den Begriff des Genusses dreht sich die komplette Philosophie der Bar, deren (auch) kulturgeschichtliche Ingredienzien der Film auf seiner Reise zu einigen legendären Bars in New York, Havanna, Paris und Tokio einsammelt. Worin besteht die soziale und kulturelle Seite von Cocktails? Wie wichtig sind zuverlässige Rezepturen? Wie wichtig sind frische Zutaten? Wann beginnt man in New York zu trinken? Wann wurde Wodka zur Mode? Wie zerkleinert man in Tokio das Eis? Welche Spätfolgen zeitigte die Prohibition in den USA für die Cocktail-Kultur? Schumann, als Doyen der Zunft international geschätzt und respektiert, gibt den ab und zu und immer mal wieder kurz lächelnden Zuhörer, greift ab und zu mal ins Gespräch ein und gibt Tipps. Spricht er auch Japanisch? In Tokio hört er den Ausführungen eines Bartenders geduldig zu und gibt recht souverän nicht zu erkennen, ob er die Ausführungen versteht oder bloß durchrauschen lässt. Cool! Mühelos gelingt es dem mittlerweile 75-Jährigen, auf Filmlänge seinen Nimbus als Einzelgänger und immer leicht geheimnisvoller Stilikone mit farblich abgestimmten Anzügen zu offenem Hemd und leicht derangierter Frisur zu wahren. Die Kamera von Niv Abootalebi findet immer wieder interessante Einstellungen, mit deren Hilfe sich Schumann perfekt inszenieren kann, unterliegt von einem passend stylishen Jazz-Soundtrack, auf dem Bill Evans, John Coltrane, Ahmad Jamal, Erroll Garner und Oscar Peterson zu hören sind.
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